Lebenslanges Lernen: mehr als ein vertikaler Prozess

06.05.2011, Text: Reinhard Lechner, Online-Redaktion
Eurydice-Bericht fragt nach Möglichkeiten für gering qualifizierte Erwachsene in der EU, formale Qualifikationen zu erwerben.
Lernen nach dem Motto 'to go one step up'
Ein aktueller Bericht von Eurydice, dem EU-Informationsnetzwerk zum Bildungswesen in den Mitgliedsstaaten, zieht eine Zwischenbilanz zu einem zentralen Anliegen der EU, das Lernen Erwachsener zu fördern. 2007 veröffentlichte die Europäische Kommission den Aktionsplan "Zum Lernen ist es nie zu spät". Damit steckte sich die EU das Ziel, allen am Arbeitsmarkt benachteiligten Erwachsenen eine Qualifikation zu ermöglichen, die zumindest eine Stufe höher liegt als ihre bisherige. Zu geringqualifizierten ArbeitnehmerInnen in der EU zählen statistisch MigrantInnen, SchulabbrecherInnen, Ältere oder Menschen mit Behinderungen.

Lebenslanges Lernen mehr als vertikaler Prozess
Der Bericht hält fest, dass Lebenslanges Lernen (LLL) nicht nur "to go one step up" heißt und nicht alle Lernenden versuchen würden, die nächsthöhere Qualifikation zu erreichen. Lernen kann sich vielmehr auch horizontal vollziehen, zum Beispiel indem Lernende eine andere Qualifikation auf dem selben beruflichen Niveau anstreben. Weiters benötigen Lernende mitunter sogar niedrigere Qualifikationen, etwa wenn sie sich beruflich in eine neue Richtung entwickeln.

Eurydice zeigt weiters auf, dass die Ausgestaltung von Finanzierungsmodellen und Maßnahmen zur Höherqualifizierung EU-weit höchst unterschiedlich ist. Zu beachten sei jedoch in allen Ländern, dass weniger Qualifizierte eher seltener an formellen Angeboten des lebenslangen Lernens teilnehmen. Flexible Programme und Prüfungen erhöhen jedoch die Chancen Erwachsener, formale Qualifikationen zu erwerben.

Bericht über Zahlen und Praxis der EU-Erwachsenenbildung
Genauer betrachtet glieder sich der Eurydice-Bericht sich in fünf Abschnitte, die aufeinander aufbauen und die LeserIn über verschiedene Aspekte lernender Erwachsener in der EU informieren:

Einführend stellen die EU Labour Force Survey und die Adult Education Survey Zahlen zur Erwachsenenbildung in den EU-Ländern bereit. 2009 hatten etwa 76 Millionen Erwachsene in der EU keinen Abschluss der Sekundarstufe II erreicht. Dieser gilt als Mindestvoraussetzung für eine kontinuierliche Beschäftigungsfähigkeit.

Kapitel 2 geht näher auf politischen Konzepte der EU zur Erwachsenenbildung ein. Zum Beispiel unterscheidet das EU-Zentrum für die Entwicklung der Berufsbildung (Cedefop) formales, non-formales und informelles Lernen. Personen lernen danach sogar zum überwiegenden Teil in "weichen" Lernumgebungen wie z.B. im Zuge einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

In einem weiteren Abschnitt wird erläutert, in welcher Form Erwachsene in der EU-Ländern den zweiten Bildungsweg gehen können: Skandinavien oder die Niederlande organisieren 'second chance'-Programme; für Österreich würde dazu etwa die Berufsreifeprüfung zählen. Großbritannien stimmt Bildungsprogramme speziell auf das Lernen Erwachsener ab (etwa "learndirect" als e-learning-Service). Weiters diskutiert das Kapitel, welche Ausbildung TrainerInnen zum Lernen mit Erwachsenen benötigen. Als Möglichkeit wird hier die Einführung eines einheitlichen Master's degree vorgeschlagen. Dazu kommen etwa auch aus der österreichischen Bildungspolitik Vorschläge.

Das vierte Kapitel stellt EU-Maßnahmen vor, um Erwachsenen den Zugang zu Hochschulbildung zu erleichtern. Spanien etwa stellt pro Jahr eine bestimmte Zahl an Studienplätzen für geringqualifizierte Erwachsene über 25, 40 und 45 Jahren bereit.

Abschliessend werden finanzielle Modelle diskutiert, um Erwachsene besser an formaler Ausbildung zu beteiligen. Dabei wird zwischen öffentlicher und privater Finanzierung sowie Finanzierung durch ArbeitgeberInnen unterschieden.
Weitere Informationen: