Staatspreis für Erwachsenenbildung: Mehr als eine Auszeichnung

20.04.2011, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Am 29. April beginnt die Einreichfrist für den Österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung 2011. Zum Auftakt ein Rückblick auf die PreisträgerInnen 2010.
Am 9. November 2010 wurde von Bildungsministerin Claudia Schmied der Österreichische Staatspreis für Erwachsenenbildung 2010 in vier Kategorien vergeben. Die Redaktion fragte die PreisträgerInnen vier Monate nach Erhalt der Auszeichnung wie es ist, den Staatspreis erhalten zu haben.

Eva-Maria Lass-Kuloglu: Gewinnerin in der Kategorie "ErwachsenenbildnerIn 2010"
Eva-Maria Lass-Kuloglu, seit 1998 in der Erwachsenenbildung tätig, arbeitet mit unterschiedlichsten, oft herausfordernden Zielgruppen, verfügt über umfassende Trainings- und Coachingerfahrungen und hat zahlreiche Konzeptideen entwickelt und umgesetzt. Sie war u.a. Projektleiterin des "Women-Professional" Mentorinnen-Programms zur Qualifizierung und erfolgreichen Arbeitsmarktintegration von Akademikerinnen und Co-Leiterin des Projekts "Girls@Work". Auf die Frage nach den Beweggründen ihrer Einreichung für den Staatspreis 2010, meinte Lass-Kuloglu, dass sie nie auf Auszeichnungen hingearbeitet habe, allerdings sei ihr der Staatspreis bekannt gewesen und sie habe schon immer großen Respekt vor dieser Auszeichnung gehabt. "Allein der Gedanke, dass mein - durchaus kompromissloser - teilnehmerInnenzentrierter Zugang zur Erwachsenenbildung, mein hoher Qualitätsanspruch in der Arbeit mit unterschiedlichsten Zielgruppen von einer Jury geprüft und einer Nominierung als würdig erachtet werden kann, hat mich beflügelt, die Einreichung abzuschicken," so Lass-Kuloglu.

Projekt "FreiRaum" vom Verein TAfIE: Gewinner in der Kategorie "Innovation 2010"
Das trägerübergreifende Projekt FreiRaum, das vom Verein Tiroler Arbeitskreis für Integrative Entwicklung (TAfIE) initiiert wurde, schafft einen Ort, an dem alle Menschen mit Lernbehinderung nach Absolvierung ihrer Schulpflicht weiter lernen und persönlichkeitsbildende Kurse besuchen können, um so beruflich verwertbare Kompetenzen und Wissen zu erwerben und ihre Erfahrungen in heterogenen Gruppen, aber auch mit Menschen mit einer ähnlichen Behinderung auszutauschen. Ihr Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und ihre Selbstbestimmung werden dabei gestärkt, ihr Aktionsradius erweitert. Reinhard Hug, Geschäftsführer des Vereins TAfIE betont, dass Bildungsangebote auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten nach der Pflichtschulzeit nicht aufhören dürfen. Eine der Besonderheiten von FreiRaum ist der ressourcen- und teilnehmerInnenorientierte Ansatz. Zudem werden " betroffene Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv in die Planung, Verwaltung, Durchführung sowie Evaluierung der Seminare bzw. Bildungsangebote eingebunden", so Hug. Aufgrund von Veränderungen in den nationalen Förderrichtlinien kann das Projekt FreiRaum seit 1.1.2010 nicht mehr aus Bundesmitteln gefördert werden. Die Kursangebote werden gegenwärtig ausschließlich über Spenden finanziert.

Projekt "Dynamo" der Wiener Volkshochschulen/VHS Ottakring, des Vereins Projekt Integrationshaus und der VHS Rudolfsheim: Gewinner in der Kategorie "Themenschwerpunkt 2010: Integration durch Bildung"
Dynamo - Netzwerk zur Vermittlung von Basisqualifikationen & Bildungsabschlüssen für Jugendliche sowie zur Integration in Bildungssystem und Arbeitsmarkt wurde 2007 gegründet. Mithilfe einer breiten Palette von kontextsensitiven Maßnahmen für den Spracherwerb, den Erwerb von Bildungsabschlüssen und die Heranführung an den Arbeitsmarkt werden die TeilnehmerInnen "gebildet" und "befähigt", um ihre berufliche und gesellschaftliche Integration zu verbessern und so letztlich den Arbeitsmarkt und das Zusammenleben in Wien positiv zu beeinflussen. John Evers von der Volkshochschule Ottakring meinte zu den Beweggründen der Einreichung: "Angesichts des Themenschwerpunktes 2010 "Integration durch Bildung" erschien uns die Einreichung inhaltlich naheliegend und nicht zuletzt auch als Möglichkeit, unsere Arbeit und die Leistung unserer TeilnehmerInnen einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen."

Franz Kolland: Gewinner in der Kategorie "Wissenschaft 2010"
In der Kategorie Wissenschaft 2010 wurde Prof. Dr. Franz Kolland für seine Publikation "Bildung und aktives Altern - Bewegung im Ruhestand" ausgezeichnet, deren Grundlage zwei vom österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in Auftrag gegebene Studien (2007-2009) bilden. Die Publikation ist das jüngste Beispiel seiner 25 Jahre währenden Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Altern und Bildung. Sie zeigt, wie Bildungsangebote für ältere Menschen in der nachberuflichen Phase aussehen könnten und sollten, welche Faktoren die Bildungsbeteiligung älterer Menschen fördern oder behindern, welch positive Wirkung Bildung auf das Leben und die Lebensqualität im Alter hat und wie sie die Gesundheit und das soziale und politische Engagement beeinflusst. Beweggrund seiner Einreichung für den Österreichischen Staatspreis 2010 war es, den Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit - den Bereich des lebenslangen Lernens im Alter - in der Erwachsenenbildung sichtbar zu machen, was auch gelang: "Mit der Auszeichnung hat auch eine Anerkennung der Altersbildung bzw. Geragogik als Handlungsfeld in der Erwachsenenbildung stattgefunden", so Kolland.

Große und positive Resonanz
Alle PreisträgerInnen gaben vier Monate nach Erhalt des Staatspreises an, auf ausgesprochen positive Resonanz gestoßen zu sein. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Staatspreis landesweit anerkannt ist - also nicht als ‚irgendein Preis von irgendeiner Institution', sondern als offizielle Anerkennung der Republik Österreich gesehen wird", so Lass-Kuloglu. Franz Kolland berichtet über viel positive Resonanz speziell bei jenen Einrichtungen und Personen, die sich mit Fragen der Altersbildung befassen. Auch Reinhard Hug schildert, dass die Zuerkennung des Staatspreises dem Projekt FreiRaum größte Anerkennung eingebracht hat, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass die Kurse gegenwärtig aufgrund von Änderungen in der Förderpolitik über Spendengelder finanziert werden müssen. John Evers vom Netzwerk Dynamo meint zum Echo auf den Erhalt der Auszeichnung: "Die Resonanz war alleine aufgrund der medialen Berichterstattung überwältigend." Er wertet vor allem den höheren Bekanntheitsgrad und den enormen Motivationsschub für die am Projekt beteiligten Institutionen und deren MitarbeiterInnen als positive Nachwirkungen der Auszeichnung.

Staatspreis ermöglicht Vernetzung
Für die PreisträgerInnen ist der Österreichische Staatspreis für Erwachsenenbildung prinzipiell eine Möglichkeit der Vernetzung mit anderen ErwachsenenbildnerInnen und des Wissenstransfers zwischen Projekten und Institutionen. Eva Maria Lass-Kuloglu ist seit November 2010 ehrenamtliche Mentorin im Verein Projekt Integrationshaus, der 2010 für das Kooperationsprojekt Dynamo ausgezeichnet wurde.  John Evers vom Kooperationsprojekt Dynamo betont vor allem die bundesweite Dimension des Preises. Zum Projekt Dynamo habe es einige Reaktionen und Nachfragen aus anderen Bundesländern gegeben. Für Reinhard Hug vom prämierten Projekt FreiRaum ergab sich bislang aus Gründen mangelnder Ressourcen keine Gelegenheit zur Vernetzung.

Einreichen für den Staatspreis für Erwachsenenbildung 2011
Am 29. April beginnt die Einreichfrist für den Staatspreis für Erwachsenenbildung 2011. Die Redaktion hat bei den Prämierten des Vorjahres nachgefragt, was sie jenen, die teilnehmen wollen, mit auf den Weg geben möchten. "Mut zur Einreichung!", war die Antwort von Reinhard Hug. "Allein die Nominierung für einen Staatspreis ist schon eine große Auszeichnung!" so Hug weiter. "Sich für einen Preis zu bewerben, bedeutet eine Reflexion der eigenen Tätigkeit und ist allein deswegen sehr wertvoll", gibt Franz Kolland zu bedenken. Eva Maria Lass-Kuloglu betont, dass es bei dieser Auszeichnung nicht um die Bewertung von Leistungen gehe, sondern um eine Bestätigung und Anerkennung dessen, was der Kern der eigenen Arbeit mit Menschen ist. "Jede und jeder, der oder die in der Erwachsenenbildung tätig ist, darf per se stolz auf ihre oder seine Arbeit sein und soll die Einreichung mit großem Genuss und voller Vorfreude abschicken", so Lass-Kuloglu.
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