Politische Bildung in nachdemokratischen Zeiten

30.11.2010, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
MAGAZIN erwachsenenbildung.at begibt sich auf eine "postdemokratische" Reise.
In Zeiten der zunehmenden Entdemokratisierung gewinnt die Frage nach der Bedeutung politischer Bildung immer mehr an Brisanz. Die elfte Ausgabe des MAGAZIN erwachsenenbildung.at mit dem Titel "Citizenship Education - Auf der Suche nach dem Politischen in der Postdemokratie" ist heute online erschienen und setzt sich mit dieser Thematik intensiv auseinander. Die AutorInnen sind internationale Bildungs- und PolitikexpertInnen wie Politikwissenschaftler Gary S. Schaal oder die PsychologInnen Pier-Paolo Pasqualoni und Helga M. Treichl. Sie beleuchten den Begriff der Postdemokratie im europäischen Kontext. Das Magazin ist ab sofort kostenlos unter www.erwachsenenbildung.at/magazin downloadbar und auch als Druck-Version zum Selbstkostenpreis von 15,70 € erhältlich.

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Politik negativ besetzt
Die Begriffe "Politik" und "das Politische" sind zusehends - in Hinblick auf  Korruption und Skandale - negativ besetzt und machen eine Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit und ihrer Bedeutung erforderlich. In den 13 Artikeln und drei Rezensionen der elften Ausgabe stellen sich die AutorInnen die Frage, welche Bedeutung und welchen Stellenwert nun "politische Bildung" und "Citizenship Education" für Erwachsenenbildung in Zeiten der Postdemokratie haben.

Der Bogen der Beiträge spannt sich von Diskussionen der Begriffe Postdemokratie, Citizenship Education und Politische Bildung über kritische Analysen der mangelhaften Möglichkeiten zur politischen Partizipation bis hin zu Beschreibungen engagierter BürgerInnenschaft. Rollen, Aufgaben, Ziele und die Identifikation von AkteurInnen stehen ebenfalls im Mittelpunkt. Herausgeber sind Christian Kloyber vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, bifeb), und Stefan Vater vom Verband Österreichischer Volkshochschulen, VÖV.

Ausgehöhlte Demokratie
Um die LeserInnen einzustimmen, steht am Anfang dieser Ausgabe das Zitat von Colin Crouch, Professor für Governance und Public Management an der University of Warwick, aus seinem vielbeachteten Buch "Postdemokratie" (2008): Demokratie setze voraus, "daß sich eine sehr große Zahl von Menschen lebhaft an ernsthaften politischen Debatten und an der Gestaltung der politischen Agenda beteiligt und nicht allein passiv auf die Meinungsumfragen antwortet; daß diese Menschen ein gewisses Maß an politischem Sachverstand mitbringen und sie sich mit den daraus folgenden politischen Ereignissen und Problemen beschäftigten." In der Postdemokratie würden diese Bedingungen nicht mehr erfüllt.

Beiträge
Gary S. Schaal, Politikwissenschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität (Universität der Bundeswehr) in Hamburg, stellt den ambivalenten Hintergrund des Konzepts der "Postdemokratie" vor und beleuchtet es kritisch. Pier-Paolo Pasqualoni und Helga M.Treichl, Universität Innsbruck, zeigen auf spannende Weise, dass auch kritische Organisationen wie das europäische Attac-Netzwerk sich die Prinzipien der Postdemokratie zu eigen machen, um im politischen Diskurs überhaupt gehört zu werden und zu funktionieren. Der Beitrag von Politikwissenschaftlerin Bernadette Konzett, JUBIZ (Jugendbildungszentrum für jugendliche MigrantInnen) der VHS Ottakring, zeigt Widersprüchlichkeiten im humorvollen Kontext: Ihr Beitrag ist in Form einer Predigt gehalten und richtet sich gegen das Predigen in der politischen Bildung und "wider die Bevormundung". Sie fordert anstelle des verbalen Schlagabtausches eine Kultur des Zuhörens im Ring der Diskurse.

Ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Diskussion ist jener von Rubia Salgado, Mitbegründerin und Mitarbeiterin von maiz - Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen in Linz. Sie zeigt, dass wir von Citizenship Education als "Bürgerbildung" reden, und damit in der Migrationsgesellschaft all die MigrantInnen ohne Bürgerstatus völlig ausschließen. Die Autorin fordert daher eine radikaldemokratische Bildung, die "Demokratie als ausnahmslos" erachten sollte. Ein Praxisbeispiel aus der SeniorInnenbildung bringt Anna Wanka, Institut für Soziologie Universität Wien. Das europäische Projekt SEELERNETZ - SeniorInnen in Europa lernen in Netzwerken - macht deutlich, wie Lebenslanges Lernen und die Erschließung politischer Partizipationsmöglichkeiten für SeniorInnen vereint werden können.

Fachmedium, Information und online-Diskussion
MAGAZIN erwachsenenbildung.at ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung und seit 2007 erhältlich. Das Fachmedium wird aus Mitteln des ESF und des bm:ukk gefördert. Alle Einreichungen von AutorInnen werden einem Review der Fachredaktion unterzogen, welche mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Praxis und Medien besetzt ist. Das Magazin erscheint online mit englischen Abstracts und kann seit 2009 parallel auch als gedruckte Publikation und zum Selbstkostenpreis im Online-Buchhandel erworben werden.

Eine Diskussionsmöglichkeit zu den Beiträgen des Magazins bietet der Blog des Lifelong Learning Lab (L³LAB). Die nächste Ausgabe des Magazins im Februar 2011 wird sich der Qualitätsdiskussion im Erwachsenenbildungssektor widmen.
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