60 Jahre Verband Österreichischer Volkshochschulen

01.12.2010, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Generalsekretär Wilhelm Filla im Interview: "Ich wünsche mir eine stärkere Politisierung der Erwachsenenbildung."
Die Gründung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) fand am 8. Dezember 1950 im Klubsaal der Wiener Urania statt. 60 Jahre danach wird dieses Datum am 7. Dezember mit einer Festveranstaltung und einem Symposium - wiederum in der Wiener Urania -  begangen.  Aus diesem Anlass führte www.erwachsenenbildung.at im Oktober d.J. ein Interview mit dem Generalsekretär des VÖV Wilhelm Filla.

Der Verband Österreichischer Volkshochschulen feiert 2010 sein 60-jähriges Bestehen und zählt mit zu den traditionsreichsten Erwachsenenbildungsverbänden in Österreich. Was waren die wesentlichen Ziele zur Gründungszeit und wie haben sich diese im Laufe der Zeit verändert?

Die Entstehung der Volkshochschulen geht in Österreich auf die zweite Hälfte der 1880er Jahre zurück. Die Volkshochschulen sind daher die mit Abstand älteste Erwachsenenbildungseinrichtung in Österreich, die sich noch immer auf einem Expansionskurs befindet. Das ursprüngliche Hauptziel der Volkshochschulen in Wien war, wie dies Ludo Moritz Hartmann formuliert hat, Denken zu lehren. Diese Zielsetzung ist heute noch anschlussfähig und in einer Gesellschaft, die - wie es die gegenwärtige Politik zeigt - mehr und mehr "verzwergt" - auch aktuell. Die ursprüngliche Hauptzielsetzung ist in den letzten Jahrzehnten zugunsten eines sehr breiten Bildungsverständnisses, das berufliche Qualifizierung ebenso mit einschließt wie Grund- und Basisbildung, etwas in den Hintergrund getreten, ohne gänzlich aus dem Blick geraten zu sein.

Der VÖV war in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder treibende Kraft von Entwicklungen auf der Ebene des Erwachsenenbildungssystems - man denke etwa an die Einführung der KEBÖ-Statistik oder die wesentlich vom VÖV ausgehende Initiative zur Einrichtung der österr. Weiterbildungsakademie als Zertifizierungsstelle für ErwachsenenbildnerInnen. Wie sehen Sie heute den Auftrag des VÖV innerhalb der "Branche Erwachsenenbildung"?

Der VÖV als die Dachorganisation der größten Weiterbildungseinrichtung in Österreich, die auch international am meisten verbreitet ist, hat zwei Hauptaufgaben: Erstens, innerhalb der Erwachsenenbildung gemeinsam mit anderen Einrichtungen eine Pionier- und "Motor"funktion in vielerlei Hinsicht wahrzunehmen und zugleich als Interessensvertreter für die Erwachsenenbildung zu wirken und zweitens, österreichische Erwachsenenbildung  in anderen Ländern auf vielfältige Weise zu repräsentieren, wobei das Spektrum von außereuropäischen Ländern wie China und Israel bis zu zahlreichen europäischen Ländern, insbesondere die Nachbarländer, reicht.

Als Generalsekretär des VÖV repräsentieren Sie insgesamt 270 Volkshochschulen in ganz Österreich. Was zeichnet Ihres Erachtens das Angebot der Volkshochschulen derzeit aus?

Wir haben es in Österreich mit Volkshochschulen sehr unterschiedlicher Größe zu tun, die insgesamt im letzten Jahr 47.695 Kurse mit 461.758 Teilnahmen durchgeführt haben. Dazu kommen viele tausende Einzelveranstaltungen mit mehreren hunderttausend Teilnehmer/innen. Seit dem letzten Jahr werden weitere Aktivitätsbereiche statistisch erfasst. Es gab rund 102.000 Beratungsfälle (aufgegliedert in unterschiedliche Kategorien), die Arbeit an 62 national und/oder europäisch finanzierten Projekten und 32 Publikationen unterschiedlicher Art sowie 22.053 Prüfungen oder Teilnahmen an Veranstaltungen zur Prüfungsvorbereitung (Zweiter Bildungsweg). Angesichts dieser Ausmaße ist eine generelle Antwort auf die Frage schwierig.

Eine Stärke ist sicherlich die Breite des Angebots, wobei zunehmend klare Abgrenzungen, etwa zur Esoterik, vorgenommen werden. Eine weitere Stärke ist die Qualitätssicherung, da Volkshochschulen in allen Bundesländern in zunehmendem Maße Qualitätssicherungssysteme in ihre Arbeit integrieren, insbesondere das aus Deutschland übernommene LQW-Verfahren, das unter Lerngesichtspunkten das Beste sein dürfte. Es kann auch von einer hohen Qualität der überwiegenden Mehrheit der an Volkshochschulen als Kursleiterinnen und Kursleiter tätigen Personen ausgegangen werden, denen Jahr für Jahr ein breites Mitarbeiter/innenweiterbildungsprogramm zur Verfügung steht.

Ist absehbar, wie sich die Volkshochschulen in den nächsten Jahren und angesichts der aktuellen Entwicklungen positionieren werden und wenn ja, in welcher Weise?

Auch hier sind generelle Aussagen schwierig. Einige Trends lassen sich deutlich erkennen. Forciert werden die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter/innen, die Professionalisierung der Leitungsfunktionen, wobei Professionalisierung nicht unbedingt mit Hauptberuflichkeit ident sein muss, wie es das Beispiel der Vorarlberger Volkshochschulen, aber auch anderer, zeigt. Ein weiterer Trend ist die Forcierung der Qualitätsentwicklung in Verbindung mit der Betonung von Stärken und dem Versuch, Schwächen abzubauen. Inhaltlich werden der Sprachenbereich - die Volkshochschulen sind die mit Abstand größte Sprachen"schule" in Österreich - und "Gesundheit und Bewegung" weiter forciert werden. Mehr und mehr forciert wird Grund- und Basisbildung und die Überwindung des Images als "Nur-Allgmeinbildende" zugunsten einer Entwicklung zu einer Allgemein- und berufsbildenden Einrichtung. Wie die Positionierung im Nationalen Qualifikationsrahmen im Einzelnen erfolgen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, zu einer Veränderung im Richtung einer Lernergebnisorientierung wird es kommen.

Wenn Sie sich für die zukünftige Entwicklung der Erwachsenenbildung in Österreich etwas wünschen dürften: Was wäre das?

Da ich in absehbarer Zeit ausscheide, sind meine Wünsche ziemlich irrelevant. Persönlich und als Bürger dieses Landes wünsche ich mir eine stärkere Politisierung der Erwachsenenbildung, die sich auch klar gegen die immer unerträglicher werdende Provinzialisierung des Landes positioniert, die in einem völlig irrationalen Föderalismus gipfelt, der bereits auf wachsende und lagerübergreifende Gegnerschaft trifft. Deswegen agieren auch seine Verfechter/innen zunehmend mit dreister Arroganz, wie dies der Streit um Schulkompetenzen deutlich vor Augen führt. Da ich gegen die Monarchie bin, bin ich auch gegen Landesfürsten.

Univ.-Doz. Dr. Wilhelm Filla studierte Soziologie an der Universität Wien, war ab 1974 Direktor der VHS  Hietzing und ist seit 1984 Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) und Redakteur der Fachzeitschrift "Die Österreichische Volkshochschule - Magazin für Erwachsenenbildung".

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Hintergrund: 60 Jahre VÖV
Die Gründung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen fand am 8. Dezember 1950 im Klubsaal der Wiener Urania statt. Damals gab es nach Schätzungen rund zwei Dutzend Volkshochschulen und noch lange nicht in alten Bundesländern Landesverbände. Erster Präsident war der spätere Universitätsprofessor für Pädagogik Josef Lehrl. Mit der Geschäftsführung, aus der sich die Funktion des Generalsekretärs entwickelte, wurde Wolfgang Speiser, zugleich Zentralsekretär des Verbandes Wiener Volksbildung und - bis 1961 - Direktor der Wiener Urania betraut. Bereits damals wurde die bis heute erscheinende Zeitschrift ,,Die Österreichische Volkshochschule" gegründet.

Für 1951 wurden als Ausgaben 24.500 Schilling vorgesehen. Derzeit beträgt das Budgetvolumen des VÖV rund 2,8 Millionen Euro, wovon mehr als die Hälfte an die Landesverbände geht. Mit dem Jahr 2009 wurde die Hauptfinanzierung des VÖV von jährlich auszuhandeInden Subventionen auf mehrjährige Leistungsvereinbarungen umgestellt.

1950/51 wurden an den Volkshochschulen 3.916 Kurse mit 91.434 Teilnahmen durchgeführt. 2009 waren es 47.595 Kurse mit 461.758 Teilnahmen. Dazu kommen zahlreiche Einzelveranstaltungen, eine breite Projekttätigkeit, zahlreiche Publikationen, rund 102.000 Beratungen und ei ne große Zahl sehr unterschiedlicher Prüfungen.

Der VÖV ist seit seiner Gründung als Verein organisiert, dessen zentrale Funktionsträger/innen ein hohes Maß an Kontinuität aufweisen. Seit der Gründung gibt es 7 Präsident/innen (und einen Vorstandsvorsitzenden), 5 Finanzreferenten, 5 Pädagogische Referent/innen und 3 Generalsekretäre. Strukturiert ist der VÖV in mehrere Organe und Ausschüsse und das Generalsekretariat, dem seit 1998 das Büro Medienpreise und seit 1990 die Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle eingegliedert sind.

(Quelle: Einladung für die Festveranstaltung und das Symposium zu "60 Jahre Verband Österreichischer Volkshochschulen - VÖV, 7. Dezember 2010")