Die dunkle Seite des lebenslangen Lernens

16.10.2009, Text: Christina Pernsteiner, Online-Redaktion
Unter dem Titel "The dark side of LLL" setzten sich ErwachsenenbildnerInnen am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung kritisch mit lebenslangem Lernen auseinander.
Verlust des emanzipatorischen Potenzials?
Im Rahmen des Dialog Lebenslanges Lernen luden Daniela Holzer, Universität Graz und Christian Kloyber, Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) BildungsexpertInnen ein, um gemeinsam die dunkle Seite des Lebenslangen Lernens zu diskutieren. Im Mittelpunkt standen dabei die kritische Reflexion und Distanz, für die der Alltag von ErwachsenenbildnerInnen selten Gelegenheit bietet.

Gemeinsam mit den ReferentInnen Erich Ribolits, Marianne Gronemeyer und Agnieszka Dzierzbicka hinterfragten die Teilnehmenden das Programm Lebenslanges Lernen in Bezug auf die dahinterliegenden Menschen- und Gesellschaftsbilder und Interessen. Gemeinsam wurde auch überprüft, ob Bildung in dieser Betrachtungsweise ihr emanzipatorisches und kritischen Potential verloren hat. "Der mutige Titel der Veranstaltung wurde von den Teilnehmenden engagiert aufgenommen, ein offener und teilhabender Dialog war der Erfolg", fasst Christian Kloyber zusammen.

Lebenslanges Lernen hilft - leider? - nicht!

So setzte sich Erich Ribolits in seinem Beitrag damit auseinander, ob Lebenslanges Lernen tatsächlich als genereller Problemlöser funktioniert, wie es oftmals propagiert wird. Eine der Ursachen der steigenden Arbeitslosigkeit sei keineswegs der Mangel an adäquat qualifizierten BewerberInnen, sondern vielmehr der technologische Produktivitätsfortschritt und der dadurch gesunkene Bedarf an Arbeitskräften. Ribolits wies darauf hin, dass die Dramatik der wirtschaftlich-ökonomischen Entwicklung durch Parolen wie "Wissen ist Arbeit" nicht erkannt und somit systemüberwindende Lösungen nicht angestrebt werden würden.

 

Erwachsenenbildung im Dilemma

Problematische Entwicklungen in der Erwachsenenbildung zeigte Marinne Gronemeyer unter anderem anhand ihrer Differenzierung in eine hedonistische, karrieristische, adaptive und katastrophendidaktische Variante auf. Am Ende fasste sie ihren Beitrag so zusammen: "Erwachsenenbildung könnte vielleicht - sicher ist es keinesfalls, ob sie in der Lage ist, ihrer Anteilhabe an entmündigender Expertenherrschaft abzuschwören - einen Beitrag dazu leisten, den Menschen Mut zu machen, schrittweise sich wieder zuständig zu fühlen für ihre eigenen Angelegenheiten, ein Stück Daseinsmächtigkeit zurückzugewinnen und sich Schritt um Schritt zu entkoppeln von der totalisierten Abhängigkeit von industriellen Waren und Dienstleistungen. Sie müsste dann ein Ort sein, an dem Menschen miteinander tätig sein können und ihre Angewiesenheit aufeinander als befreiend feiern könnten. Sie müsste ein Ort sein, an dem Menschen sich bilden können in gemeinsamer Anstrengung, statt dass sie glauben, sie müssten gebildet werden. Kurzum Erwachsenenbildung, die ihren Namen verdient, müsste ihren Dienst für die Wiedergewinnung subsistenter Tätigkeiten zur Verfügung stellen und die Menschen daran erinnern, wie viel Kraft, Fähigkeit und Mut in ihnen zum Schweigen gebracht wurde."

 

Der "Dialog Lebenslanges Lernen" geht weiter

Seit 2006 lädt das bifeb) jedes Jahr zum "Dialog Lebenslanges Lernen". Dahinter verbirgt sich eine Veranstaltungsreihe mit jeweils zwei Workshops und einer Tagung, an der sich ErwachsenenbildnerInnen und BildungsakteurInnen sowie VertreterInnen aus der Politik kritisch mit aktuellen Themen auseinandersetzen. Nach  "The dark side of LLL" geht der zweite Workshop am 18. und 20. November 2009 der Frage nach Effektivität der beziehungsweise in der Erwachsenenbildung nach. Im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung am 9. und 10. Dezember stehen dann Chancen und Risiken des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR).

 

Über das bifeb)

Das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung ist eine Einrichtung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur und hat seinen Sitz in Strobl am Wolfgangssee. Zu den Arbeitsschwerpunkten zählen die Förderung von Aus- und Fortbildung sowie die systematische Qualitätsentwicklung und Professionalisierung innerhalb der Erwachsenenbildung.

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