Projekt "Flurnamenerhebung" gewinnt Tiroler Bildungsinnovationspreis 2019

01.08.2019, Text: Tiroler Bildungsforum, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Das Tiroler Bildungsforum hat das regionale Wissen um Flurnamen zusammengetragen und digitalisiert.
Die PreisträgerInnen bei der Verleihung des Tiroler Bildungsinnovationspreises
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Land Tirol, vlnr.:Landesleitung der ChronistInnen Hansjörg Hofer und Oswald Wörle, TBF Geschäftsführung Margarete Ringler, Landesrätin Beate Palfrader, Ehrenobmann des TBF Josef Hechenbichler, Gerhard Rampl Univ. IBK, Bernhard Mertelseder - Chronik- und Archiv, https://www.tirol.gv.at
Wo bitte ist der Lehnstrich? Oberstackler? Die Sauwand? Das konnte einem bisher nur ein Längenfelder, ein Neustifter oder ein Finkenberger sagen, der sich gut vor seiner Haustür auskennt. Im Navi findet man die Tiroler Flurnamen nämlich leider nicht. Jetzt hat das Tiroler Bildungsforum sie gemeinsam mit der Bevölkerung digital erfasst. Dafür erhielt das Bildungsforum den Bildungsinnovationspreis.

 

Flurnamen sind Bezeichnungen für agrarisch genutzte oder ungenutzte Flächen sowie markante topographische Elemente: Hierzu zählen Wiesen, Äcker, Gewässer, Wälder und Weiden, aber auch das Hochgebirge, Rinnen, Steige, Berggipfel uvm. Sie dienen ebenso wie Hofbezeichnungen (Vulgonamen) oder die Benennung von weiteren Elementen der Kulturlandschaft (Marterln, Kleinstbauwerken etc.) als Orientierungshilfe. Sie erleichtern die Kommunikation innerhalb der Bevölkerung und deuten häufig auf die Eigenschaften des Bezeichneten hin. In ihnen spiegeln sich historische und sprachliche Entwicklungen wider.

GemeindebürgerInnen forschen und lernen gemeinsam

Aufgrund der geringen kommunikativen Reichweite von Flurnamen haben die BewohnerInnen diese fast ausschließlich mündlich überliefert. Es gab in den letzten Jahrzehnten regionale Bemühungen zur Erfassung dieses Namenbestandes, eine systematische Dokumentation der Flurnamen hat in Tirol aber erst das Tiroler Bildungsforum durch das Projekt "Flurnamenerhebung im Bundesland Tirol" geleistet. Ziel des Projektes war es, dieses immaterielle Kulturgut zu erhalten und dabei die breite Bevölkerung miteinzubeziehen. Die generationenübergreifende Zusammenarbeit von über 500 Ehrenamtlichen, SchülerInnen, lokalen WissensträgerInnen, der breiten Bevölkerung, Gemeinden, der Universität Innsbruck und dem Tiroler Bildungsforum ermöglichte die kartografische Erfassung der Namen. Motiviert durch örtliche ChronistInnen und Vereine beteiligten sich über einen Zeitraum von zehn Jahren zahlreiche GemeindebürgerInnen an der Erhebung der Flurnamen oder daran, die Daten in geographische Informationssysteme einzupflegen.

TeilnehmerInnen konnten ihre digitalen Kompetenzen erweitern

Um die Daten entsprechend zu verarbeiten haben die Ehrenamtlichen in den Gemeinden im Rahmen von regionalen Workshops den Umgang mit digitalen Verortungssystemen gelernt. Das Bildungsforum hat sie außerdem über Fern-Beratung oder eine Beratung vor Ort unterstützt. Für die Mehrheit der Teilnehmenden war dies der erste Kontakt im Umgang mit geografischen Informationssystemen und Tonaufnahmegeräten. Durch die praktische Notwendigkeit Tonaufnahmen anzufertigen, Punkte/Flächen zu verorten - und dies u.a. mit herkömmlichen Geräten wie Smartphones - wurden die Teilnehmenden befähigt im Alltag technische Geräte umfassender einzusetzen. Den TeilnehmerInnen wurden so über das eigentliche, primäre Projektziel hinaus auch digitale Kompetenzen vermittelt. Ein weiterer Gewinn aus dem Projekt war eine Auseinandersetzung breiter Bevölkerungsteile über das gemeinsame Kulturgut.

Bevökerung erfasste im Projekt 120.000 Flurnamen: Sie gelten als Weltkulturerbe

Das erfasste Namensgut umfasst ca. 120.000 Namen. Neben dem Verleih des Bildungsinnovationspreises 2019 gibt es eine weitere Anerkennung für die vielen ehrenamtliche geleisteten Stunden: Die Unesco, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, hat die Tiroler Flurnamen in ihre Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Im Notfall schnell zur richtigen Stelle: Der Wert von Flurnamen

Die große und vielfältige Bedeutung der Flurnamen ist zum Beispiel in folgenden Bereichen deutlich sichtbar: In der Holzwirtschaft, um die Waldstücke zur Nutzung zu beschreiben; bei Notfallplanung und Katastropheneinsätzen ermöglichen sie leichtere Kommunikation mit ortsansässigen Einsatzkräften, verkürzen die Einsatzzeiten und ermöglichen die rasche Bestimmung der Einsatzorte. Über den reinen praktischen Nutzen stellen die Flurnamen auch ein gemeinsames, historisch gewachsenes und in Prozessen ausverhandeltes Namensgut dar.
Sie stellen insofern ein wichtiges Kulturgut dar, da sie auch auf Eigenschaften des Ortes verweisen, sie auf kulturhistorische Ereignisse referieren und ihnen zudem häufig ein bereits vergangener, bis heute konservierter Sprachgebrauch innewohnt. Die Namen sind oft Jahrhunderte alt.

Weitere Informationen:

 

 

Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Verwandte Artikel