Buchvorstellung: Weiterbildungsbeteiligung „bildungsferner Gruppen“

08.08.2018, Text: Ewelina Mania, Redaktion: Karin Kulmer (seit 05/2023: Karin Lamprecht), Redaktion/CONEDU
Neuerscheinung schlägt ein sozialräumliches Modell von Regulativen der (Nicht-) Teilnahme an organisierter Weiterbildung sogenannter „bildungsferner Gruppen“ vor.
Der „Jenga-Turm“ als Metapher: Fehlen bestimmte Bausteine, führt das zur Nichtteilnahme an Weiterbildung.
Foto: CC BY, barnimages, https://www.flickr.com
Weiterbildungsbeteiligung gehört spätestens seit der Wende zum 20. Jahrhundert zum Gegenstand der AdressatInnen-, TeilnehmerInnen- und Zielgruppenforschung in der Erwachsenenbildung. Mehr als 100 Jahre später sehen sich ForscherInnen auch heute noch zahlreichen Herausforderungen und Forschungsbedarfen gegenüber – so z.B. Forderungen nach mehrdimensionalen Modellen der Weiterbildungsbeteiligung und Rufe nach der Intensivierung qualitativer Forschung. Eine Dissertation widmete sich nun der Frage, welchen Beitrag eine sozialraumorientierte Forschungsperspektive zum Verständnis der (Nicht-)Teilnahme an organisierter Weiterbildung sogenannter „bildungsferner Gruppen" leisten kann. Die Publikation ist Ende Juli in der Reihe „Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung" des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) erschienen und steht online kostenlos zum Download zur Verfügung.

 

Sozialräumliches Modell: der „Jenga-Turm" der (Nicht-)Teilnahme

Als Ergebnis der Arbeit wurde ein sozialräumliches Modell von Regulativen der (Nicht-) Teilnahme an organisierter Weiterbildung sogenannter „bildungsferner Gruppen" entwickelt, empirisch begründet und diskutiert. Das Modell umfasst eine Vielzahl von Regulativen der Weiterbildungsbeteiligung – dazu zählen beispielsweise die Angebotsgestaltung oder die Lernstrategien und –vorstellungen des Individuums. Diese Regulative wurden entlang der vier sozialräumlichen Dimensionen - Sozialstruktur, Organisation, Netzwerk und Individuum - zugeordnet. Die vier Dimensionen sind dabei nicht isoliert zu sehen, sondern als vier Seiten eines Gesamtbildes.

 

Die Publikation veranschaulicht das Modell anhand der Metapher des Geschicklichkeitsspiels „Jenga", bei dem es darum geht, Holzblöcke aus einem Stapel herauszuziehen und oben wieder aufzulegen, ohne dass der Turm einstürzt. Die Regulative können im Modell als einzelne Bausteine angesehen werden, die vier Seiten des Turms stehen für die vier Dimensionen. Wird eine bestimmte Kombination von Bausteinen herausgezogen, stürzt der Turm ein – die Person nimmt nicht (mehr) an Weiterbildung teil. Die Bedeutung der einzelnen Bausteine ist dabei nicht statisch, sondern verändert sich im Prozess des Herausziehens weiterer Holzblöcke – so wie auch die Bedeutung der Regulative der Weiterbildungsbeteiligung unter anderem abhängig von Lebensphase, Weiterbildungsart und Lebensumständen variiert.

 

Konsequenzen für die Weiterbildungsforschung und -praxis

Aus der Publikation ergeben sich zahlreiche Konsequenzen für die Weiterbildungsforschung sowie Implikationen für die Weiterbildungspraxis und –politik. So kann das Modell als möglicher Orientierungsrahmen für weitere Analysen genutzt werden. Weiterführende Studien könnten sich beispielsweise gezielt ausgewählten Regulativen widmen oder die Wirkungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen untersuchen. Als Anregungen für die Praxis lassen sich beispielsweise neue lebensweltorientierte und niedrigschwellige Angebotsformate oder die Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen und „Brückenmenschen" festhalten.

 

Methodischer Rahmen

Das Modell wurde auf Basis einer empirischen Untersuchung entwickelt. Im Rahmen der Studie wurden problemzentrierte, sozialraumorientierte Interviews mit 49 Besucherinnen und Besuchern eines sozial benachteiligten Quartiers in Berlin-Mitte durchgeführt und in Anlehnung an die Grounded Theory ausgewertet (vgl. Kap. 3.2). Der Zugang zu den Interviewten erfolgte über sogenannte Ankerpunkte im Quartier, d.h. über bekannte und vertraute Orte wie Kindertagesstätten, Schulen, Vereine, soziale und religiöse Einrichtungen, Stadtteiltreffs, Weiterbildungseinrichtungen und Arbeitgeber.

 

Die empirische Untersuchung war Teil des Projekts „Lernen im Quartier – Bedeutung des Sozialraums für die Erwachsenenbildung" des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibniz Zentrum für lebenslanges Lernen e.V. (DIE).

 

Die Publikation ist kostenlos herunterzuladen und auch als Printausgabe erhältlich.

 

Mania, E. (2018). Weiterbildungsbeteiligung sogenannter „bildungsferner Gruppen" in sozialraumorientierter Forschungsperspektive. Bielefeld: wbv, EUR 34,90 (E-Book kostenlos), ISBN: 978-3-7639-1203-2, https://doi.org/10.3278/14/1139w

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