Basisbildung und Migration: Was bleibt

03.07.2018, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Die jüngsten Migrationsbewegungen haben die Basisbildung in den letzten Jahren stark geprägt. Neue Formate und Themen, aber auch spürbare Konsequenzen politischer Programmatik sind geblieben.
Basisbildung und Migration: Neue Lernformate sind entstanden, formalisierte Angebote etablieren sich
Foto: CC0 Public Domain, https://pixabay.com
Die jüngsten Migrationsbewegungen nach Europa haben (bestimmte Aspekte der) Basisbildung in Österreich stärker in die Öffentlichkeit gerückt. Politische Entscheidungen, wie beispielsweise das Einführen des Integrationsgesetzes, wurden immer wieder kritisch diskutiert und hatten Einfluss auf die Arbeit in der Basisbildung. Aber welche Veränderungen sind geblieben? Neue Formate und Themen, aber auch spürbare Konsequenzen politischer Programmatik und medialer Diskussion.

 

Neue Lernformate entstehen

„Wie in kaum einem anderen Bereich der Erwachsenenbildung setzte in der Basisbildung eine Art Katalysatorwirkung ein", berichtet die Basisbildnerin Julia Schindler. „Es stellte sich heraus, dass klassische Kurse für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) für bildungsunerfahrene Geflüchtete kein geeignetes Format darstellen." Darum mussten BasisbildnerInnen und Anbieterorganisationen ihre eigene Bildungspraxis mit Hinblick auf diese neue Zielgruppe hinterfragen und anpassen, so Schindler.

 

Dies habe auch bewirkt, dass neue Methoden und digitale Lernformate entstanden sind. „Diese Vielzahl an Veränderungen erlaubte so etwas wie einen evolutionären Sprung, was Methodik, Didaktik, Unterrichtswerkzeuge und auch die Arbeitsrealitäten in der Basisbildung betraf," erzählt Schindler.

 

Formalisierte Angebote etablieren sich

Auch politische Veränderungen wurden in der Basisbildung spürbar. Es entstanden viele neue Angebote, die sich speziell an geflüchtete Menschen richten, wie zum Beispiel das Programm „Start Wien Flüchtlinge - Integration ab Tag 1, Alphabetisierung, Basisbildung und Deutschkurs". Das Programm Start Wien verzeichnete allein 2017 über 900 TeilnehmerInnen in 87 Deutschkursen. Dass sich die Präsenz der MigrantInnen in den TeilnehmerInnen-Zahlen äußert, sieht Silvia Göhring (ISOP) durchaus positiv: „Denn das bedeutet ja, dass Integration in adäquate Angebote gelungen ist."

 

Gleichzeitig bedeute die Formalisierung der Angebote auch, dass sich die Basisbildung neu verorten muss. Julia Schindler: „Mit dem allmählichen Etablieren dieser formalisierten Kursformate für Geflüchtete sieht sich die Basisbildung nun wieder an einem Punkt, wo sie sich neu zu positionieren hat – sei es nun in Bezug auf ihre Zielgruppen allgemein oder in Bezug auf Geflüchtete im Besonderen."

 

Die aktuellen Anforderungen haben aber nicht nur zu neuen formalisierten Angeboten für die Zielgruppe geführt, sondern auch Ideen und Formate der Basisbildung in diese neu entstandenen Bereiche eingebracht. „Es lässt sich beobachten, wie viele Ideen der Basisbildung ihren Weg in den klassischen, staatlichen oder verpflichtenden DaZ-Unterricht gefunden haben", so Julia Schindler. Sie gibt aber zu bedenken, dass oft nur „Methodenhülsen" übernommen werden konnten, da sich die Unterrichtsumgebung in klassischen formalisierten DaZ-Kursen von jenen Konzepten in der Basisbildung deutlich unterscheide.

 

Einrichtungen müssen neue Handlungspositionen beziehen

Für die Einrichtungen selbst seien neue Themenfelder entstanden, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Silvia Göhring nennt als Beispiel eine höhere Anschlussorientierung. „Basisbildung wurde zu einem wichtigen Teil des Gesamtintegrationsprozesses und so auch zur wichtigen Voraussetzung, um in Anschlusssysteme – wie z.B. ePSA – kommen zu können".

 

Aber auch konkrete Fragen der Haltung und Handlung haben sich in Bezug auf zielgruppenspezifische Herausforderungen ergeben, wie beispielsweis die Frage nach dem Umgang mit aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten von teilnehmenden AsylwerberInnen. „Mit Wirkungen auf die gesamte Gruppe eines Angebotes", ergänzt Silvia Göhring und spricht von der Diskrepanz zwischen psychischer/existentieller Belastungen und der Pflicht der TeilnehmerInnen, trotzdem konsequent anwesend sein zu sollen. „Einrichtungen müssen sich dazu jeweils ‚Handlungs- und Haltungspositionen' erarbeiten." Dazu brauche es aber auch entsprechende Ressourcen.

 

Politische und mediale Diskussionen zeigen Wirkung

Kaum ein Thema war politisch und medial so präsent wie die Frage nach dem Umgang mit geflüchteten Menschen, die in Österreich Asyl suchen. Diese Diskussionen zeigen auch Wirkung. So sei beispielsweise eine Zunahme an Aufenthaltsunsicherheit bei den asylsuchenden Personen spürbar, berichtet Silvia Göhring. Zunehmend zeigen sich auch Reaktionen im Anschlusssystem: „Betriebe auf der Suche nach Lehrlingen in Mangelberufen nehmen z.B. bereits erteilte Aufnahmeergebnisse wieder zurück, mit dem Argument, man wisse ja nicht, ob die Auszubildenden nicht abgeschoben werden würden, weswegen sich die Ausbildungsinvestition ja gar nicht auszahlen würde", erzählt Göhring und spricht sich für eine rechtliche Verankerung aus, begonnene Ausbildungen unabhängig vom Aufenthaltsstatus beenden zu können.

 

Eine weitere Tendenz sei, dass seitens der Auftraggeber wieder vermehrt andere Zielgruppen in Angeboten der Erwachsenenbildung vertreten sein sollen. Dabei zeige gerade die Präsenz von Flüchtlingen z.B. in ePSA-Angeboten, dass es gelungen sei „ausreichende Wissensbestände zur erfolgreichen Teilnahme zu schaffen", wendet Göhring ein. „Gerade jetzt also müsste man selbstbewusst, auch politisch selbstbewusst, die nächsten Schritte gehen, ausreichende Angebote zur Verfügung stellen, um ein Bildungsangebot für alle Anspruchsgruppen zu haben und keine ‚strategisch geplanten Verdrängungsprozesse' einzuleiten".

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

Verwandte Artikel