Basisbildung in Österreich: Mehr als Deutsch, Lesen und Schreiben lernen

13.04.2018, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Praxisbeispiele zeigen, wie Basisbildung soziale, demokratische, teilhabende und auch (selbst-)kritische Dimensionen des Lernens in den Vordergrund stellt.
Basisbildung hat viele Gesichter.
Grafik: CC0 Public Domain, https://pixabay.com
In den letzten Jahren häufen sich Deutschlernkurse für ZuwanderInnen mit dem Ziel, „Sprachdefizite" auszugleichen, um in der Gesellschaft funktionieren zu können. Dem gegenüber stehen in Österreich Angebote der Basisbildung, die soziale, demokratische, teilhabende und auch (selbst-)kritische Dimensionen des Lernens in den Vordergrund stellen. Die Erstsprache der KursteilnehmerInnen bzw. ihre Mehrsprachigkeit wird dabei nicht als Defizit, sondern als Ressource wahrgenommen. Die Teilnehmenden selbst stehen mit ihren Interessen, ihren Themen und auch ihren Werten im Zentrum der Basisbildungskurse.

 

Heterogene, kleine Gruppen und offene Kursdauer

Christine Weiss und ihre KollegInnen vom steirischen Basisbildungsanbieter ISOP – Innovative Sozialprojekte beschreiben in der Ausgabe 33 des „Magazin erwachsenenbildung.at", wie so ein Basisbildungskurs konkret aussehen kann: Er ist auf 6 TeilnehmerInnen begrenzt und seine Dauer ist offen. Die TeilnehmerInnen haben sehr weit gestreute individuelle Lernziele; ihnen gemeinsam ist nur, dass sie den Kurs dazu nutzen möchten, um etwas für sie Wichtiges zu lernen. Wenn ein/e Teilnehmer/in die anfangs definierten individuellen Lernziele erreicht hat und eventuell zusätzliche, neue Lernthemen bearbeitet wurden, steigt er/sie in Absprache mit der Trainerin/dem Trainer aus dem Kurs aus und der freie Platz kann durch eine/n neue/n Teilnehmer/in nachbesetzt werden.

 

An individuellen Lernzielen orientiert

Die AutorInnen beschreiben den Ablauf eines Kurses folgenderweise: Der Kurs beginnt mit einer gemeinsamen Aktivität, an der sich alle Lernenden beteiligen können und bei der sie alle ihre individuellen Stärken einbringen können. Nach dieser gemeinsamen Einstiegsübung beginnt die Phase des individuellen Lernens. Dazu setzen die KursleiterInnen individuell für die einzelnen TeilnehmerInnen vorbereitete Übungsmaterialien ein. „Manchmal bringen die Kursteilnehmenden auch aktuelle Wünsche, Themen mit, die sie sofort behandeln möchten – z.B. ein bestimmtes Formular ausfüllen". Dann obliegt es der Entscheidung der/des Trainers/in, ob die Umsetzung des neuen Lernvorhabens zu diesem Zeitpunkt möglich ist bzw. was dafür notwendig ist. Wichtig ist bei ISOP, die Kurse an den Bedürfnissen der Lernenden zu orientieren. „Einen starren Lernplan nach theoretisch geplanten Lernschritten in vorgegebener Dauer abzuarbeiten, bedeutet in unseren Augen auf keinen Fall alltagsorientierte Basisbildung", betonen Weiss und ihre KollegInnen.

 

Das Kursangebot wird durch regelmäßige Gespräche mit den TeilnehmerInnen zu ihrem eigenen Lernen und ihrem Lernfortschritt, ihrer Zufriedenheit und zu ihren Lernzielen begleitet. Auch ist für die TeilnehmerInnen zusätzlich zum Kurs eine sozialpädagogische Beratung möglich.

 

Sich mit „dem Anderen" auseinandersetzen

Diese ressourcenaufwändigen Basisbildungskurse stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik, so Weiss und ihre KollegInnen. Könnte man nicht einfach homogene Kursgruppen zusammenstellen und Gruppenunterricht anbieten, in dem alle dasselbe Lernen? Nein, lautet ihre klare Antwort. Denn dadurch würde etwas sehr Wesentliches verhindert werden: Inklusion und soziales Lernen. „Je inhomogener die Gruppe ist, desto größer ist die Notwendigkeit, sich mit ‚dem/der Anderen', ‚dem/der Fremden' auseinanderzusetzen", so die BasisbildnerInnen. In den kleinen Gruppen von maximal 6 Personen könnten sich die Lernenden dieser Auseinandersetzung nicht entziehen. Menschen unterschiedlichster Kulturen, sozialer Schichten, Lebensentwürfe treffen in so einem Basisbildungskurs aufeinander und lernen gemeinsam, so die AutorInnen. Und weiter: „Gibt es ein besseres Setting, um eigene Vorurteile – sich selbst und anderen gegenüber zu hinterfragen?"

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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