Health Literacy: Eine weitere Kompetenz, die man messen könnte?

20.12.2017, Text: Otto Rath, freier Redakteur/CONEDU, Redaktion: Redaktion/CONEDU
„Literacy“ im Gesundheitsbereich benötigt verstärkt Konzepte aus der Erwachsenenbildung. Der erste von zwei Artikeln zum Thema zeigt, dass Health Literacy mehr ist, als "nur" Gesundheitsinformationen zu verstehen.
Gesundheitskompetenz als Befähigung, ein gesundes Leben führen zu können
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Ausgangspunkt Gesundheit

Der Fokus von Health Literacy– „Gesundheitskompetenz" in seiner deutschsprachigen Entsprechung - liegt auf Gesundheit, wie etwa seine Realisierung im Konzept Gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen zeigt. Jürgen M. Pelikan, der dieses Konzept mitentwickelt hat, umreißt auf der Tagung der Fachhochschule Kärnten 2014 Gesundheitskompetenz folgendermaßen: „Gesundheitskompetenz (GK) bzw. im Englischen Health Literacy (HL) taucht als Konzept erstmals 1974 auf und hat seither in den Gesundheitswissenschaften, der Versorgungsforschung, der Public Health und der Gesundheitsförderung [...] eine erstaunliche Karriere. HL ist ein Kind der Literacy-Forschung und bringt daher eine lange Tradition des Messens von Kompetenz in die Gesundheitswissenschaften ein."

 

Schnittstelle Bildung

Der Bildungsaspekt ist zumindest in der deutschsprachigen Begrifflichkeit stärker spürbar: „Im deutschsprachigen Raum wird er [der Begriff Health Literacy] durch Termini wie Gesundheitsalphabetisierung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsmündigkeit oder Gesundheitskompetenz ersetzt", schreiben Holger Penz, Hannes Martinz, Regina Klein und Karl Krajic. Die primäre Konzentration gilt dabei dem Umgang mit Information: Wie kann einerseits sichergestellt werden, dass Personen in die Lage kommen, Gesundheitsinformationen zu verstehen und wie kann man andererseits dafür sorgen, dass VertreterInnen des Gesundheitssystems Informationen auf eine verständliche Weise kommunizieren?

 

Gesundheitskompetenz von Health Professionals

Health Professionals können zur Health Literacy nicht nur beitragen, indem sie verständlich kommunizieren, sondern auch durch eine Verbesserung ihrer literalen Kompetenzen: Das Frauengesundheitszentrum Graz stellt fest, dass „Health Professionals oft selbst nicht über den Nutzen von Früherkennung Bescheid wissen und zur Missinformation der Bevölkerung beitragen" und Nicole Jakob und Martin Sprenger leiten aus ihrer Erhebung des Zahlenverständnisses sowie der Risk Literacy von Health Professionals in Österreich Handlungsbedarf bei der Aus- und Weiterbildung von Health Professionals ab.

 

Chancengleichheit und Selbstbestimmung in Fragen der Gesundheit

Die Österreichische Plattform für Gesundheitskompetenz fokussiert zwar auch stark auf den Informationsaspekt, geht jedoch bereits darüber hinaus: „Gesundheitskompetenz (Health Literacy) ist ein wichtiger Eckpunkt der Gesundheit und der gesundheitlichen Chancengleichheit aller in Österreich lebenden Menschen. Sie soll die Bevölkerung dabei unterstützen, im Alltag selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit fördern." Die verwendeten Begriffe „Chancengleichheit" und „selbstbestimmt" sind an die Erwachsenenbildung gut anschlussfähig.

 

Capacity Building

Über die skizzierten kompetenzorientierten Zugänge zu Health Literacy führt der Capability Approach hinaus. Capacity Building wurde von Amartya Sen und Martha C. Nussbaum seit den 1980er Jahren entwickelt. Eine gerechte Gesellschaft ist demnach daran erkennbar, inwiefern sie Personen die Entwicklung von Befähigungen nicht nur durch deren individuelle Förderung ermöglicht, sondern auch, indem sie Rahmenbedingungen schafft, die die Entwicklung von Befähigungen – u. a. auch der Befähigung, ein gesundes Leben führen zu können – befördern.

 

Datenlage

Der erste europäische Health Literacy Survey (HLS-EU) wurde im Sommer 2011 in 8 europäischen Ländern durchgeführt. Die Studie ergab, dass die befragten Österreicherinnen und Österreicher ihre Gesundheitskompetenzen deutlich schlechter einschätzen als die befragten Personen in anderen Ländern. Eine Korrelation von Gesundheitskompetenzen und Bildung wurde darin festgestellt: „Menschen, die sozial schlechter gestellt sind, über geringere Bildung verfügen sowie ältere und chronisch Kranke können in besonders hohem Ausmaß von unterstürzenden Rahmenbedingungen profitieren, so das Ergebnis der Studie".

 

Weitere Erhebungen werden folgen. Peter Nowak von der Gesundheit Österreich GmbH gibt dazu Auskunft: „Eine neue Bevölkerungsbefragung ist im Rahmen der österreichischen Gesundheitsreform „Zielsteuerung Gesundheit" geplant. 2018 wird unter der Schirmherrschaft der WHO-Europa eine international abgestimmte Erhebung vorbereitet, die 2019 durchgeführt werden soll und Anfang 2020 die Ergebnisse vorlegen wird."

 

Praxis

Die hier skizzierten Zugänge zum Thema Health Literacy haben in verschiedenen Formen Eingang in die Praxis der österreichischen Erwachsenenbildung gefunden. Ein weiterer Nachrichtenbeitrag (ab 21.12.2017 auf erwachsenenbildung.at verfügbar) zeigt Praxisbeispiele und identifiziert vulnerable Gruppen, die mit Health Literacy Angeboten schwer zu erreichen sind.

Weitere Informationen:

 

Literatur:

  • Jürgen M. Pelikan (2014): „Gesundheitskompetenz in der Gesundheitsgesellschaft – eine Herausforderung für Gesundheitswissenschaften, Gesundheitsförderung und die Soziologie" In: Holger Penz, Hannes Martinz, Regina Klein, Karl Krajic: Tagungsband Health Literacy als Basiskompetenz (in) der Gesundheitsgesellschaft. Fachhochschule Kärnten 2014, S. 31-36.
  • Nicole Jakob und Martin Sprenger (2014): Erhebung des Zahlenverständnisses sowie der Risk Literacy von Health Professionals in Österreich. In: Holger Penz, Hannes Martinz, Regina Klein, Karl Krajic: Tagungsband Health Literacy als Basiskompetenz (in) der Gesundheitsgesellschaft. Fachhochschule Kärnten 2014, S. 153-156.
  • Michael Tetzer (2014): Befähigt sein, ein gutes Leben führen zu können. In: Holger Penz, Hannes Martinz, Regina Klein, Karl Krajic: Tagungsband Health Literacy als Basiskompetenz (in) der Gesundheitsgesellschaft. Fachhochschule Kärnten 2014, S. 29-30.
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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