Von der Industrie 4.0 zur Erwachsenenbildung 4.0

03.03.2017, Text: Otto Rath, freier Redakteur/CONEDU, Redaktion: Wilfried Frei, Redaktion/CONEDU
Erwachsenenbildung 4.0 ist ein Motor am Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Dabei spielt Digitalisierung eine erhebliche Rolle. (Serie: Digitale Erwachsenenbildung)
Erwachenenbildung 4.0 heißt auch lernen, eigenverantwortlich zu handeln
Bild: CC0 pixabay.com/pixel2013
Industrie 4.0: Sicherung der Kontinuität

 

Industrie 4.0 bezeichnet die Veränderungen in diesem Sektor infolge der Digitalisierung. Der Begriff wird damit erklärt, dass wir es derzeit mit der vierten Industriellen Revolution zu tun haben - nach den industriellen Revolutionen durch Einführung mechanischer Produktionsanlagen (Ende 18. Jh.), durch Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion (Ende 19. Jh.) und nach der Automatisierung durch IT und Elektronik (70er Jahre des 20. Jahrhunderts). 

 

Eine Reaktion des Bildungssystems darauf könnte eine Anpassung der Bildungsstrategien und -inhalte an die neuen Herausforderungen der Cyber-Physical-Systems sein.

 

Informatisches Denken für Industrie 4.0

 

So könnte man auf "informatisches Denken" setzen, wie Gerald Futschek in der Zeitschrift der österreichischen Computergesellschaft empfiehlt, und die Bildung 4.0 damit an den Erfordernissen der Industrie 4.0 ausrichten. Die Arbeitskräfte sind in diesem Verständnis mit Qualifikationen auszustatten, die nicht mitgebracht werden, etwa die digitalen Kompetenzen der Digital Migrants. Ein weites Feld für die Erwachsenenbildung wäre so eröffnet. 

 

Wolf Lotter, Mitbegründer und Redakteur von brand1 meint, dass Industrie 4.0 als Folge der Digitalisierung auch so verstanden wird, dass sich Arbeitsabläufe, Hierarchien, etc. verändern, dass aber die Grundfesten der Industriegesellschaft nicht angetastet werden.

 

Arbeit 4.0 angesichts des Übergangs zur Wissensgesellschaft

 

Das Sichern von Kontinuität in bestehenden Branchen und Werthaltungen durch das "Marketingkonzept Industrie 4.0" (Anja C. Wagner und Wolf Lotter) verdeckt allerdings den Blick auf den Paradigmenwechsel von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft. 

 

"Wir erleben in den nächsten 10 bis 20 Jahren den definitiven Übergang." sagt Wolf Lotter und nennt einen vergleichbaren Zeithorizont wie beispielsweise Anja C. Wagner in ihrem Vortrag "Herausforderungen für Bildung 4.0". Diese Evolution/Revolution führt nicht nur zu einer Veränderung im industriellen Kontext und damit einhergehend zu einem massiven Verlust an Arbeitsplätzen, sondern zu einer fundamentalen Neuausrichtung von Arbeit und Bildung. 

 

47% der Arbeitsplätze in den USA sind durch die Automatisierung gefährdet, prognostizierten Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne in ihrer 2013 erschienenen Studie "The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?". "Dies ist für Deutschland zu optimistisch", hält Wolf Lotter fest. Die volkswirtschaftliche Abteilung der ING-DIBA rechnet gar mit einem Verlust von bis zu 59%

 

Umstrukturierung von Beschäftigung auf allen Ebenen

 

"Der Verlust von Arbeitsplätzen kann in dieser Größenordnung nicht aufgefangen werden", ist sich Lotter sicher, auch wenn durch die Digitalisierung neue Jobs geschaffen werden, und der Bedarf an Fachkräften etwa in den Bereichen Big-Data-Analyse, in der Cyber-Sicherheit und im Cloud Computing offensichtlich ist. 

 

Dieser Verlust betrifft dann nicht nur die Geringqualifizierten, sondern auch Hochqualifizierte. In der Folge ist die Gesellschaft gefordert, den Sozialstaat neu zu denken und alternative Formen der Existenzsicherung zu entwickeln. "In einer Übergangsphase", so Wolf Lotter, "ist ein Grundversorgungsmodell sinnvoll, um die mentale Freiheit für die Menschen zu ermöglichen, sich auf die veränderten Realitäten der Wissensgesellschaft einzustellen." 

 

Das Versprechen der Industriegesellschaft, dass mehr Bildung für mehr Beschäftigungschancen steht, wird brüchig. "Auch höher qualifizierte Personen werden vor bislang unbekannte Probleme gestellt, und sie müssen sich völlig neu orientieren, um die digitale Entwicklung mitgestalten zu können", hält Anja C. Wagner fest.

 

Erwachsenenbildung 4.0: Entwicklung von Eigenverantwortlichkeit

 

Erwachsenenbildung 4.0 könnte über die Anpassung der Kompetenzen an die Anforderungen der Industrie 4.0 und über die Nachrüstung der ArbeitnehmerInnen mit digitalen Kompetenzen hinausdenken und sich von den Herausforderungen der Wissensgesellschaft inspirieren lassen. Es ist kaum bestreitbar, dass digitale Kompetenzen wesentlich für eine Teilhabe an der Gesellschaft der Zukunft sind. 

 

Sie benötigen allerdings einen weiteren und offeneren Horizont als die Optimierung für Industrie 4.0. Zukünftige Konzepte der Arbeit benötigen nicht nur Kompetenzen im Umgang mit dem Internet der Dinge, sondern auch mit Aspekten wie Augmented Reality, Big Data, Virtual Reality, 3D-Printing, künstliche Intelligenz, etc. 

 

Vor allem aber wird, wie es Alice Fleischer (WIFI Österreich, Vorsitzende der Konferenz der Erwachsenenbildung Österrreichs - KEBÖ) formuliert, das Aneignen der Handlungskompetenz in Richtung "Lernen, eigenverantwortlich zu handeln, zu denken und sich selbstständig Wissen anzueignen" ins Zentrum der Bildungskonzepte rücken.

 

Weitere Informationen:

 

Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

 

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