Bildungsberatungs-Radar spürt Barrieren im Bildungssystem auf

18.02.2017, Text: Christine Bärnthaler, Redaktion/CONEDU
Innovatives Modell für Wissenstransfer des Netzwerks Bildungsberatung Oberösterreich wurde kürzlich in Linz präsentiert und diskutiert.
Diskussionen über Perspektiven des Bildungsberatungs-Radars
Foto: Brigitta Schatzl-Huemer
Mit dem Bildungsberatungs-Radar wird Wissen aus systemrelevanten Beratungsfällen von BildungsberaterInnen institutionenübergreifend gebündelt und dokumentiert, gemeinsam mit ForscherInnen analysiert und reflektiert und daraus Hinweise zu notwendigen Veränderungen generiert. Diese Hinweise werden in Form von Handlungsempfehlungen an die jeweils zuständigen AkteurInnen in den Bereichen Politik, Verwaltung, Bildungseinrichtungen, Betriebe oder Beratungseinrichtungen weitergegeben.

 

Laut Bildungswissenschaftlerin Carola Iller, die das oberösterreichische Modell mitentwickelt hat, fehle bislang ein gemeinsames Selbstverständnis der BeraterInnen sowie eine gemeinsame Wissensbasis im Bereich Bildungsberatung: „In der Beratungssituation wird Wissen sowohl angewendet als auch geschaffen. Bislang beschäftigt sich die Forschung vorwiegend mit Beratungsmethoden und -ansätzen und weniger mit deren gesellschaftlichen Kontextbedingungen. Mit dem Bildungsberatungs-Radar wird eine theoretische Verortung ermöglicht, indem neues Wissen über fehlende Angebote, sowie Probleme und Lücken im Bildungssystem generiert werden.“  Diese Ausgangslage war der Startpunkt für das Projekt Bildungsberatungs-Radar.

 

Pilotprojekt im Netzwerk Oberösterreich

 

Das Bildungsberatungs-Radar ist ein Projekt des Netzwerks Bildungsberatung Oberösterreich, das aus sieben Erwachsenenbildungs- und Beratungseinrichtungen besteht. Im Rahmen des vom ESF geförderten Pilotprojektes gehen die ProjektpartnerInnen gemeinsam mit ForschungspartnerInnen derzeit der Frage nach, wie man Bildungsbarrieren aufdecken und gleichzeitig das Wissen anderen BeraterInnen sowie der Bevölkerung ohne großen Aufwand zur Verfügung stellen könne. Das gemeinsam entwickelte und bereits erprobte Modell wurde im Rahmen einer Veranstaltung Anfang des Monats in der Arbeiterkammer Linz praxisorientiert präsentiert und diskutiert.

 

Bildungsberatung schafft gesellschaftlichen Nutzen zusätzlich zum individuellen

 

Bernd Käpplinger, Weiterbildungswissenschaftler an der Universität Gießen, ortet in seiner Analyse des oberösterreichischen Modells wichtige Innovationsimpulse für das Beratungssystem und sieht darin einen konkreten Kommunikationsrahmen für systemische Verbesserung. Er bezeichnet das Bildungsberatungs-Radar als „gelebtes Wissensmanagement“ und eine zusätzliche Legitimation von Bildungsberatung.

 

Durch das Instrument könne deutlich gemacht werden, so Käpplinger weiter, dass Bildungsberatung zusätzlichen gesellschaftlichen Nutzen schafft. Es unterstützte die Orientierung an sozialer Gerechtigkeit als konstitutiven Bestandteil eines geteilten professionellen Selbstverständnisses.

 

Beitrag zu einem lernenden Bildungssystem

 

Ratsuchende stoßen immer wieder auf Regelungen und Grenzen im Bildungs- und Fördersystem, die Lebenslanges Lernen behindern. Dabei erleben BeraterInnen oftmals eine gewisse „Ohnmacht“ gegenüber den Förder- und Angebotsstrukturen. Dies war der Anlass, um ein Modell zu entwickeln, das das in der Beratung generierte Wissen zur Verbesserung des Weiterbildungssystems und seiner Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt.

 

Gerhard Hofer, Mitarbeiter der AK Oberösterreich, Bildungsberater und Leiter des Netzwerks Bildungsberatung OÖ dazu: „Das aus der Bildungsberatung generierte Wissen über Bildungsbarrieren ist eine derzeit noch viel zu wenig genutzte Ressource zur Feststellung von Schwächen und Reformbedarfen des Bildungssystems. Das Instrument Bildungsberatungs-Radar könnte diese Lücke schließen und einen wertvollen Beitrag zu einem lernenden Bildungssystem liefern“.

 

Praktisch nebenbei entstünden im Prozess der Mitwirkung im Projekt gemeinsames Lernen und praxisnahe Lernunterlagen, erzählt Hofer weiter. Die BeraterInnen profitieren unabhängig davon, ob sie Beiträge aktiv einbringen oder nicht.

 

Thematisch reicht das Spektrum der Beratungsfälle im Projekt von der Problematisierung starrer räumlicher und altersbezogener Fördergrenzen bis zu hinderlichen Voraussetzungsketten für die Inanspruchnahme von Bildungsangeboten.

 

Weiterführung des Modells kann neue Perspektiven für die Bildungsberatung in Österreich schaffen

 

Im Zuge eines vertiefenden Workshops wurde über Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten eines bundesweiten Projektes Bildungsberatungs-Radar nachgedacht. Dabei wurde festgestellt, dass ein solches Wissenstransfer-Modell sehr vom gegenseitigen Vertrauen der Beteiligten im Prozess lebt. Die Beteiligten waren sich einig, dass es wichtig wäre, mit den Ergebnissen aus dem Pilotprojekt Ende 2017 das oberösterreichische Modell zu festigen und weiterzuentwickeln und in weiterer Folge eine österreichweite Umsetzung zu diskutieren.

 

In der Entwicklungs- und Erprobungsphase des Bildungsberatungs-Radars stehen vor allem Rückmeldungen an das Bildungs- und Fördersystem zu Barrieren der Bildungsteilnahme im Vordergrund. Grundsätzlich können mit dem Verfahren des Bildungsberatungs-Radars aber auch andere systemrelevante Rückmeldungen generiert und an die handelnden AkteurInnen weitergegeben werden, wie z.B. über Veränderungen von Nachfragetrends, Verschiebungen in den Teilnehmendengruppen etc. Die Auswertung des Pilotprojektes lässt auf weitere innovative Impulse für die - und von der - Bildungsberatung in Österreich hoffen.

Weiterführende Informationen:

  

Erstellung des Artikels gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und des Europäischen Sozialfonds.

 

CC BY CONEDU, auf erwachsenenbildung.at 2017

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