Empowering people: ein europaweiter Kooperationsaufruf

18.12.2016, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Anfang Dezember lud die Europäische Kommission zu einer großen Erwachsenenbildungs-Konferenz nach Brüssel. Die Konferenz entpuppte sich als lautstarker Kooperationsaufruf.
Die VertreterInnen aus Österreich beim Austausch zu "Upskilling pathways"
CC BY-ND 2.0 flickr.com/DG EMPL
Worauf wir uns verlassen können: drei „no-regret“-Ansätze

 

Im Keynote-Vortrag am 6. Dezember 2016 beleuchtete Deborah Roseveare – in der OECD verantwortlich für die Abteilung “Skills Beyond Schools” – die Bedeutung von Kompetenzen für ein besseres Leben und Arbeiten. In einer Zeit hochgradiger Unsicherheit gibt es widersprüchliche Prognosen zur Auswirkung der Digitalisierung, fachspezifische Anforderungen verändern sich ständig, und weitere arbeitsbestimmende Faktoren entwickeln sich ungewiss.

 

Dennoch gebe es drei Handlungsmaximen, welche die Bildungspolitik nie zu bedauern haben würde, so die OECD-Expertin. Als solche „no regret-Ansätze“ empfahl sie zum einen, Wege der einfachen und raschen Weiterbildung zu etablieren, um auf veränderte Anforderungen flexibel reagieren zu können. Ihre zweite Empfehlung lautete, die Grundfertigkeiten oder generischen Kompetenzen in der Bevölkerung zu stärken. Damit sind nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen gemeint, sondern auch analytisches und kritisches Denken und Problemlösen. Als dritter Ansatz sei es jedenfalls wichtig, sozio-emotionale Kompetenzen aufzubauen und uns damit auf Resilienz und bessere Kooperation vorzubereiten. Die nötigen Fertigkeiten zum Leben und zum Arbeiten seien im Übrigen die gleichen.

 

Qualität am Beispiel Österreichs 

 

Der erste Konferenztag war thematisch rund um die Prioritäten der „European Agenda for Adult Learning“ organisiert. Die Workshops befassten sich daher mit Governance, Flexibilität und Zugänglichkeit von Weiterbildungsangeboten, die Nutzung derselben sowie deren Qualität.

Ist Qualität in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung nur ein Modewort - oder kann sie sogar die Effizienz der öffentlichen und privaten Ausgaben im Bildungsbereich erhöhen? So formulierte die Kommission ihre Impulsfragen für einen Workshop mit dem Titel „Zahlt sich Qualität aus?“, der von Johanna Weismann aus Österreich bestritten wurde. 

Die Leiterin der Geschäftsstelle Ö-Cert stellte darin den Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung in Österreich vor. Mit Ö-Cert setzt Österreich seit 2011 erstmals gemeinsame Qualitätsstandards für Erwachsenenbildungsorganisationen. Damit wird einerseits der Zugang zur Individualförderung für Lernenden und Anbieter vereinfacht, andererseits tragen die Ö-Cert-Standards zur weiteren Professionalisierung der Erwachsenenbildung bei. Weismann zeigte Kriterien für die erfolgreiche Implementierung von Ö-Cert  - z. B. einen partizipativen und evidenzbasierten Entwicklungsprozess - und den Nutzen für die Erwachsenenbildung in Österreich auf. Der Qualitätsrahmen Ö-Cert ist vom Ansatz her in Europa beispielhaft und bot Anlass für zahlreiche interessierte Rückfragen.

 

Die Grenzen rationaler Politikgestaltung

 

Interessante Debatten fanden auch im Workshop zur „Evidenzbasierten Politikgestaltung“ statt. Große quantitative Studien sind ja zunehmend gefragt, obgleich sie mehr Problemillustrationen als Lösungsansätze liefern. Es gibt sie mit PIAAC und AES nun seit Jahren, und ihre Ergebnisse fallen über die Jahre hinweg irritierend ähnlich aus, beklagten die ForscherInnen am Podium. Auch das klassische Monitoring von laufenden Maßnahmen sei nicht ausreichend, wenn Forschung einen praktischen Nutzen haben will, meinte Paolo Federighi von der Universität Florenz. Dagegen sei es immer wichtiger, dass Vorhersagen in evidenzbasierte Studien mit einfließen. 

 

Für PolitikerInnen ist die Fülle der verfügbaren Informationen nicht mehr zu rezipieren, und das stellt ForscherInnen vor große Anforderungen in der Wissenschaftskommunikation. Serviceleistungen wie Policy Briefs, Newsletter, Veranstaltungen zu Forschungsergebnissen etc. sind die Folge. Dennoch ist der Einfluss von Evidenzen auf die Politik ein bescheidener, und die Hoffnungen auf rein rationale Politikentscheidungen erfüllen sich nicht. Vielmehr sei eine neue „Kultur der Bauchentscheidungen“ zu beobachten, berichtete der italienische Bildungswissenschafter Federighi. 

 

Upskilling pathways: individuelle Weiterbildungswege garantieren

 

Am zweiten Tag erfolgte eine vertiefte Arbeit zur Ratsempfehlung "Upskilling Pathways", ursprünglich angekündigt als „Kompetenzgarantie“. Diese Empfehlung wurde, wie die MitarbeiterInnen der Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration berichteten, in einem für die Brüsseler Entscheidungswege „rekordverdächtigen Tempo“ von fünf Monaten politisch akkordiert.

 

Mit den "Upskilling Pathways" wird der Rat der Europäischen Union den Mitgliedsstaaten garantierte Weiterbildungswege für geringer qualifizierte Personen in einem Dreierschritt empfehlen.

 

Jenen Personen soll zunächst eine Feststellung ihrer Lernbedürfnisse und anschließend ein maßgeschneidertes Training angeboten werden, gefolgt von geeigneten Validierungsverfahren. Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Empfehlung sind enge Kooperation beteiligter Einrichtungen, gute Beratungsservices und die gezielte Nutzung bestehender Förderungen. Ein eigenes Budget gibt es nämlich nicht dafür. 

 

Ländergruppen bereitete die neue Strategie vor

 

Am letzten Halbtag der Konferenz wurden länderspezifische Gruppen gebildet, die in vielen Mitgliedsstaaten einen Umfang von 5-7 Personen hatten. 

Aus Österreich kamen VertreterInnen des Bildungsministeriums mit ForscherInnen und BildungmangerInnen in einer insgesamt achtköpfigen Gruppe zusammen und skizzierten eine Bestandsaufnahme und erste Weiterarbeitsperspektiven zu den „Upskilling pathways.“ 

 

Dabei wurde deutlich, dass viele Elemente der Empfehlung in Österreich bereits auf den Weg gebracht wurden und einige noch zu implementieren sind. Beim Treffen der nationalen KoordinatorInnen für die Erwachsenenbildung, die von der Kommission koordiniert werden, soll diese Skizze weiter entwickelt werden. 

 

Die "Upskilling Pathways" werden voraussichtlich noch heuer vom Rat endgültig verabschiedet. Danach liegt es an den Mitgliedsstaaten, ihre national bevorzugten Zielgruppen für die Umsetzung zu deklarieren. In einigen Staaten werden das sicher MigrantInnen sein, betonten auch VertreterInnen der Kommission.

 

Hochrangige Gäste aus allen Ländern

 

Die „Adult Skills Conference” wurde von knapp 300 angemeldeten TeilnehmerInnen besucht, darunter namhafte VertreterInnen der Politik, Forschung und Bildungspraxis aus allen Ländern. Lediglich VertreterInnen aus den Finanzministerien wurden vermisst, so die Kritik eines Diskussionsteilnehmers.

 

Nachdem Kommissarin Marianne Thyssen eingangs das Thema abgesteckt hatte, kamen in den darauffolgenden Plenardiskussionen auch Personen zu Wort, die aus Eigenerfahrung von den positiven Auswirkungen des Lernens im Erwachsenenalter berichteten und wichtige Hinweise für die Bildungspolitik beitrugen – getreu dem Motto „Nothing about us without us“. Generell waren Vorträge und Diskussionen von dem Anspruch geprägt, auf Augenhöhe zu kooperieren und sich von der Defizitperspektive (auch begrifflich) zu verabschieden.

 

Beschlossen wurde die Tagung schließlich mit einem Beitrag ihrer königlichen Hoheit Prinzessin Laurentien. Die Prinzessin der Niederlande ist dafür bekannt, sich seit 2001 aktiv für die vollständige Literalisierung der erwachsenen Bevölkerung in den Niederlanden einzusetzen. 

 

Die Eckdaten

 

Die Konferenz mit dem Titel „Adult Skills - Empowering people“ fand von 6.-7. Dezember in Brüssel statt und war Teil der ersten Europäischen „Vocational Skills Week”. Diese dauerte eine ganze Woche und umfasste nicht nur Veranstaltungen in Brüssel, sondern knapp 900 registrierte Einzelaktivitäten in den Mitgliedsstaaten, EFTA-Staaten und Kandidatenländern. Digitalisierung war nicht nur Inhalt sondern auch Gestaltungelement der Konferenz, die mit einer eigenen App unterstützt und außerdem per Livestream übertragen wurde.

Weitere Informationen:

 

 

Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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