Online-Beratung fasst Fuss in der Erwachsenenbildung

29.11.2016, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Seit jeher ist die professionelle Beratung bemüht, KundInnen dort abzuholen, wo sie sind. Mittlerweile sind sie oft online, wo die Beratung sie auch abholt.
Beratungseinrichtungen setzen immer mehr auf Online-Angebote
Bild: CC0 pixabay.com/Peggy_Marco
2015 gab es in 85% der österreichischen Haushalte einen Internetzugang. Und die Hälfte der BesitzerInnen eines Smartphones waren schon 2013 durchgehend online. „Online“ ist ein Ort an dem sich viele tummeln – auch die (potenziellen) BeratungskundInnen. Das berücksichtigen auch Beratungseinrichtungen immer stärker mit einem wachsenden Online-Angebot.

 

Die vielen Gesichter der Online-Beratung

 

Vorformen der Online-Beratung wie „Distance counsellig“ am Telefon gibt es ja schon lange. Dazu kommt die textbasierte Online-Beratung im E-mail-Verkehr oder Chat, die nun schon einige Jahre alt ist und sich entsprechend professionalisiert. Plattformen wie beranet bieten dafür sichere Lösungen, und Lehrgänge für Bildungs- und Berufsberatung machen seit Jahren die spezifischen Anforderungen zum Thema. 

 

In den letzten Jahren etabliert sich auch die videogestützte Beratung, die zum Beispiel mittels Skype in der Bildungsberatung in Wien eingesetzt wird. 

Online-Beratung hat also viele Gesichter – sie arbeitet mit Sprache, Schrift oder Bild. Sie findet zeitverzögert oder synchron statt. Damit sind unterschiedliche Grade an Anonymität und Sichtbarkeit – vielleicht auch Authentizität – verbunden.

 

Unabhängig von Zeit und Ort – abhängig von der Technik

 

Einen großen Vorteil haben alle Formen der Online-Beratung gemeinsam: nämlich die örtliche und zeitliche Flexibilität. Man ist nicht mehr von einer Beratungsstelle mit den richtigen Öffnungszeiten in der Nähe abhängig. Das kann am Land wichtig sein oder bei Auslandsaufenthalten, Krankenständen, Betreuungspflichten etc.

 

Aber auch der gemeinsame Nachteil liegt auf der Hand: die Abhängigkeit von der funktionierenden Technologie. 

 

Wie „unecht“ oder „hochschwellig“ ist Online-Kontakt?

 

SkeptikerInnen haben das Argument oft schnell bei der Hand: Online sei kein „echter“ Kontakt möglich. Ob das zutrifft, ist Gegenstand von Literatur und Alltagserfahrung. Wer gerne per Skype mit FreundInnen videotelefoniert, zweifelt aus Erfahrung vielleicht an dieser Kritik. 

 

BeraterInnen berichten bei der textbasierten Online-Beratung manchmal von einer größeren Offenheit seitens der BeratungskundInnen, weil diese den Kontakt stärker steuern können und sich daher sicherer fühlen. Wer gerne anonym bleibt, kann das online leichter tun. Und das Skypen oder Mailen in den eigenen vier Wänden entspannt. Bei den E-mail-Formen gibt es Zeit zum Nachdenken zwischen Fragen und Antworten. In Summe klingt das alles sehr niederschwellig. 

 

Feinfühligkeit und Beziehungspflege 

 

BeratungskundInnen ebenso wie BeraterInnen berichten von den hohen sozialen Kompetenzen, die jede Online-Beratung verlangt. Besonders bei Skype ohne Video bekommt Zuhören eine ganz neue Qualität. Ähnliches gilt für die textbasierte Beratung: ohne sorgfältiges Lesen „zwischen den Zeilen“ und eigene klug gewählte Formulierungen geht das nicht. 

 

Isabella Andric, eine Expertin für digitale Kommunikation, war vor einiger Zeit selbst Online-Beratungskundin gewesen. Sie berichtet auch über soziale Rituale: „Rituale sind enorm wichtig für die Verbindlichkeit - und sei es nur ein Guten-Morgen-Smiley, den ich am Tag des Beratungsgesprächs per WhatsApp, Facebook oder Skype bekomme“. Stefan Csacsinovits, Online-Berater im Bildungsnetzwerk Steiermark weiß: Online-BeraterInnen brauchen Geduld und Zurückhaltung genauso wie den Mut für heikle Interventionen aus der Distanz.

 

Zukunftspotenzial auch für Lernberatung?

 

Lernberatung wird in der österreichischen Basisbildung groß geschrieben und auch im Planungsdokument zur Initiative Erwachsenenbildung gefordert – sie zielt „auf Entwicklung und Steigerung der Lernkompetenz und das Erleben von Eigenmächtigkeit und Selbstwirksamkeit in Lernprozessen.“ Lernende sollen unterstützt werden, ihre Motivation und ihre Lernstrategien zu finden und zu pflegen. 

 

Auch dabei könnten Online-Sprechstunden oder Video-Peergroups helfen. Eine aktuelle laufende Erhebung im Netzwerk MIKA deutet darauf hin, dass Lernende in der Basisbildung digitale Geräte bereits jetzt stark zum Lernen nutzen.

 

Die Beratung ist online – wissen das auch die KundInnen? 

 

Anita Stix, Bildungsberaterin in Wien und für abz*austria tätig, arbeitet seit 2015 in der Online-Beratung mit Skype. Sie weiß um die Besonderheiten des Online-Gesprächs und um die Herausforderung der Öffentlichkeitsarbeit: 

„Viele Menschen, die oft online sind oder auch abgelegen wohnen, kommen deshalb noch längst nicht auf die Idee, dass es für sie Beratungsangebote im Internet gibt.“ Die Online-Beratung ist ein Medium der Zukunft – und muss dafür noch bekannter werden.

 

wEBtalk am 5.12.: Wo steht die Bildungs- und Berufsberatung aktuell?

 

Wie sich die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in unserem Lernen und Arbeiten in der Bildungs- und Berufsberatung widerspiegeln, ist auch Thema der Online-Diskussion „wEBtalk“ am 5. Dezember 2016 von 14:00-15:00. Neben Online-Beratung geht es dabei auch um aufsuchende und muttersprachliche Beratung. Die Teilnahme ist offen und kostenlos.

Weitere Informationen:

          Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe Nr. 29, Oktober 2016

          Nachricht vom 02.11.2016

 

 

Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

 

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