Befragung steirischer KMUs zu Verfahren der Berufsanerkennung läuft an

21.09.2016, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Welche Erfahrungen haben KMUs bei der Auswahl von Fachkräften mit ausländischen Qualifikationen? Das soll eine Erhebung jetzt beantworten.
Klebezettel mit einem Fragezeichen auf einem Laptop
KMUs als wichtige Player der Integration befragt
Foto: (C) iStockphoto.com/fotosipsak
Im Rahmen des Projekts anerkannt! führt der steirische Verein "inspire" eine Online-Erhebung durch, die sich an steirische Klein- und Mittelunternehmen richtet. Das sind Betriebe unterschiedlichster Rechtsform (auch Vereine, GmbHs usw.), die zwischen 2 und 249 MitarbeiterInnen beschäftigen. Angesprochen sind damit auch viele steirische Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Das Besondere an dieser Befragung ist, dass erstmals KMUs im Fokus der Aufmerksamkeit sind und auch das kooperative Verfahren, mit dem der Fragebogen entwickelt wurde


"Bildungsanschlüsse" an den Arbeitsmarkt erleichtern
"Ein Drittel der Migrantinnen und Migranten sind in Österreich dequalifiziert beschäftigt", weiß Edith Zitz, Projektleiterin und Obfrau von inspire. Aktuelle statistische Daten würden zeigen, dass diese Dequalifizierung verstärkt Frauen betrifft. Mit anerkannt!, einem Projekt zur leichteren Anerkennung von international erworbenen Berufsqualifikationen, versucht inspire, dieser Dequalifizierung von MigrantInnen entgegenzuwirken und deren Arbeitsmarktintegration zu erleichtern.


Im Rahmen des Projekts wird im September 2016 eine Online-Befragung durchgeführt. "Wir möchten mit dieser Studie dazu beitragen, dass Bildungsanschlüsse an den Arbeitsmarkt stattfinden, d.h. dass die Personen mit dem, was sie können, auch in der steirischen Wirtschaft ankommen", so Zitz.


Erstmalig Klein- und Mittelunternehmen im Fokus
"Wenn es um die Integration von Migrantinnen und Migrantinnen in den Arbeitsmarkt geht, richtet sich der Blick oft auf große Konzerne, wo es teilweise etablierte Strukturen hinsichtlich der Beschäftigungspolitik von Migrantinnen und Migranten gibt", weiß Zitz. Die Klein- und Mittelbetriebe seien bislang wenig beachtet und noch seltener beforscht worden. Zitz dazu: "Es gibt in der Steiermark 40.000 KMUs (inklusive Einpersonenunternehmen). Diese sind gut auf die gesamte Steiermark gestreut, im Gegensatz zu den Großbetrieben, die sich v.a. in den Ballungszentren befinden. Die KMUs sind also arbeitsmarktpolitisch sehr wichtig im Hinblick auf die Integration."


Der Fokus der Befragung richte sich daher erstmals auf in Bezug auf die Anerkennungs-Thematik kaum beforschte Klein- und Mittelunternehmen in der Steiermark. Inspire möchte herausfinden, welche Fragestellungen oder Bedarfe diese im Hinblick auf die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen haben bzw. was es ihnen erleichtern würde, qualifizierte MigrantInnen als MitarbeiterInnen zu beschäftigen.


Partizipative Fragebogenentwicklung
Edith Zitz schildert auch den durchaus aufwendigen Prozess der Fragebogenentwicklung, für den sich der Verein die Unterstützung eines Soziologen holte: "Das Besondere an diesem Fragebogen ist: Wir haben ihn in einem relativ komplexen Verfahren partizipativ entwickelt. D.h., wir haben zunächst aus unserer Praxiserfahrung, aber auch aus der Literatur Fragen generiert. Diese haben wir anschließend mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wirtschaftskammer, des Arbeitsmarktservice und des Österreichischen Gewerkschaftsbunds sowie von Unternehmen besprochen und auf Basis ihrer Rückmeldungen adaptiert."


Inspire führte vor der eigentlichen Befragung kognitive Pretests durch. D.h., der Fragebogen wurde in einer Paper-Pencil-Version an ausgewählte Unternehmen verteilt und auf Basis derer Rückmeldungen noch einmal bearbeitet. Diese Pretests haben etwa aufgezeigt, dass manchmal eine wichtige Antwortmöglichkeit vergessen wurde oder eine Fragestellung nicht gut funktionierte, so Zitz.


Zwischen Bedarfserhebung, Beforschung des Ist-Stands und Sensibilisierung
Der Fragebogen sei Zitz zufolge eine Mischung aus Bedarfserhebung und Sensibilisierungsarbeit. Er beinhalte einerseits sehr konkrete Fragen zum Ist-Stand, aus deren Antworten sich Bedarfe schließen lassen. Etwa worauf Betriebe bei der Anstellung neuer MitarbeiterInnen generell achten, welche Unterstützungsmöglichkeiten sie in Bezug auf die Anstellung von Menschen ausländischen Qualifikationen bereits kennen und nutzen sowie welche Webseiten ihnen bekannt sind.


Andererseits beinhalte er aber auch Fragen, die mehr auf Sensibilisierung abzielen: Etwa, welche Effekte sich die Betriebe aus einer internationalen Belegschaft erwarten, welche Vorteile es bietet, Menschen mit ausländischen Qualifikationen einzustellen oder auch wie die Belegschaft auf KollegInnen mit Migrationserfahrung reagiert.


Zitz zur Fragenformulierung: "Manche Fragen waren schwierig zu entwickeln. Etwa die Frage: Was könnte der Grund dafür sein, dass sich Frauen bzw. Männer mit ausländischen Qualifikationen nicht bei Ihnen beworben haben? Da müssen wir mit sehr sanften und taktvollen Formulierungen arbeiten, um nicht als anstößig wahrgenommen zu werden und herausfinden zu können, wie die KMUs sich selbst einschätzen bzw. was ihre strukturellen Barrieren sind."


Im Fragebogen wird auch die heikle Frage gestellt: Qualifikationen aus welchen Ländern würden Sie am meisten vertrauen? Unter den Antworten finden sich etwa Syrien, Afghanistan, Irak und afrikanische Staaten. "Unsere Arbeitshypothese bei der Formulierung dieser Frage war, dass die Einschätzungen unterschiedlich sind", so Zitz. Wenn beispielsweise irakische Qualifikationen prinzipiell als wenig vertrauenswürdig eingeschätzt wird, hieße das, dass es für MigrantInnen aus dem Irak ein zusätzliches Begleitprogramm brauche, weil die formalen Qualifikationsnachweise weniger geachtet werden. Beratungseinrichtungen könnten hier etwa mit Kompetenzportfolios arbeiten.


Weiterarbeit mit den Ergebnissen in Fokusgruppen und einer Veranstaltung
Die Ergebnisse der Befragung sollen im November vorliegen. "Im nächsten Jahr möchten wir zu den Ergebnissen der Online-Befragung in Fokusgruppen qualitativ weiterarbeiten", so Edith Zitz. Bearbeitet würden v.a. jene Ergebnisse, die dem Projektteam als besonders aufschlussreich, unerwartet oder widersprüchlich erscheinen. Die Ergebnisse der Fokusgruppe wiederum würden in ein Praxispapier für Sozialpartner und Politik fließen.


Darüber hinaus sei - ebenfalls für 2017 und ebenfalls unter der Voraussetzung der weiteren Förderung des Projekts anerkannt! - ein eintägiges "Labor" geplant, so Zitz. Im Rahmen dieser Veranstaltung wolle inspire mittels der Methode "Art of Hosting" was so viel heißt wie "die Kunst des Gastgebens und Erntens guter Gespräche" partizipativ die Ergebnisse der Online-Umfrage wie auch aktuelle Entwicklungen an der Schnittstelle Bildung, Wirtschaft, Arbeit und Integration diskutieren. Im Rahmen des Labors sei die Arbeit an sehr konkreten und durchaus konflikthaften Themen geplant wie etwa Antidiskriminierung oder Gleichbehandlung, so Zitz weiter. Die Veranstaltung sei für Oktober 2017 geplant.

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