Vortragsreihe zu Flucht und Asyl beginnt diesen Monat
Nicht nur sprachliche und bildliche Strategien sind aber in Aktion, sondern auch ein ganzes Bündel von juridischen und polizeilichen Maßnahmen. Der Genfer Flüchtlingskonvention stehen gegenwärtig verschärfte nationalstaatliche Asylgesetze und restriktive EU-Verordnungen gegenüber. All diese Diskurse, Strategien und juridische Maßnahmen machen die Tatsache vergessen, dass Asyl ein Menschenrecht ist. Die wirkliche Herausforderung selbst bleibt zudem unberührt: Laut UNHCR sind derzeit ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht, davon ca. 20 Millionen über die eigene Landesgrenze hinweg, und diese bisher höchste verzeichnete Zahl wächst auch rasant.
Es ist nicht die Aufgabe der politischen Bildung, hierzu Lösungen anzubieten – sehr wohl ist es aber ihre (zumal der politischen Erwachsenenbildung) Aufgabe, eine Plattform für öffentliche Diskussionen bereitzustellen, auf der verschiedene Perspektiven, Interessen und politische Ansätze in gebührender Kontroversität aufeinandertreffen können. Ebenso ist es ihre Aufgabe, diese Diskussion durch didaktische Aufbereitung von Methoden und Fakten zu begleiten – und dabei sprachliche Klischees, Vorurteile, Ideologien wie Rassismus und Sexismus sowie Freund-Feind-Schemata kritisch zu betrachten.
Vortragsreihe
Auf diesem Hintergrund wird die Vortragsreihe „Flucht und Asyl – Diskurse, Strategien und politische Bildung“ angeboten. Damit setzt die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung – ÖGPB ihre seit 2010 in Kooperation mit dem Institut für Wissenschaft und Kunst – IWK (ab 2012 auch in Kooperation mit dem Wiener Depot) veranstaltete Vortragsreihe zur politischen Erwachsenenbildung auch 2016 fort. Heuer ist die Volkshochschule Mariahilf zusätzliche Kooperationspartnerin.
Im Depot und in der VHS Mariahilf finden vom September bis Dezember 2016 vier Vorträge statt:
Mi., 28. September 2016, 19:00 Uhr, VHS Mariahilf (Wien)
„Das ist alles so kompliziert!“
Vermittlung rechtlicher und politischer Zusammenhänge im Themenfeld Flucht und Asyl
Wenn mit Paragraphen statt mit menschlichen Schicksalen argumentiert wird, verschwinden politische Interessen und Verantwortung hinter scheinbar überkomplexen juristischen Systemen. Und wenn es kompliziert wird, ist auch bald ein Schuldiger ausgemacht: „Die Bürokratie in Brüssel“ oder – im Themenfeld Flucht und Migration – „die Festung Europa“.
Es lohnt sich, in der momentanen Situation hinter dem unübersichtlichen Gewirr an Zuständigkeiten und Bestimmungen klare Strukturen herauszuarbeiten. Ziel politischer Bildung muss es sein, Verantwortung dort zu verorten, wo sie tatsächlich liegt, und Interessen und hidden agendas freizulegen. Daraus könnten sich neue Handlungsoptionen gegen Ohnmacht und Politikverdrossenheit ergeben.
Herbert Langthaler, Kultur- und Sozialanthropologe, Trainer; asylkoordination österreich.
Do., 20. Oktober 2016, 19:00 Uhr, Depot (Wien)
We demand our rights!
Politische Proteste von Geflüchteten und ihre politische Bedeutung
Über Geflüchtete wird viel gesprochen, doch sie selbst kommen kaum zu Wort. Dabei kämpfen sie seit Jahren um ihre Rechte, wie etwa in der selbstorganisierten Bewegung von Refugees in Wien 2012/2013. Ausgehend von den Erfahrungen dieser Bewegung wird im Vortrag die Bedeutung solcher Proteste diskutiert. Daraus lassen sich neue Perspektiven auf den Umgang mit Geflüchteten und Migrant_innen gewinnen – aber auch auf Defizite bestehender demokratischer Systeme und Möglichkeiten, diese neu zu denken.
Monika Mokre, Politikwissenschafterin, arbeitet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und ist politische Aktivistin im Bereich Asyl und Migration.
Do., 3. November 2016, 19:00 Uhr, Depot (Wien)
Flucht und Asyl aus der Perspektive einer Geflüchteten
Täglich reden Medien, Politik, Sozialwissenschaften und „Otto & Ottilie Normalverbraucher“ mit Blick auf Geflüchtete über Sicherheit, berechtigte Angst vor Fremden, Sorge um den sozialen Standard und um europäische Werte. In diesem öffentlichen Diskurs ist allerdings die Sprache der Geflüchteten kaum vernehmbar. Wir wissen nichts bis sehr wenig über ihre Perspektive auf Flucht und Asyl. Eine geflüchtete yezidische Frau spricht in ihrem Vortrag darüber.
Negrin Kassem, Konventionsflüchtling, studiert Medizin in Wien und ist Mitbegründerin eines Vereins für yezidische Frauen.
Mi., 7. Dezember 2016, 19:00 Uhr, Depot (Wien)
Narrative von Flucht und Exil
Die öffentliche Wahrnehmung von Migrations- und Fluchtbewegungen ist stark davon beeinflusst, wie diese „erzählt“, also mit Bedeutung versehen, interpretiert und präsentiert werden. Im Vortrag werden Ansätze vorgestellt, die es ermöglichen, vorschnelle Vereinfachungen – wie bedrohliche Ströme, Wellen oder gar Tsunamis – zu reflektieren und differenziertere Erzähl- und Denkmuster zu entwerfen.
Matthias Schmidt, Literatur- und Kulturwissenschafter, Institut für Germanistik der Universität Wien.
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