Workplace Learning ist mehr als Lernen am Arbeitsplatz

22.07.2016, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Die ET2020 Arbeitsgruppe "Adult Learning" widmet sich dem Konzept des arbeitsplatzbezogenen Lernens in seiner Breite, auch den blinden Flecken.
Was ist "workplace learning"? Oder besser "work-based learning"?
Bild: CC0 Public Domain/geralt/pixabay.com
Die aktuelle ET2020 Arbeitsgruppe "Adult Learning" widmet sich derzeit dem arbeitsplatzbezogenen Lernen. Dabei erweist sich schon das Konzept als Herausforderung. Es gibt eine fragmentierte politische Praxis und große blinde Flecken. Letztlich erweist sich Bildung fast immer als relevant für Arbeit, Arbeitsplatz und Arbeitsmarkt.

 

Die Definitionen

 

Was ist "workplace learning"? Oder sollte es besser "work-based learning" oder gar "workplace-related learning" heißen? Im Mandat der Arbeitsgruppe meint Workplace Learning "das Lernen Erwachsener am Arbeitsplatz oder mit Bezug zum Arbeitsplatz oder als Vorbereitung auf einen Wiedereinstieg oder eine berufliche Veränderung". Das Konzept ist also insofern inklusiv, als es nicht nur Zielgruppen anspricht, die aktuell in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.

 

Policy-Dokumente wie z.B. die Riga Conclusions beziehen sich eher auf "work-based learning". CEDEFOP definiert "work-based learning" im Sinne der Wissensbestände und Fertigkeiten, die durch die Ausführung und Reflexion von Aufgaben in einem beruflichen Kontext zustande kommen, sei es am Arbeitsplatz oder in einer Bildungseinrichtung.

 

Es geht also jedenfalls um Lernen am Arbeitsplatz oder für den Arbeitsplatz oder Beruf.

 

Die politische Praxis

 

Die Auseinandersetzung in der aktuellen ET2020-Arbeitsgruppe zeigt: diese Definitionen sind für systematische Studien oder Policy-Empfehlungen in ihrer Breite kaum handhabbar. Die Versuchung liegt nahe, den Blick enger zu führen.

 

Tatsächlich zeigt jedoch eine erste Erhebung, dass auch die Steuerungsstrukturen sehr breit sind: Das arbeitsplatzbezogene Lernen wird in den meisten Mitgliedsstaaten der Union durch viele verschiedene Policies und zuständige Stellen reguliert, gestaltet, unterstützt und umgesetzt. Viele Stakeholder sind involviert, und eine Koordination ihrer Aktivitäten ist nicht der Regelfall.

 

Eine übergreifende Policy zum "Workplace Learning" ist bisher nicht auszumachen. Wobei auch fraglich ist, ob sie überhaupt gebraucht wird.

 

Die blinden Flecken

 

Daneben gibt es im steigenden Umfang Arbeit, die von Freiwilligen ehrenamtlich erledigt wird. Dazu zählen zum Beispiel häusliche Pflege, Telefondienste, Rettungsdienste, und nun vermehrt Hilfestellungen für Flüchtlinge bis hin zum Sprachunterricht.

 

In vielen Ländern ist die Vorbereitung oder Ausbildung dieser Freiwilligen ein wichtiges Thema. Da jedoch unbezahlte Arbeit - ähnlich wie die gesamte Haus- und Familienarbeit - üblicherweise nicht vom Begriff "Arbeitsplatz" umfasst wird, blenden bisherige Konzepte von "Workplace Learning" diese Bereiche aus.

 

Gute Praxis gibt es in diesen Bereichen trotzdem - und zwar nicht nur in Form von Ausbildungen, sondern auch als Kompetenzbilanzen für Ehrenamtliche oder für die Familienarbeit.

 

Die umgekehrte Frage

 

Die Frage "was tut die (Erwachsenen-)Bildung für die Employability" wird aktuell häufig gestellt. Ebenso berechtigt ist natürlich die umgekehrte Frage: Was tun die Arbeitsplätze für das Lernen?

 

Damit sind lernförderlichen Arbeitsbedingungen angesprochen, die nicht nur die Entwicklung von intelligenten "Lernzeugen" oder andere Neuerungen rund um die Industrie 4.0 meinen. Fordernde und vielfältige Aufgabenfelder sowie eine fehlerfreundliche Organisationskultur sind für das Lernen am Arbeitsplatz zentral. Bislang ist leider zu befürchten, dass vor allem höher Qualifizierte auf lernförderliche Aufgabenfelder treffen.

 

Lernfreundlich sind aber auch Arbeitsumgebungen, welche die Aufnahmefähigkeit, Motivation und Einsatzfähigkeit von MitarbeiterInnen generell schützen oder fördern. Dazu gehört alles, was landläufig gute Arbeitsbedingungen ausmacht.

 

Ist es demnach auch "Workplace Learning", wenn jemand im firmeneigenen Gesundheitsprogramm Yoga übt? Manche würden das verneinen, obwohl diese Art von Lernen sicher die Leistungsfähigkeit fördert. Wer ein inklusives Konzept von Lernen anpeilt, muss die betriebliche Gesundheitsförderung mitdenken.

 

Lernen ohne Berufsrelevanz?

 

Generell wird immer deutlicher, dass allgemeine und berufliche Bildung eng verwoben sind. Das zeigt auch eine Erhebung der österreichischen Volkshochschulen. Demnach empfinden rund zwei Drittel der KursteilnehmerInnen an Volkshochschulen das Gelernte explizit als verwertbar, obwohl nur ein geringer Teil von ihnen die VHS-Kurse wegen direkter beruflicher Anforderungen besuchten.

 

Die Europäische Kommission ist sich dessen deutlich bewusst. Sie formuliert schon 2006 die acht Schlüsselkompetenzen als Kompetenzen, die alle Individuen (auch) für ihre Berufstätigkeit benötigen.

 

Auch die so genannten Transversal Skills, also Querschnittskompetenzen wie kritisches Denken, Problemlösen, Kreativität und Lernfähigkeit, aber auch Kommunikation und Zusammenarbeit, werden in ihrer beruflichen Bedeutung in den Kommissions-Dokumenten laufend betont, so auch im begleitenden Arbeitsdokument zur Neuen Skills Agenda 2016.

 

In einer Kultur, in der die Erwerbsarbeit einen Stellenwert hat wie im gegenwärtigen Europa, kommt Lernen ohne direkte oder indirekte berufliche Relevanz kaum noch vor. Wir tun gut daran, das Konzept in seiner Breite zu erkennen und damit auch Lernende, Arbeitsformen und Lernwege außerhalb der betrieblichen Weiterbildung zu würdigen.

Weitere Informationen:

 

Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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