Wie Demokratielernen gelingen kann

29.06.2016, Text: Karin Kulmer (seit 2023: Karin Lamprecht), Redaktion/CONEDU
In Zeiten der zunehmenden politischen Popularisierung braucht es selbstbewusste BürgerInnen und Vertrauen in die Gestaltbarkeit der Welt, um Demokratie (wieder) zu lernen. Aktuell im Magazin.
Betreten auf eigene Gefahr: Wer haftet noch für unsere Demokratie?
Grafik: CC BY Marlene Schretter
Die österreichische Präsidentschaftswahl liegt etwas mehr als einen Monat zurück. Dabei stimmte fast die Hälfte der WählerInnen für einen Kandidaten, der für eine postdemokratische, autoritäre Herrschaft eintritt. In ganz Europa sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch - Abschotten statt Zusammenarbeiten scheint die Devise zu sein, wie auch die jüngste 'Brexit'-Abstimmung in Großbritannien zeigte. Vielfach liegt der Kritik an etablierten Systemen der Wunsch von BürgerInnen zugrunde, ihre Meinung äußern zu dürfen und 'gehört' zu werden.

 

Tatsächlich hat das Vertrauen in ExpertInnen als Quelle von Herrschaftswissen in den letzten Jahrzehnten auch in etablierten Demokratien überhand genommen. "Was hat Frau Huber oder Herr Kapanoglou zur griechischen Schuldenkrise zu sagen, wo es doch jede Menge akzeptierter Experten gibt?", bringen die Herausgeber Lorenz Lassnigg und Stefan Vater das Fehlen einer partizipativen Diskussionskultur auf den Punkt. Wir vernachlässigen die Fähigkeiten, die nötig sind, um Demokratien lebendig zu halten - so lautet der Vorwurf. Dies zeigt sich etwa darin, dass immer mehr Menschen Demokratie pauschal ablehnen, statt sich kritisch und konstruktiv mit gegenwärtigen Tendenzen in Demokratien auseinanderzusetzen.

 

Wie kann Demokratie 'gelernt' werden und welche Fähigkeiten braucht es dafür? Die Erwachsenenbildung enthielt historisch immer auch einen politischen, aufklärerischen Aspekt - man denke an Arbeiter- oder Frauenbildungsvereine als Phänomene der Zivilgesellschaft. Wo sie heute steht, wenn es um Demokratie und Mitbestimmung geht, ist Thema der aktuellen Ausgabe 28 des Magazin erwachsenenbildung.at (Meb). Vorgestellt werden unter anderem zahlreiche Beispiele partizipativer Formate, in denen demokratierelevante Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt und geübt werden. Das Magazin steht ab sofort unter www.erwachsenenbildung.at/magazin kostenlos zum Download bereit.

 

Radiosendungen als Beitrag zu zivilgesellschaftlichem Engagement

Seit Jänner 2013 organisiert und moderiert Heinz Pichler die Radio-Livesendung 'Panoptikum Bildung' beim Freien Radio AGORA. Jede Sendung widmet sich einem sozial- oder bildungspolitischen Thema, über das Pichler mit einem oder mehreren Studiogästen spricht. Information, Gespräch und Wissensvermittlung statt Infotainment, Floskeln und Talkshowformaten lautet dabei das Credo der Sendung, die als Medium kritischer Berichterstattung Reflexion, Weitblick und Vernunft fördern will. So entstanden bisher knapp 80 einstündige Sendungen, die im Archiv Freier Radios, dem Cultural Broadcasting Archive, online kostenfrei nachgehört werden können.

 

Wie man mit Theaterspielen politischen Einfluss nimmt

Theaterarbeit kann ein Mittel sein, um Beteiligung erfahrbar zu machen und soziale Grenzen zu überschreiten, so Michael Wrentschur. Der Soziologe und Bildungswissenschafter ist künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Werkstatt für Theater und Soziokultur, InterACT, die unter anderem soziokulturelle und partizipative Theaterprojekte realisiert. Die DarstellerInnen von InterACT kommen oft aus Gruppen, die kulturell und politisch nur wenig partizipieren. Beispielsweise artikulierten wohnungslose Menschen in Form eines Theaterstücks ihre Ideen zur Verbesserung der Wohnungslosenhilfe und erreichten so einen Dialog auf Augenhöhe mit EntscheidungsträgerInnen. Politisches und demokratisches Lernen entwickelt sich vor allem nahe an den Lebenslagen und Lebenswelten der Beteiligten, resümiert Wrentschur.

 

Demokratielernen und Teilhabe beim Fußballspielen

Die 'International Allstars League Graz' ist eine Fußballliga, bei der es nicht nur um Fußball geht. Die 29 Mannschaften aus jungen FußballspielerInnen zwischen 10 und 21 Jahren nehmen außerdem an sozialpädagogischen Workshops zu Themen wie Cybermobbing oder Menschenrechtsbildung teil und beteiligen sich aktiv am Ligarat, der relevante Entscheidungen für die Liga fällt und eine Art 'Ligaparlament' darstellt. Diversität ist ein zentraler Anspruch der Liga, die 2011 vom sozialintegrativen Sportprojekt SIQ der Caritas Steiermark gemeinsam mit dem Grazer Friedensbüro und dem Jugendzentrum Don Bosco ins Leben gerufen wurde: Neben Jugendzentren spielen Teams von NGOs, Flüchtlingsheimen, Lehrlingswerkstätten, Privatgymnasien und von Jugendlichen selbst organisierte Teams mit. Punkte gibt es nicht nur für sportliche Erfolge, sondern auch für Fair Play und Partizipation. Jugendliche und junge Erwachsene, die von gängigen Angeboten der Erwachsenenbildung und der politischen Bildung nicht erreicht werden können, werden so selbst aktiv und eignen sich politische Kompetenzen an, wie es Projektmitbegründer Thomas Jäger in seinem Beitrag formuliert.

 

Fachmedium und aktuelle Online-Information

Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) dreimal jährlich herausgegeben und vom Verein CONEDU redaktionell koordiniert. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen. Das aktuelle Magazin erscheint parallel zur kostenlosen Online-Ausgabe auf www.erwachsenenbildung.at/magazin auch im BoD-Verlag und ist als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis von EUR 11,40 oder als E-Book für weniger als 1 Euro erhältlich.

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