Ein Jahr Distance Learning in der Basisbildung – eine Zwischenbilanz

15.03.2021, Text: Elisabeth Lasser, Redaktion: Doris Rottermanner, Kärntner Bildungswerk/Ring ÖBW
Erfahrungen des Fernunterrichts in der Basisbildung aus der Perspektive der Teilnehmenden und der Trainerinnen des ESF-Projekts "Basisbildung neu denken".
Jemand hält ein Tablet, daneben ein Buch und eine Federtasche
Das ESF-Projekt "Basisbildung neu denken" stand durch die Pandemie vor besonderen Herausforderungen.
Foto: Pexels-Lizenz, Charlotte May, pexels.com
Fernunterricht und Basisbildung sind im ersten Moment zwei Gegensätze, die sich scheinbar nur schwer miteinander vereinen lassen. Schließlich sind die Teilnehmenden an Angeboten der Basisbildung oftmals Menschen, die nur geringe Erfahrungen und basale Kenntnisse im Umgang mit digitalen Ressourcen haben. Und eben diese sind gerade im digitalen Zeitalter – und aktuell besonders durch die coronabedingt notwendige Umstellung von Präsenz- auf Fernunterricht auch in der Basisbildung – unumgänglich.

 

Auch das ESF-Projekt "Basisbildung neu denken", welches seit 2019 in Kärnten in Form von dezentralen Basisbildungskursen durchgeführt wird, stand durch die Pandemie vor besonderen Herausforderungen. Die Erfahrungsberichte der Trainerinnen der drei Projektpartner (Die Kärntner Volkshochschulen, Verein Bildung und Lernen, Kärntner Bildungswerk) zeigen aber, dass trotz vermeintlichem Widerspruch die Umstellung auf Distance Learning gelingen kann.

Umstellung auf Distance Learning braucht rasches Handeln und hohe Flexibilität aller

Die ersten Kursdurchgänge konnten bis März 2020 in Präsenzform abgehalten werden, ab dem ersten Lockdown musste jedoch auf Fernunterricht umgestellt werden. Diese Abänderung von Präsenz auf Distanz und die teilweise ganz neue Erfahrung mit digitalen Medien war zwar eine Herausforderung für die Trainerinnen wie auch für die Lernenden, konnte aber durch rasches Handeln und ein hohes Maß an Flexibilität gut bewältigt werden. Teilnehmenden-zentriert und kompetenzorientiert wurden die Kurse schrittweise in den virtuellen Raum verlagert, um den Lernenden weiterhin eine Kursteilnahme zu ermöglichen. Die Trainerinnern suchten passende Lösungen und Angebote für die Zielgruppe. Und in kleinen Schritten wurde allerhand probiert, geübt, an den Kompetenzen der Lehrgangsteilnehmenden angesetzt und durchgeführt, was möglich war – und das – so das Ergebnis – war so einiges.

Von Learning Snacks bis Videomeetings

Zunächst bekamen die Teilnehmenden von den Trainerinnen Arbeitsblätter, die per Post oder Mail verschickt wurden. Im Laufe der Tage und Wochen kamen Audio-Diktate via Messenger Dienst und sogenannte "Learning Snacks" (Lernhappen in Form von Texten, Videos, Bildern etc.) sowie das Arbeiten mit digitalen Pinnwänden hinzu. Die Teilnehmenden verwendeten hierzu Smartphone, Laptops oder Tablets, die sie bei Bedarf auch zur Verfügung bestellt bekamen, berichteten die Trainerinnen.

 

Ab dem Lockdown des Winters 2020 erfolgte der Unterricht mit den Teilnehmenden (teilweise) mittels Zoom. Durch gezielte Vorbereitungsarbeit durch die Trainerinnen vor dem Lockdown waren die Teilnehmenden bereits mit dem Umgang des Programms vertraut. Einige TeilnehmerInnen eigneten sich diese Kompetenzen eigenständig an. Oftmals fehlt jedoch die technische Ausstattung über das eigene Mobiltelefon hinaus, was teilweise zu nur eingeschränkter Nutzbarkeit der digital verwendeten Tools führte.

 

Positiv wahrgenommen haben sowohl die Trainerinnen als auch die Kursteilnehmenden die Möglichkeit, mit digitalen Medien und Tools zu experimentieren, diese auszuprobieren und dadurch viele neue Erfahrungen sammeln zu können. Lernende, die zeitlich und mobil eingeschränkt waren, konnten durch die zeit- und ortsunabhängigen neuen Lernformate besser erreicht werden. In diesem Zusammenhang wurde auch das Smartphone als neues Lernmedium kennen- und teilweise sogar lieben gelernt. Das Handy war stetiger Lernbegleiter und diente dazu, (noch) unbekannte Apps auszuprobieren, eigenständig zu üben und zu lernen, so die Erfahrungen der Lernenden.

Empowerment durch Distance Learning

Durch den neuen, digitalen Zugang im Projekt "Basisbildung neu denken" und der coronabedingten Umstellung der Kurse auf Fernunterricht, erlernten die Teilnehmenden eigenständig und autonom Lerninhalte. Sie konnten selbstbestimmt entscheiden, wann, wo und wie sie die angebotenen Lerninhalte bearbeiten wollten und erhielten, wenn gewünscht, individuelles Feedback. Diese neue Freiheit im Lernsetting konnte sich positiv auf die Ressourcenstärkung und die Selbstbestimmung der Teilnehmenden auswirken und ist langfristig förderlich für mehr Empowerment – jenes Prozesses der Selbstermächtigung, der zu einer selbstständigen Lebensführung beiträgt.

Soziale Distanz, schwindende Motivation und die Technik als multidimensionale Herausforderungen im Distance Learning für die TrainerInnen

Vielen Teilnehmenden geht es bei einem Basisbildungskurs auch um die Stärkung von sozialen Kontakten und um das "Miteinander-"Lernen. Diese fehlten im Hinblick auf den gemeinsamen Austausch in den Pausen oder nach den Einheiten. Das Lernen in der Gruppe in Präsenz und die Möglichkeit der direkten gegenseitigen Unterstützung aus der Gruppe wurde für viele motivierender wahrgenommen. Hinzu kommt, dass ein Kursbesuch oftmals auch mit einer gewissen Tagesstruktur und Wochenplanung zusammenhängt. Dieser positive Aspekt fiel im Distance Learning weg.

 

Schwierig war es, dem Distance Learning beizuwohnen, wenn die technische und räumliche Ausstattung oder die Geduld dafür fehlten. Es kam vor, dass kein Laptop oder Tablet vorhanden waren oder die Kinder die Geräte für den Schulunterricht benötigten. Aufgaben und geteilte Inhalte waren auf einem Smartphone oftmals schwer zu lesen und konnten deshalb nur teilweise erledigt werden. Die Anwesenheit von anderen Familienmitgliedern während der Kurszeiten trug ebenfalls manchmal zu Störungen während der Kurseinheiten bei. Es kam auch vor, dass die Lernunterlagen am Smartphone von den Kindern oder Familienmitgliedern versehentlich gelöscht oder verändert wurden, sodass ein weiterarbeiten daran nicht mehr möglich war, berichtet eine Trainerin.

 

Für manche Teilnehmende war es bereits eine Herausforderung, sich mittels Smartphones in Zoom einzuwählen, was wiederum zu Frustration und Ängsten führte. Wenn dann auch noch das Internet überlastet war, kam es ebenso zu Momenten, in denen so manches Mal der Geduldsfaden riss.

 

LernbegleiterInnen mussten auch im Distance Learning sehr flexibel agieren und teilweise Einzelcoachings anbieten, um alle Teilnehmenden zu erreichen und vor allem zu halten. Die Gefahr des Abbruchs der Lernenden mit sehr basalen Kenntnissen schwang latent mit. Daher legten die TrainerInnen besonderes Augenmerk auf eine Vielfalt an Lernangeboten, um möglichst gut die unterschiedlichen Lernbedürfnisse und Möglichkeiten der Teilnehmenden abzudecken. Die Kursvorbereitungen nahmen dadurch allerdings mehr Zeit in Anspruch als in Präsenz, wenngleich die mittlerweile erarbeiteten digitalen Lernunterlagen für künftige Angebote verwendet oder adaptiert werden können.

Ein Zwischenfazit aus Sicht der Trainerinnen im Projekt "Basisbildung neu denken"

Durch die Heterogenität der Teilnehmenden von Basisbildungskursen ist die grundsätzliche Binnendifferenzierung eine maßgebliche Vorgehensweise in den Kursangeboten. Auch in Hinblick auf digitale Angebote ist von Seiten der TrainerInnen bei der Gestaltung dieser eine hohe Spontanität und Flexibilität in der Durchführung gefordert, um den Lernenden adäquate Angebote setzen zu können. Ebenso ist es von Seiten der Lernenden eine neue Herausforderung, mit der sie durchaus lernen (können), umzugehen. Die Teilnehmenden profitieren im Besonderen durch den Erwerb und die Aneignung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Ressourcen. Es entstehen für sie unabhängige und autonome Lernräume, die individuell und ortsungebunden aufgesucht werden können. Durch die Verwendung von Smartphones werden diese nun als neues Lernmedium angewendet und akzeptiert. Viele neue Apps werden ausprobiert, getestet und noch unbekannte Funktionen am Smartphone entdeckt.
Schlussendlich ist es für die Projektpartner und die gesamte Projektentwicklung sehr erfreulich, dass der Umstieg auf das Distance Learning im Großen und Ganzen gut erfolgt ist und die Lernenden größtenteils sehr gut erreicht werden konnten.

 

Rückblickend, berichtet eine Trainerin, könnte ein Grund dafür darin liegen, dass der Lehrgang vor Beginn des Lockdowns einige Zeit in Präsenz durchgeführt werden konnte. Die Lernbegleiterinnen und die Teilnehmenden konnten sich in dieser Zeit kennenlernen, eine Vertrauensbasis wurde aufgebaut und eine Abschätzung der vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten der Teilnehmenden für ein Distance Learning war gut möglich. Aktuell wird auch daran gearbeitet, ein Konzept für eine virtuelle Kompetenzvalidierung zu erstellen, um Eingang in die Praxis von Basisbildungsangeboten im digitalen Raum zu schaffen.

Die momentane Situation rund um die Corona Pandemie hat gezeigt, dass es viele Möglichkeiten gibt, auch in der Grundbildung effektiv miteinander arbeiten zu können. Noch vor einem Jahr wäre es unvorstellbar gewesen, einen Basisbildungskurs über digitale Medien stattfinden zu lassen. Am Beispiel der Kurse ist zu erkennen, dass es sehr wohl über einen bestimmten Zeitraum möglich ist. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus dem praktizierten Fernunterricht haben durchaus das Potential, Eingang in Basisbildungsangebote zu finden. Zwar kann der wichtige persönliche Kontakt dadurch nicht ersetzt werden, aber in weiterer Folge können durch digitale Basisbildungskurse auch Teilnehmende erreicht werden, die mobil oder zeitlich eingeschränkt sind.

 

Die Teilnehmenden nahmen das Online-Angebot größtenteils gut an. Letztlich, so zeigen Erfahrungen aus zwei Basisbildungskursen mit Distance Learning Phasen, besteht bei den meisten Teilnehmenden aber der Wunsch, dem Kurs wieder im Präsenzunterricht beizuwohnen. Einerseits, um mit den (neu) gewonnenen sozialen Kontakten im Austausch zu bleiben und andererseits, um auch das persönliche Gespräch mit der Trainerin wahrnehmen zu können. Teilnehmende möchten Fragen stellen und Lösungsansätze präsentiert bekommen, was mittels Distance Learning oftmals schwieriger ist.

 

Sicher ist jedoch: es ist online mehr möglich, als zu Beginn gedacht. Die Erfahrungen aus den beiden Basisbildungsangeboten werden in Folge im Rahmen des ESF-Projektes "Basisbildung neu denken" reflektiert und anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

 

 

Die Darstellungen basieren auf den Erfahrungsberichten der Trainerinnen und Teilnehmenden des ESF-Projekts "Basisbildung neu denken, welches vom Kärntner Bildungswerk, den Kärntner Volkshochschulen und dem Verein Bildung und Lernen an drei Standorten in Kärnten durchgeführt wird.

Projektlaufzeit: 1. 1. 2019 bis 31. 12. 2021

Elisabeth Lasser B.A. MA MA
Pädagogische Mitarbeiterin Kärntner Bildungswerk
elisabeth.lasser@kbw.co.at

Studien Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Sozial-und Integrationspädagogik, Erwachsenen- und Berufsbildung, diplomierte Basisbildungs- und Alphabetisierungstrainerin, zertifizierte DaF/DaZ Trainerin, pädagogische Mitarbeiterin Kärntner Bildungswerk.

Weitere Informationen:
Dieser Text ist nicht lizenziert, die Rechte liegen beim Urheber / bei der Urheberin. Er darf ohne Erlaubnis zur Verwertung nicht verwendet werden.

Verwandte Artikel