Basisbildung und Corona: Digitalen Herausforderungen begegnen

21.10.2020, Text: Elisabeth Arzberger, Basisbildung des BhW Niederösterreich, Redaktion: Barbara Gruber-Rotheneder, BhW Niederösterreich/Ring ÖBW
Wie die BhW Basisbildung gemeinsam mit Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, digitale Herausforderungen bewältigt.
BhW Basisbildung schafft neue Lernräume in der digitalen Welt.
Foto: CC BY, BhW Niederösterreich, Basisbildung und Corona, http://bhw-n.eu
Das Arbeiten mit Erwachsenen in der Basisbildung des BhW Niederösterreich war im coronabedingten "Lock-down" oftmals schwer zu bewerkstelligen. Schließlich war der Zugang zum Internet, zu PCs oder Laptops für die Teilnehmenden in geringem Ausmaß bzw. gar nicht vorhanden. Es fehlte aufgrund der unvorhersehbaren Schließungen die Möglichkeit zur Vorbereitung und dem Voreinrichten geeigneter Programme zum gemeinsamen Arbeiten in der digitalen Welt. So floss, bevor das Lernen in den Kursen tatsächlich starten konnte, viel Energie und Zeit zuerst einmal in die Organisation und das Erarbeiten und Erproben geeigneter Online-Lernformate und -Plattformen.

Menschen mit geringer Literalität als Zielgruppe

In der Fachwelt spricht man aufgrund fehlender Basisfertigkeiten nur mehr bedingt vom "funktionalen Analphabetismus", der den Eindruck von starken gesellschaftlichen Einschränkungen impliziert. Stattdessen wurden etwa in der LEO-Studie 2018 die Begriffe "geringe Literalität" oder "gering literarisierte Erwachsene" verwendet. Der Umgang mit Schrift, Lesen und Sprache wird hier hervorgehoben und vermeidet die Beurteilung des Menschen als Ganzes. Geringe Literalität bedeutet, dass eine Person allenfalls bis zu einfachen Sätzen lesen und schreiben kann. Der Sinn eines etwas längeren Textes wird gar nicht oder nicht schnell und mühelos genug verstanden. Es werden daher, sowohl begrifflich als auch in der Praxis, die Stärken der Menschen in den Vordergrund gestellt.

Geringe Literalität wirkt sich auf digitale Praktiken aus

Die LEO-Studie 2018 widmete sich auch den Fragen geringer Literalität und deren Einfluss auf Kompetenzen in verschiedenen Lebensbereichen. So wurden unter anderem die Auswirkungen auf digitale, finanzielle, gesundheitliche oder politische Praktiken untersucht. Dabei wurde etwa im Bereich digitaler Praktiken festgestellt, dass Menschen mit geringer Literalität seltener Computer mit Internetzugang nutzen und E-Mails schreiben. Die Nutzung von internetfähigen Smartphones und Tablets und das Schreiben von Kurznachrichten unterscheiden sich aber kaum von jener der Gesamtbevölkerung. Sprachnachrichten und Videofonie wird von dieser Personengruppe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sogar geringfügig häufiger genutzt.

Schaffung neuer Lernräume in der digitalen Welt

Den Herausforderungen der Zielgruppe folgend war die Arbeit der Basisbildung im BhW Niederösterreich zur Zeit des "Lock-downs" geprägt durch Kreativität, Weiterentwicklung, Flexibilität und das Bemühen um die Schaffung neuer Lernräume und Lernmöglichkeiten. Nicht mehr war "nur" das Üben von Schreiben, Lesen und Rechnen gefragt, nein, vor allem die Handhabung digitaler Medien rückte in den Vordergrund. Somit waren alle Teilnehmenden sowie TrainerInnen im Umgang mit Computer, Handy, Tablet, Laptop und den jeweiligen Apps gefordert. Und tatsächlich - alle lernten dazu. Erstaunlich für die TrainerInnen war, dass viele Menschen, denen man aufgrund fehlender oder geringer Basiskompetenzen, wenig digitale Teilhabe unterstellen würde, sich gut auf ihren Handys oder am PC zurechtfanden.

Förderung digitaler Kompetenzen in der Basisbildung

Grundlegende Fertigkeiten werden in der Basisbildung in verschiedene Bereiche unterteilt und ein Teil davon ist die digitale Kompetenz. Eine andere Grundkompetenz, das Lesen, ist nicht nur die Beschäftigung mit Sprache in schriftlicher Form, sondern auch das Interpretieren von Bildern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trainierten in den Online-Schulungen während des "Lock-downs" nicht nur ihre Lesekompetenz, sondern vor allem auch ihre digitalen Kompetenzen. Sie lernten, wo zum Beispiel ihre mobilen Daten am Handy zu finden sind, welches Symbol das Bluetooth-Zeichen ist und vor allem, welche Bedeutung diese Zeichen im digitalen Alltag haben und welche Funktionen die Bilder im tatsächlichen Tun erfüllen.

Mit versteckten Talenten weitere Herausforderungen meistern

Ganz im Sinne der LEO-Studie mit ihrem Begriffswandel und im Zeichen der Stärkenorientierung, konnten die TrainerInnen mit Freude während des gemeinsamen Arbeitens große, oft versteckte, Talente der Teilnehmerinnen und Teilnehmer entdecken. Es bestätigte sich die Erkenntnis, dass Menschen, gerade wenn das Lesen, Schreiben oder Rechnen oft eine Herausforderung ist, bereit sind, sich auf Veränderungen einzulassen und das Neue engagiert zu meistern. Positiv gestimmt blickt die Basisbildung im BhW Niederösterreich nun auf die Herbstkurse, in dem Wissen, dass jede und jeder eigene Stärken hat, mit denen sie oder er individuelle Lösungswege für das Lernen findet. Darum ist es den Trainerinnen und Trainern der Basisbildung ein besonderes Anliegen diese Stärken zu entdecken und zu fördern.

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