Tagungsdokumentation: Vernetzungstagung der Bildungsberatung Österreich

07.10.2020, Text: ReferentInnen der Tagung & Amela Cetin (ÖSB S&B), Redaktion: Redaktion/CONEDU
Präsentationsunterlagen, Fotos und weitere Unterlagen der Tagung "Arbeit … alles anders? Herausforderungen und Chancen für die Bildungsberatung" gibt es zum freien Download.
BildungsberaterInnen und Fach-ExptertInnen bei der Tagung.
Foto: CC BY, ÖSB S&B, bearb. durch CONEDU/Paar, auf erwachsenenbildung.at
Inhalt

 


 

Trends oder Hypes? Zu den Dynamiken der Berufsarbeit

Zusammenfassung des Impulsvortrags von Jörg Flecker (Universität Wien)

 

Einzelne Bilder über die Veränderung der Arbeitsorganisation und der beruflichen Tätigkeiten werden immer wieder "gehypt": Die Höherqualifizierung der Arbeitskräfte, ihre zunehmende Selbstorganisation und Selbstverantwortung oder die wachsenden Chancen und Notwendigkeiten, in der Erwerbsarbeit kreativ zu sein. Auch die Ausweitung sozialer und kommunikativer Tätigkeitsanteile fügt sich in diese Bilder ein.

 

Von solchen Darstellungen werden Gegentendenzen verdrängt, die in der beruflichen Realität ebenfalls zu beobachten sind. Dazu gehören die Standardisierung und damit Vereinfachung und stärkere Fremdkontrolle der Arbeit gerade auch in den Dienstleistungen. Und zwischen diesen gegenläufigen Tendenzen gibt es einen breiten Mittelbereich mit widersprüchlichen Auswirkungen, wie etwa die immer engeren Vorgaben und Rahmenbedingungen für hochqualifizierte Projektarbeit.

 

Angesichts der Ambivalenz der Entwicklung ist also vor den - etwa im Zusammenhang mit der Digitalisierung - kursierenden Hypes zu warnen. Man sollte vielmehr versuchen, der Komplexität im Wandel der Qualifikationsanforderungen Rechnung zu tragen. So ist zwar festzustellen, dass die Fähigkeiten zur Selbstorganisation, Selbstrationalisierung, persönlichen Weiterentwicklung etc. neben den nach wie vor zentralen fachlichen Qualifikationen vielfach wichtiger geworden sind. Doch entscheidend scheint dabei auch die Bewältigung der Widersprüche und Zielkonflikte zwischen Selbstverantwortung und Vorgaben bzw. fremdbestimmten Rahmenbedingungen, zwischen den eigenen hohen Ansprüchen an die Arbeit und begrenzten Ressourcen zu sein.

 

In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass die Zukunft der Arbeit nicht etwas ist, das von irgendwoher auf uns zukommt. Sie wird vielmehr im Rahmen von Machtverhältnissen und unter vielfältigen Einflüssen von Menschen gestaltet. Und Bildung kann dazu beitragen, dass die Arbeitenden an dieser Gestaltung individuell und kollektiv aktiver mitwirken können als bisher.

Arbeit neu denken im Zeitalter digitaler Transformation – Erwerbsarbeit zwischen Entfremdung und Selbstverwirklichung

Zusammenfassung des Impulsvortrags von Thomas Kühn (International Psychoanalytic University Berlin)

 

Mit dem Vortrag sollte begründet werden, dass eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe darin besteht, Arbeit im Zeitalter digitaler Transformation neu zu denken. Digitale Transformation und Beschleunigung führen dazu, dass sich die Arbeitswelt einschneidend verändert. Dass dies zu einem Bedeutungsgewinn künstlicher Intelligenz, zu neuen Formen des Verhältnisses von Mensch und Maschine sowie zu einem gesteigerten Bewusstsein rund um ethische Konsequenzen und drastische Gefahren eines wenig nachhaltigen Wirtschaftens führt, ist weithin bekannt und steht bereits im Mittelpunkt öffentlicher Debatten. Dabei wird zum Teil noch nicht deutlich genug erkannt, welche Schlüsselrolle der Psychologie zum Verständnis und zur Mitgestaltung dieses Wandels zukommt.

 

Bei der Einschätzung und Bewältigung der Folgen digitaler Transformation der Arbeitswelt sind psychologische Kenntnisse von zentraler Bedeutung, denn die menschlichen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialer Identität bleiben bestehen. Wenn man aus psychologischer Perspektive davon ausgeht, dass Menschen schöpferisch und sozial sind, und die gemeinsame Auseinandersetzung mit und Gestaltung der Lebenswelt zu den zentralen menschlichen Aufgaben gehört, muss die Arbeitswelt auch weiterhin als ein zentraler Raum der Gesellschaft begriffen werden, in dem menschliche Entwicklung möglich ist. Gleichzeitig müssen gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die entfremdend wirken, bei einer Reflexion der Bedeutung von Arbeit systematisch berücksichtigt werden. Auch der Diskurs um Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung darf nicht losgelöst von Normen begriffen und weitergedacht werden, welche für zeitgenössische Gesellschaften prägend sind.

Neues aus Bildungsberatung in Wien

Zusammenfassung des Impulsvortrags von Astrid Steininger (Bildungsberatung Wien)

 

In den letzten Monaten hat ein Digitalisierungsschub begonnen. Der regelmäßige Austausch im Team erleichtert die eigene Beratungshaltung weiterzuentwickeln und die Angebote zu adaptieren. Es war uns ein Anliegen neben den Einzelberatungen per zoom auch sehr schnell Gruppenberatungen per zoom anzubieten: Die erste Gruppe konnte am 17.4 online stattfinden.
Das Besondere ist, dass wir intensiv nach Tools gesucht haben, um den Transfer von Präsenzinhalten in online Gruppen zu schaffen. Die Auseinandersetzung mit geeigneten Tools war auf einmal das wichtigste, um Gruppenformate online per zoom zu realisieren und die Interaktivität zu gewährleisten.

 

In der Vorbereitung galt es, sich die Inhalte nochmals genau zu strukturieren und für interaktive Übungen Tools bereitzustellen. Beim Anschreiben, Motivationsschreiben geht es einerseits darum, die wichtigen Teile und Texte der Bewerbung und ihre Funktionen zu vermitteln sowie an eigenen Textpassagen für die Bewerbungsunterlagen zu arbeiten und Feedback zu erhalten.

 

Unser Resümee: die Kund_innen und die Berater_innen der Bildungsberatung sind dabei sich auch in Onlineformate sicherer zu bewegen. Wir vermuten, je vertrauter die Kommunikation und die Arbeit über den Bildschirm wird, umso näher wird der menschliche Kontakt. Im Homeoffice und beim Studieren und Lernen in virtuellen Umgebungen sind Selbstorganisation, Zeitmanagement, gelassener Umgang mit Technik, verstehen von LehrLerntools und kommunizieren über mehrere Kanäle wichtig. Die Zukunft des Beratens wird digitaler und sehr spannend sein.

Neues aus der Bildungsberatung Tirol

Zusammenfassung des Impulsvortrags von Annelies Mutschlechner (Bildungsberatung Tirol)

 

In der Bildungs- und Berufsberatung gibt es verschiedene Beratungsangebote, eines davon ist die Beratung von Kundinnen in Kleingruppen in zwei aufeinander aufbauenden Workshops. Der Workshop "Kompetenzen sichtbar machen"...

 

... eröffnet den Blick auf die eigenen Stärken und Fähigkeiten.
... stärkt den Selbstwert.
... gibt neue Impulse für Weiterbildung.
... zeigt neue Wege auf.

 

Das Workshopkonzept wurde an die Zielgruppe der älteren BeratungskundInnen angepasst.
Reflexion der eigenen Biografie, der Lern- und Arbeitserfahrungen und des eigenen Altersbildes kann in den Workshops stattfinden. Die subjektiv wahrgenommene Altersidentität ergibt sich aus dem kalendarischen und dem biologischen Alter – viele Menschen fühlen sich jünger als sie es tatsächlich sind. Zum Verständnis des eigenen Altersbildes tragen auch die soziale Verankerung, der Bildungsstand sowie die von außen herangetragenen gesellschaftlichen Handlungsmuster bei. Chancen für Menschen in der Späterwerbsphase unterliegen auch den wechselnden Gegebenheiten und Anforderungen des Arbeitsmarktes und es braucht Sensibilisierung für Themen der älteren ArbeitnehmerInnen, Stärkung der Zielgruppe und Antworten auf deren Fragestellungen in der Bildungs- und Berufsberatung. Der Workshop "Erfahrung sinnvoll nutzen" - Kompetenz und Beratung für Menschen in der Späterwerbsphase kann eine mögliche Herangehensweise hierfür sein.

Workshop 1: Wie verändern sich Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt?

Input für den Workshop 1 von Gerlinde Titelbach (IHS)

Im Rahmen des Workshops "Wie verändern sich Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt und was bedeutet das für die Bildungsberatung?" präsentierte Gerlinde Titelbach aktuelle Entwicklungen der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am österreichischen Arbeitsmarkt. Im Mittelpunkt des Vortrags standen Fragen im Zusammenhang mit der Verteilung von Erwerbsarbeit: In welchen Bereichen wird Erwerbsarbeit nachgefragt? Welche Personen arbeiten dort in welchem Ausmaß? Welche Personen sind auf der Suche nach Erwerbsarbeit?

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshop 1 von Georg Grund-Groiss (AMS Gänserndorf)

Selbst wenn sich die Corona-Krise auch am Arbeitsmarkt als eine "Leben und Bewusstsein tief zerklüftende Wende und Grenze" (Thomas Mann) erweisen sollte, gilt weiterhin: Es wäre höchst zweckmäßig, wenn mehr Menschen als bisher Ausbildungen in weithin "ungeliebten" Berufen anstrebten.

 

Der aktuelle Vergleich von Arbeitslosen und offenen Stellen ergibt – wie seit vielen Jahren – eine nicht zu deckende Nachfrage nach Arbeitskräften vor allem in folgenden Berufen: FliesenlegerIn, ZimmererIn, MauerIn, DachdeckerIn, BauspenglerIn, BautischlerIn. Ebenso gilt weiterhin, dass es uns noch besser gelingen müsste, Menschen für die - nach allseitigem Bekunden - moralisch hoch angesehenen Pflegeberufe zu gewinnen. Die Schwierigkeiten dabei wurzeln nicht allein in fordernden Arbeitsbedingungen oder anspruchsvollen Ausbildungskriterien, sondern in kulturellen Leitbildern als wichtigen Elementen der Selbstachtung.

 

Obwohl die Digitalisierung allgegenwärtig ist, bleibt sie vorerst für die Praxis der Qualifizierung im AMS von nachgeordneter Bedeutung. Derzeit verfügen 44 % aller Vorgemerkten nur über einen Pflichtschulabschluss. Die Wege in eine digitale berufliche Zukunft sind für viele nicht klar beschreibbar oder schlicht zu weit.
Was in der aktuellen krisengeprägten Arbeitsmarktentwicklung auch deutlich wird: Viele Arbeitskräfte mit höherer Ausbildung, deren berufliche Sehnsüchte auf Marketing, Human Resources oder auf das Unternehmensmanagement im weiteren Sinne zielen, erleben gerade eine dramatisch reduzierte Nachfrage nach ihren Kompetenzen und in der Folge manifeste Identitätskrisen.

 

In Berufsorientierung und Qualifizierungsberatung brauchen wir daher nicht nur modernste Werkzeuge, wie das BerufsInfoSystem des AMS, sondern vor allem ein tiefes Verständnis dafür, wie sich in unserer "Gesellschaft der Singularitäten" (Andreas Reckwitz) Selbstbilder formen - und immer wieder von Grund auf in Frage gestellt werden.
Eine Idee scheint diskussionswürdig: Sollten wir in der staatlichen Arbeitsmarktausbildung neben dem Angebot der systematisch entwickelten Kursprogramme nicht noch mehr auf die freie Entscheidung der KundInnen setzen, auch wenn sich deren ökonomische Zweckmäßigkeit nicht sofort erschließt? So planen wir z.B. im AMS NÖ ein kleines Forschungsprojekt, bei dem wir die Effektivität der konventionellen Kursvermittlung mit dem Erfolg von Qualifizierungsentscheidungen von Menschen vergleichen wollen, die einen "Ausbildungsscheck" zur freien Verfügung erhalten.

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshop 1 von Milja Barosevcic (waff)

Basierend auf dem Wandel der letzten Jahre ist zu beobachten, dass Arbeitsplätze mit geringen qualifikatorischen Anforderungen in Wien weniger geworden sind. Was einer der Beweggründe war, den Qualifikationsplan Wien 2030 ins Leben zu rufen. Daher liegt der Fokus beim waff Beratungszentrum für Beruf und Weiterbildung sehr stark darauf die Kundinnen und Kunden von der Hilfskraft zur Fachkraft zu begleiten. Dies geschieht in Form von Beratung und finanzieller Unterstützung. Als besonders hilfreich hat sich hierfür der Qualifikationspass Wien erwiesen.

 

Es zu beobachten, dass Personen aufgrund von steigenden und sich verändernden Anforderungen im Beruf und generell am Arbeitsmarkt gefordert sehen, ihre Qualifikationen und beruflichen Kompetenzen weiter zu entwickeln. Novellierungen bei curricularen Berufen wie KindergruppenbetreuerInnen, Digitalisierung von Arbeitsprozessen und dadurch neu entstehende Berufsbilder sind Beispiele dafür.

 

Diese Veränderungen tragen dazu bei, dass sich Themenstellungen in der Beratung erweitert haben. Fragen wie z.B: Welche digitale Kompetenzen sind für mein angestrebtes Berufsziel erforderlich? Welche Weiterbildungen muss ich absolvieren um in meinem Beruf weiter beschäftigt sein zu können bzw. meinen Arbeitsplatz abzusichern? Welches Deutschniveau wird vorausgesetzt um in diesem Beruf eine Ausbildung machen und arbeiten zu können? Welche Kompetenzen erhöhen meine Jobchancen? Wie kann ich meine Ausbildung finanzieren? Wie kann ich Beruf, Familie und Weiterbildung vereinbaren?

 

Ausgehend von diesen Veränderungen sind Beraterinnen und Berater gefordert den Arbeitsmarkt genauer zu beobachten, ihr Wissen über bestehende wie auch über neue Berufe laufend zu erweitern und sich mit dem Thema Digitalisierung wie auch neue Lern- und Arbeitsformen intensiver auseinander zu setzten.

Workshop 2: Welche Kompetenzen und Skills sind in Zukunft gefragt?

Input zum Workshop 2 von Julia Bock-Schappelwein (WIFO)

Mit dem Einsatz digitaler Technologien wandeln sich die mit einem Arbeitsplatz verbundenen Arbeitsinhalte und Arbeitsanforderungen – ein Prozess, der in vielen Wirtschaftsbereichen bereits weit fortgeschritten ist. Standardisierte Arbeitsprozesse werden automatisiert bzw. durch digitale Technologien in unterschiedlichem Ausmaß unterstützt, ergänzt oder auch gänzlich durch diese ersetzt werden. Diese Entwicklung wird einige Arbeitsplätze stärker treffen als andere. Die Bandbreite reicht vom Verschwinden ganzer Arbeitsplätze, die sich überwiegend durch standardisierbare (Routine-)Tätigkeiten auszeichnen, bis hin zur Änderung der Arbeitsplatzbeschreibung, bei der automatisierbare bzw. digitalisierbare Aufgabengebiete wegbrechen oder reduziert werden. Hinzu kommen neue Aufgabengebiete, die stärker auf die Fähigkeiten von Arbeitskräften abzielen und sie von Algorithmen abheben wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenz oder auch Teamfähigkeit. Ihren Niederschlag findet diese Entwicklung in sich wandelnden Qualifikations- und Kompetenzanforderungen an die Arbeitskräfte. Gefragt ist ein Bündel an formaler Qualifikation, Kompetenzen und Fähigkeiten, die die menschliche Arbeitskraft von Robotern oder programmierten Algorithmen merklich unterscheidet.

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshops 2 von Sandra Heuschmidt (BFI Wien)

Das BFI Wien setzt vorwiegend auf Blended Learning-Formate, wobei durch die Kombination von E-Learning Elementen und Präsenzveranstaltungen an unseren Schulungsstandorten und in unseren Werkstätten die Vorzüge beider Lernsettings vereint werden. Die dahingehende Qualifizierung der Lehrenden sowie der Aufbau und die Weiterentwicklung der "digitalen Kompetenzen" des BFI Wien als ErwachsenenbilderIn stehen unter anderem im internationalen Projekt "Learning Path" im Fokus.
Der Beitrag gab einen Einblick in aktuelle Vorhaben des BFI Wien in der Auseinandersetzung mit zukünftigen Kompetenzanforderungen am Arbeitsmarkt sowie deren Auswirkungen im Aus- und Weiterbildungskontext.

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshops 2 von Manuela Vollmann (ABZ* Austria)

Hintergrund
Demographischer Wandel, Digitalisierung, Globalisierung verändern den Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt grundlegend. Dazu kommt aktuell, dass in Krisen manche Veränderungsprozesse beschleunigt, andere wiederum ausgebremst werden. Die Digitalisierung, neue Arbeitsmodelle oder Home-Office sind massiv beschleunigt worden. Dabei wird es aber eine der größten Herausforderung sein, sich die für die Arbeitswelt notwendigen Fähigkeiten wie die Bereitschaft zum Lebensbegleitenden Lernen, Flexibilität und Kompetenzerweiterung zu erhalten und gleichzeitig eine Berufslaufbahn mit existenzsicherndem Einkommen einzuschlagen, die die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ermöglicht.
 
NEW SKILLS: Welchen Bedarf sehen wir aus der Praxis
Die Mitarbeiter*innen von ABZ*AUSTRIA arbeiten sowohl mit Unternehmen, die einen Personalbedarf haben oder die schon bestehenden Mitarbeiter*innen weiterentwickeln wollen, als auch mit rund 7000 Frauen im Jahr, die einen Job suchen oder eine Aus- und Weiterbildung anstreben. An dieser Schnittstelle wird klar, dass es grundlegende Kompetenzen gibt, die bei fast jeder Stelle wichtig sind: Flexibilität, Belastbarkeit, Zielstrebigkeit und Teamfähigkeit. Aus Gesprächen mit Unternehmen wissen wir, dass kaum Zeit für längere Einschulungsphasen besteht, man muss sich rasch orientieren. Wenn es ein Problem gibt, kann nicht immer die/der Vorgesetzte gefragt werden, es braucht Personen mit hoher Problemlösungskompetenz. Viele Unternehmen arbeiten international, interkulturelle Kompetenz ist dementsprechend vermehrt gefragt. Digitale Kompetenz bedeutet mehr als Office Programme nutzen zu können. Standardprogramme werden individualisierten Programmen weichen, die auf das Unternehmen zugeschnitten sind, dementsprechend braucht es ein Grundverständnis für "Baukastenlernsysteme". Gleichzeitig besteht auch die Herausforderung, die Bildungsberater*innen selbst in der Anwendung von digitalen Tools zu schulen.

Workshop 3: Wie kann die Bildungsberatung auf neue Erwerbs- und Arbeitsformen reagieren?

Input zum Workshop 3 von Rudolf Götz (ÖSB S&B)

Neue Arbeitsformen zeichnen sich durch eine zeitliche und räumliche Entgrenzung der Arbeit sowie einer Beziehung zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in aus, die nicht dem klassischen Eins-zu-eins Verhältnis entspricht. Neue Arbeitsformen sind so neu nicht. Seit den Flexibilisierung- und Deregulierungsströmungen der 1980er Jahren wird das Thema immer wieder (gesellschafts)politisch diskutiert. Mit dem globalen Siegeszug des Internet hat die Ausbreitung und Ausdifferenzierung neuer Arbeitsformen einen weiteren Wachstumsimpuls erhalten.

 

Im Workshop der Tagung "Arbeit.... alles anders?" ginges darum, auf prekäre Ausprägungen neuer Arbeitsformen zu fokussieren und gemeinsam zu überlegen, wie die Bildungs- und Berufsberatung auf das wachsende Phänomen neuer Arbeitsformen reagieren kann und soll.

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshops 3 von Andrea Klement (ÖSB Consulting)

Der Mikrokredit des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend unterstützt beschäftigungslose bzw. am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen bei der Gründung eines eigenen Unternehmens.

Workshop 4: Was bringt der Wandel der Arbeitsorganisation in Unternehmen für die Bildungsberatung mit sich?

Input zum Workshop 4 von Christiane Sophie Schober (Deloitte)

Die Veränderungen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, sind nicht nur sehr vielfältig, sie schreiten auch mit exponentieller Geschwindigkeit voran. Das stellt sowohl Arbeitgeber*innen, als auch Arbeitnehmer*innen vor neue Herausforderungen und verlangt vor allem eines von ihnen: die grundlegende Bereitschaft zur Veränderung. Bildungs- und Berufsberater*innen leisten einen zentralen Beitrag im Zusammenführen vom Bedarf auf betrieblicher und arbeitsmarktseitiger Ebene und gestalten den Wandel der Arbeit somit mit. Um als Bildungs- oder Berufsberater*in auch in Zeiten der Veränderung wirksam zu (Zukunfts)Berufen, deren Anforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten informieren und beraten zu können, bietet dieser Workshop einen Einblick in die Auswirkungen der neuen Arbeitswelten auf betrieblicher Ebene: im Rahmen eines kurzen Impulses, eines Erfahrungsaustauschs und gemeinsamer Reflexion standen folgende Fragen im Vordergrund:
- Wie wirken sich Haupttreiber der Veränderung, wie Digitalisierung, demografischer Wandel und Globalisierung, auf die Veränderung der Arbeitsorganisation in Unternehmen aus?
- Mit welchen neuen Anforderungen und Kompetenzen geht der Wandel der Arbeitswelt einher?
- Was bedeutet dies für die Bildungs- und Berufsberatung in Österreich?

Erfahrungen aus der Praxis im Rahmen des Workshops 4 von Eva Angerler (GPA-djp)

Wir beobachten zwei große Entwicklungen, die die Arbeitsorganisation in den Betrieben verändern. Auf der technischen Ebene ist es der stark steigende Einsatz von Künstlicher Intelligenz, also selbstlernenden IT-Systemen, die automatisierte Entscheidungen treffen können. Beispiele dafür sind der Einsatz von Bewerbungs- und Karrieretools, Anreizsysteme mit automatisierten Prämienberechnungen, Verhaltensvorhersagen von ArbeitnehmerInnen, u.ä. Kennzeichnend ist die Komplexität dieser Systeme und die vielfältigen Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, die a priori nicht erkennbar sind.


Und auf der Managementebene ist "Agiles Arbeiten" zu einem breiten Trend geworden, der alle Branchen erfasst hat. "Agilität" soll die Entwicklung von Neuem und Anpassungsfähigkeit bei komplexen Herausforderungen ermöglichen. Bei agiler Zusammenarbeit soll es mehr Interaktionen zwischen den Menschen geben und weniger Dokumentation und Geschriebenes. In "agilen" Unternehmen gibt es keine starren Hierarchien. Die Beschäftigten arbeiten selbstorganisiert in Teams. Die meisten Entscheidungen werden dort getroffen und verantwortet, wo die Kompetenzen dafür vorhanden sind.

 

Die agilen Prinzipien kommen durchaus einer "Humanisierung der Arbeit" entgegen. So werden z.B. die Partizipationschancen für die ArbeitnehmerInnen durch klare funktionale Rollen in der Teamzusammenarbeit erhöht. Belastungssituationen durch Arbeitsintensivierung und das Gefühl der dauernden Kontrolle sind jedoch nicht auszuschließen, sondern können sich sogar verschärfen.
Die Entwicklung "guter Agilität" ist daher ein Leitbild für die Gestaltung der Arbeitsorganisation aus ArbeitnehmerInnensicht.

 
 
 
 
Weitere Unterlagen:

 


Erstellung des Beitrags gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung und des Europäischen Sozialfonds.

 
 
 
 
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