"Hände weg von unseren Daten!" Plattformen in der Bildungspraxis
Welchen Stellenwert Plattformen und Datafizierung besitzen und was das konkret für die kritische Bildungspraxis in der Erwachsenenbildung wie auch in der Arbeit von nichtkommerziellen Medien bedeutet, wurde auf einem zweitägigen Seminar von COMMIT – Community Medien Institut in Kooperation mit dem bifeb und FS1 – dem Freien Fernsehen Salzburg Ende Jänner in Salzburg diskutiert.
Kritisches Medienbewusstsein als "Skill" für die Erwachsenenbildung
Fragen zur Digitalisierung gewinnen in der Erwachsenenbildung zunehmend an Bedeutung, werden jedoch oft nur hinsichtlich technischer Medienkompetenzen und deren wirtschaftlicher und arbeitsmarktrelevanter Verwertbarkeit (Stichwort „Employability") betrachtet. Demgegenüber wollte der Workshop aufzeigen, dass es im Umgang mit neuen Technologien nicht nur technischer Skills bedarf, sondern eines kritischen Medienbewusstseins. Trotz der weitreichenden gesellschaftlichen wie individuellen Auswirkungen, die sich aus dem gegenwärtigen Prozess der Datafizierung ergeben, fehlt es weiten Teilen der Öffentlichkeit an einem solchen kritischen Bewusstsein.
Dem klassischen Totschlagargument „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten", wurde im Workshop entgegengehalten, dass der Schutz persönlicher Daten ein Grundrecht ist. Durch die fehlende Transparenz, was mit unseren Daten in Gegenwart oder Zukunft passiert und zu welchen Zwecken sie genutzt oder missbraucht werden, ist unsere Autonomie grundlegend bedroht.
Im Zeitalter des Überwachungskapitalismus
Die großen Internetplattformen sowie die dazugehörigen Unternehmen – die sogenannten „Internet Big Five" (Apple, Google, Amazon, Facebook und Microsoft) – operieren anhand einer kommerziellen Logik, in die sie ihre NutzerInnen einhegen. Sie gaukeln Partizipation und Mitbestimmung vor, ihr Geschäftsmodell basiert jedoch darauf, nutzergenerierte Daten abzuernten und auszubeuten. Wir werden damit selbst zu Daten und diese Daten werden zum Rohstoff, mit dem gehandelt wird. Mit neuen digitalen Technologien werden so unsere Einstellungen und unser Verhalten vorausgesagt und gesteuert.
Diesen Prozessen kann sich keiner entziehen, da sie wesentlich darauf beruhen, dass wir bei der Überwachung mitmachen. Selbst Personen, die nicht auf einen der großen Plattformen aktiv sind, werden durch die Verknüpfung unterschiedlicher Datensets, etwa in Kontaktlisten von Bekannten, von diesen erfasst. Die Ökonomin Shoshana Zuboff spricht in diesem Zusammenhang vom „Zeitalter des Überwachungskapitalismus".
Social Media Plattformen als 5. Gewalt
Zugleich verändern die Social Media Plattformen unsere kommunikativen Medienpraktiken und unsere Informationsrepertoires. Jeffrey Wimmer, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Augsburg, der durch den Workshop führte, bezeichnet Social Media Plattformen als Intermediäre. Durch die Ent- und Neubündelung von Kommunikationskanälen anderer Akteure kommt diesen eine wichtige Vermittlerfunktion zu, die sie zur 5. Gewalt nach den traditionellen journalistischen Medien machen.
Den Einfluss der großen Plattformen und die Herausforderungen, die sich daraus für BürgerInnen, Bildungsarbeit, Community Medien und Zivilgesellschaft ergeben, war auch Thema einer öffentlichen Podiumsdiskussion, die am Abend des ersten Workshoptages stattfand. Die Podiumsdiskussion wurde – nicht ohne eine gewisse Ironie – von FS1 via Facebook live übertragen.
Digitale Resilienz soll Bewusstsein stärken
Als ein möglicher Lösungsansatz für den Umgang mit den problematischen Aspekten der Datafizierung wurde im Workshop u.a. das Konzept der „Digitalen Resilienz" von Thomas Steinmaurer, Leiter des Center for Information and Communication Technologies & Society der Universität Salzburg, vorgestellt. Dieses will nicht nur das Bewusstsein und die digitalen Kompetenzen der BürgerInnen stärken, sondern fordert auch eine stärkere Regulierung der kommerziellen Plattformen und eine Förderung gemeinwohlorientierter Plattformen abseits der Kommerzialisierungslogik.
Dass es bereits Alternativen zu den großen kommerziellen Internetplattformen gibt, stellte Roland Alton-Scheidl, Leiter der fairkom-Gesellschaft und Sprecher für Creative Commons Austria, im Workshop vor. Die von fairkom entwickelten „fairapps" bieten datenschutzfreundliche und nachhaltige Alternativen für klassische Web-Anwendungen, wie Cloud-Dienst, Chat, Videokonferenz und mehr.
Alternative Angebote haben es jedoch oft schwer, nicht zuletzt, da es ihnen an der Finanzkraft der großen Unternehmen fehlt. Die Monopolstellung der großen Plattformen und fehlende Schnittstellen, die es ermöglichen würden, plattformunabhängig zu kommunizieren, erschweren zudem auch den NutzerInnen den Umstieg.
Im Workshop wurde daher auch nach geeigneten Vermittlungskonzepten im Umgang mit Datafizierungsprozessen gefragt – von der Nutzung von Gamification bis zur Entwicklung eines guten Brandings für alternative Angebote. Dabei wurde auch die wichtige Vorbildfunktion betont, die Akteuren aus der Erwachsenenbildung und den Community Medien zukommt. So braucht es einfach mehr Interesse von EntscheidungsträgerInnen, alternative Angebote in ihrer Arbeit zu implementieren.
Bildungs- und Professionalisierungsangebote in der Erwachsenenbildung, wie der EBmooc plus, den Birgit Aschemann von CONEDU in einer Videobotschaft vorstellte, können wichtige Orte für die notwendige Sensibilisierung und kritische Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Prozessen der Datafizierung sein.
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