Digitale Inklusion: Teilhabe an der digitalen und der analogen Welt
Otto Rath: Mit welchen Barrieren sind TeilnehmerInnen an Ihren Angeboten konfrontiert?
Karl Bäck: Barrieren zeigen sich bereits im Umgang mit der Hardware. In Kursen, beispielweise zur Nutzung von E-Mails wird klar, dass oft schon die Hand- Auge-Koordination schwierig ist. Wir haben vor mittlerweile mehr als 10 Jahren ein Lernprogramm zum Erlernen des Umgangs mit dem Computer entwickelt, das übrigens immer noch super funktioniert.
Diese Barrieren haben sich mit der Tabletnutzung sehr stark reduziert. Meine Empfehlung geht immer dahin, Tablets anzuschaffen, zumindest für die Personen, die als SelbstvertreterInnen arbeiten. Ich erspare mir das Scrollen und das Klicken, etc. Mobile Geräte sind auch in der Software einfacher zu bedienen. Auf mobilen Geräten sind diese Programme abgespeckt und leichter.
Im Projekt Incluedu (inclusive education) verfolgen wir das Ziel, Tablets und Apps einzusetzen, um personalisiertes und kooperatives Lernen zu unterstützen. Ein Aspekt davon ist, Bedienungshilfen von iPads gezielt zu benutzen, Sprachausgabe, Spracheingabe etc. Wir bieten dazu auch Kurse für TrainerInnen in der Erwachsenenbildung an, damit sie durch den Einsatz von Tablets Bildung inklusiver machen können.
Kann man die Barrieren an gewöhnlichen PCs auch reduzieren?
Ja, individuelle Einstellungen bieten sich als Beitrag zur Erhöhung der Barrierefreiheit an. Ich kann die Geschwindigkeit beim Doppelklick verändern. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Personen mit dem eigenen Profil angemeldet sind. Das ist schwierig mit PCs, die von mehreren Personen verwendet werden. In manchen Einrichtungen hat tatsächlich jeder ein eigenes Profil, mit dem sich die Personen jeweils anmelden. Die Einstellungen bleiben dann erhalten. Das ist super, weil sonst schaut der Bildschirm immer anders aus und das geht ja auch uns auf die Nerven und macht uns das Leben schwer.
Barrieren tun sich auch im Bereich der Software auf – ist es sinnvoll, spezielle Software für Menschen zum Beispiel mit Lernbehinderungen zu entwickeln?
Es zeigt sich, dass sich diese speziellen Programme nicht durchsetzen. Wir haben zum Beispiel ein eigenes E-Mailprogramm entwickelt, und es gibt ja – vor allem im Kontext der EU-Programme – einige Plattformen für z.B. ältere Personen. Die sind weitgehend super gemacht, aber in der Praxis ist es wohl besser, vorhandene Programme und Plattformen so zu benutzen, wie sie eben von der Allgemeinheit benutzt werden.
Das trifft auch auf Social Media zu. Wir haben vor etwa 10 Jahren ein Open Source Programm adaptiert und damit eine soziale Plattform entwickelt, die so ähnlich funktioniert wie Facebook. Es hat sich herausgestellt, dass das für Schulungszwecke schon gut ist, die Administratorenrecht und die Daten bleiben im Haus und sind einsehbar. Aber es wird dann fad. Jeder spürt, dass es eigentlich nur ein abgeschlossener Bereich ist. Facebook ist da am ehesten die Plattform der Wahl.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien in der Diskussion um die digitale Barrierefreiheit?
Social Media ist gleich Facebook für diese Gruppe. Einerseits bieten die sozialen Medien eine sehr gute Möglichkeit zum Austausch, auch über regionale Grenzen hinweg. Das Posten von Bildern, Nutzen von Messenger, etc. funktioniert gut. Was ich aber auch sehe: Für eine Gruppe ohne Erfahrung und Unterstützung sind diese Medien doch zu kompliziert. Es wird dann funktionieren, wenn in der Einrichtung die Betreuer regelmäßig unterstützen.
Bei vielen MitarbeiterInnen in Behinderteneinrichtungen ist allerdings eine Distanz zu sozialen Medien spürbar. Aber die Menschen haben das Recht, diese Medien nutzen zu können. Die MitarbeiterInnen müssen Whatsapp ja nicht persönlich nutzen, aber jeder Mensch hat das Recht, sich entscheiden zu können, Whatsapp zu benutzen oder nicht. Das heißt, er muss das kennen und können. Die MitarbeiterInnen müssen diese Entscheidung möglich machen.
Was bedeutet für Sie digitale Inklusion?
Digitale Inklusion bedeutet für mich einerseits die Nutzung der Geräte, Sicherstellung des bedienerfreundlichen Zugangs. Eine Voraussetzung ist das Wissen der UnterstützerInnen, was sinnvoll ist. Also die Frage, wie kann ich in der digitalen Welt teilnehmen. Zweitens das Nutzen der digitalen Geräte, um an der analogen Gesellschaft teilnehmen zu können.
Was kann atempo als Experteneinrichtung in diesem Zusammenhang konkret anbieten?
Am vielversprechendsten ist die Weiterentwicklung von Organisationen auf der Basis der bestehenden Praxis. Die Einbindung von digitalen Medien gelingt am besten, wenn sich eine ganze Einrichtung oder eine Abteilung fragt, was könnten wir mit der vorhandenen Infrastruktur machen, um den Unterricht inklusiver und innovativer zu gestalten. Wir schauen uns das dann konkret an: Wie ist die Infrastruktur, welche Möglichkeiten gibt es, vorhandene Geräte zu verwenden, Smartphones der TeilnehmerInnen und dergleichen, was müsste gegebenenfalls zusätzlich angeschafft werden. Das hat die größte Wirkung: Organisationen zu begleiten, ihr Angebot in Richtung digitaler Barrierefreiheit zu adaptieren.
Über atempo
Das innovative Sozialunternehmen aus Graz beschäftigt sich seit Jahren mit Barrierefreiheit und erbringt Dienstleistungen u.a. in den Bereichen leichter Sprache und digitaler Inklusion. Der Einsatz von digitalen Tools für die inklusive Bildung steht auch im Zentrum zahlreicher europäischer Projekte.
Über Karl Bäck
Als langjähriger Mitarbeiter von atempo gibt er sein Expertenwissen rund um das Thema Inklusion und Digitalisierung auch auf europäischer Ebene weiter. Zusammen mit Kooperationspartnerinnen und Partnern aus u.a. Großbritannien, Finnland, Deutschland, und der Slowakei referiert und lehrt er seit Jahren erfolgreich zu Themen der inklusiven Bildung.
(Bild: Karl Bäck, alle Rechte vorbehalten)
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