Im Blickwinkel: Politische Erwachsenenbildung in Österreich

Kürzlich wurde in der Hauptbücherei in Wien das neu erschienene Buch „Im Blickwinkel: Politische Erwachsenenbildung in Österreich“ vorgestellt.  Die Publikation konzentriert sich auf zwei Aspekte: Politische Bildung wird häufig mit Schule assoziiert, die politische Erwachsenenbildung gerät dabei in den Hintergrund. Zudem wird die Fachliteratur zu diesem Thema meist in deutschen Verlagen publiziert und bezieht sich vorwiegend auf Fachdebatten in Deutschland. Die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB) will mit dieser Publikation den Fokus erweitern.

Buchpräsentation

Nach den einleitenden Worten von Rahel Baumgartner begrüßte Robert Kramreither, BMBF, stv. Leiter der Abt. Erwachsenenbildung, die Gäste der Buchpräsentation. Robert Kramreither dankte den HerausgeberInnen für die Umsetzung des Buchprojektes. In seiner Einleitung sprach er eine Problematik des Themas Bildung an: „Es erscheint der Eindruck, alle gesellschaftlichen und ökonomischen Probleme könnten mit einem funktionierenden Bildungssystem gelöst werden.“ Gerade politische Bildung werde gerne als Allheilmittel gesehen. Aber politische Bildung könne nicht alles leisten, alle Probleme auf Bildung abzuladen sei kontraproduktiv.

Entstehung des Buches

Rahel Baumgartner erläuterte anschließend die Entstehung und das Konzept der Publikation. Das Buch basiert auf der Vortragsreihe „Politische Erwachsenenbildung“, welche die ÖGPB seit 2010 jährlich in Kooperation mit dem Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) und seit 2012 auch mit dem Wiener Depot und punktuell zusätzlichen PartnerInnen organisiert.

 „Was ist politische Erwachsenenbildung? Wie und wo passiert sie? Was sind Themenschwerpunkte, Ansätze, Methoden? Wie wirken bildungspolitische Trends auf die politische Bildung?“ sind u. a. Fragen, die im Rahmen der Vortragsreihe diskutiert wurden. Die bisherigen Themenschwerpunkte und Vortragenden bilden das Gerüst des Buches. Um weitere Aspekte abzudecken wurden zusätzliche ExpertInnen eingeladen, Beiträge zu verfassen. Das im Wochenschauverlag publizierte Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist laut Rahel Baumgartner als Momentaufnahme der politischen Erwachsenenbildung in Österreich gedacht.

Das Besondere an dem Buch ist zudem der Bezug zu Österreich. Die meisten Fachdebatten konzentrieren sich auf Deutschland. Grund dafür sind die unterschiedlichen Strukturen. Große Einrichtungen wie die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung führen in Deutschland Fachdebatten. In Österreich gibt es keine vergleichbaren Strukturen.

Mit dem Buch möchten die HerausgeberInnnen zeigen, dass es auch in Österreich Beiträge und Ansätze zu diesen Fachdebatten gibt. Spezifische Bildungsbewegungen und thematische Ausrichtungen sind in Österreich ebenso zu finden wie eigene Entwicklungen in der politischen Erwachsenenbildung.

Der Sammelband ist in drei Teilen gegliedert.  Die Beiträge des ersten Teils „Ansätze und Dynamiken“ befassen sich mit allgemeinen Fragen der politischen Bildung und versuchen, an Fachdebatten aus österreichischer Perspektive anzuknüpfen. Im zweiten Abschnitt „Themenfelder am Standort“ werden Felder mit explizitem nationalem Bezug, die in Österreich einzigartig sind oder zumindest eine eigene Ausformung erfahren haben, beleuchtet. Der dritte Teil „Standort Österreich: Geschichte und Strukturen“  skizziert die Entwicklung und Strukturen, aber auch die Besonderheiten der politische Erwachsenenbildung in Österreich.

Buchbesprechung

Univ.-Doz. Dr. Wilhelm Filla, Weiterbildungswissenschafter und Autor mehrerer Publikationen zum Thema Erwachsenenbildung, wurde von der ÖGPB zur Besprechung des Buches eingeladen.

Die Buchpräsentation nahm Wilhelm Filla auch als Anlass die politische Erwachsenenbildung in Österreich einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. „Die quantitativ bescheidene Literaturproduktion zur politischen Bildung, die Ausdruck eines qualitativ bescheidenen Diskussionstandes ist und sogleich diesen mitbedingt, dürfte auf die Marginalisierung der politischen Bildung in den KEBÖ-Verbänden mit ihren Mitgliedseinrichtungen, zurückzuführen sein. Darüber hinaus gibt es in der Szene, die sich auch mit politischer Erwachsenenbildung beschäftigt, viel zu geringe finanzielle Mittel, um entsprechende Initiativen setzen zu können.“ Vor diesem Hintergrund müsse jedes Buch, das sich mit politischer Bildung in Form eines Sammelbands beschäftigt, Lücken aufweisen, da es viele Themen gibt, die nicht behandelt werden können.

Der Sammelband „Im Blickwinkel: Politische Erwachsenenbildung in Österreich“ umfasst insgesamt 19 Beiträge. Bemerkenswert, weil in der politischen Bildung nicht selbstverständlich, findet Wilhelm Filla die Geschlechterparität der AutorInnen, welches vermutlich auch den starken Anteil an feministisch- und genderorientierten Themen erkläre. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Interkulturalität und Minoritäten. Neben diesen beiden Schwerpunktthemen gibt es weitere vertiefende Artikel. „Vor allem den institutionellen Beiträgen kommt ein hoher Informationswert zu“, so Wilhelm Filla. „Das breite Themenspektrum lässt erkennen, dass das Buch sich von Pluralität der Inhalte, Ziele und Kontexte der politischen Bildung leiten lässt. Dieser in den Vordergrund gestellten inhaltlichen Pluralität korrespondiert die Vielfalt der Textsorten.“ Das Buch zeichne sich auch durch die Stärke eines Sammelbands aus, eine Vielfalt von Themen und Perspektiven zur Diskussion zu stellen. Es biete einer größeren  Anzahl von AutorInnen eine Plattform, die im Kontext der Erwachsenenbildung und der in ihr geführten Diskussionen sonst nicht oder nur wenig präsent sind. Das Buch sei eine Bereicherung der österreichischen Erwachsenenbildung, der größte Wert des Buches wird laut Wilhelm Filla aber gegeben sein, wenn es gelingt, mit ihm eine qualifizierte und vor allem kontinuierliche Diskussion zur politischen Bildung in der österreichischen Erwachsenenbildung zu initiieren.

Im Blickwinkel: Politische Erwachsenenbildung in Österreich. Herausgegeben von Rahel Baumgartner und Hakan Gürses für die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung. Wochenschau Verlag 2015, ISBN 978-3-7344-0140-4