Damit Guidance Schulabbrüche verhindert, braucht es mehr Kooperation

24.11.2015, Text: Eva Baloch-Kaloianov, Euroguidance Österreich, Redaktion: Magdalena Tauber, Initiative Bildungsberatung - ÖSB Studien & Beratung
Die Euroguidance Fachtagung 2015 konnte aufzeigen, wie regionale und Institutionen übergreifende Zusammenarbeit wirkt.
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Foto: OeAD-GmbH/APA-Fotoservice/Hörmandinger
Sieben Prozent der heimischen  18- bis 24-Jährigen brechen laut Bildungsministerium vorzeitig ihre Ausbildung ab. Gemessen am EU-Durchschnitt von 12,7 Prozent steht Österreich zwar gut da. In Zahlen sind es dennoch 53.000 junge Menschen, die jedes Jahr ihre Ausbildung frühzeitig beenden. Ein Schlüsselfaktor zur Verhinderung von frühem Schulabbruch ist ein starkes und gut entwickeltes Guidance System. 

 

Die Euroguidance-Fachtagung 2015 "Der ‚andere' Blick auf Bildungsbenachteiligung und Schulabbruch sowie Ansätze von Guidance" fand am 3. November 2015 in Wien im Kardinal König Haus statt. Sie thematisierte die strukturellen Ursachen von Bildungsbenachteiligung und Schulabbruch. 165 Teilnehmende besuchten neben den Vorträgen auch fünf parallele Methoden- und Diskussionsworkshops. Im Rahmen eines Marktplatzes bestand die Möglichkeit, europäische und nationale Projekte sowie Beratungsangebote kennen zu lernen.

 

Thematic Working Group on Early School Leaving

Im Eröffnungsvortrag umriss Petra Goran, Europäische Kommission, die Ergebnisse der europäischen Arbeitsgruppe zu frühzeitigem Schulabbruch. Ziel der bildungspolitischen Empfehlungen ist es, alle Akteur/innen im Bildungssystem für das Thema Schulabbruch zu sensibilisieren und eine Grundlage zur Entwicklung von nationalen Strategien und Maßnahmen zu liefern. Ansätze zur Reduktion von frühem Schulabbruch müssen auf die gesamte Bildungslaufbahn fokussieren. Im Idealfall sollten präventive, eingreifende sowie kompensatorische Maßnahmen ineinander greifen.

 

Bildungsungleichheit und institutionelle Diskriminierung

Der Universitätsprofessor Frank-Olaf Radtke, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, beleuchtete das Phänomen des frühen Schulabbruchs aus einer systemischen und auf die Strukturen des Bildungssystems fokussierenden Perspektive. Institutionelle Diskriminierung ist die unterschiedliche Behandlung von Schüler/innen, die in der Funktionsweise des Schulsystems angelegt ist. Sie werde, so Radtke, unabhängig von den individuellen Absichten und Handlungen perpetuiert und führt dazu, dass sich Schüler/innen mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Schichten überproportional häufig in weniger Chancen verschaffenden Schularten auffinden.

 

Lost in Transition

Die Studienautor/innen Winfried Moser und Korinna Lindinger vom Institut für Kinderrechte und Elternbildung, untersuchten in der Studie „Lost in Transition“ die makrostrukturellen Faktoren in ausgewählten europäischen Schulsystemen und am Übergang Schule - Beruf, die den frühzeitigen Schulabbruch begünstigen. Die Studie zeigt, dass Länder mit einer ausgeprägten organisatorischen Schulautonomie bei hoher Professionalität der Unterrichtenden und einer funktionierenden Mehrebenen-Kooperation zwischen den relevanten Akteur/innen deutlich niedrigere Schulabbruchsraten haben. Um Schulabbruch zu verhindern, brauche es handlungsfähige Schulen, die die Herausforderungen an ihrem Standort erkennen, sie konstruktiv aufgreifen und an der aktiven Gestaltung und Begleitung von Bildungsübergängen mitwirken.


Guidance Works

Was ist nun angesichts der dargestellten strukturellen Gegebenheiten der Beitrag von „Guidance“, und wie kann durch transnationale Projektarbeit ein Beitrag zur Reduktion von frühzeitigem Schulabbruch geleistet werden? Diese Fragen stellte Carin Dániel Ramírez-Schiller, Bereichsleiterin Erasmus+ Erwachsenenbildung & Querschnittsthemen in der Nationalagentur Lebenslanges Lernen.

 

Aus Sicht von Peter Anhäuser, Bundesagentur für Arbeit, sei in Beratungsprozessen erkennbar, dass Jugendliche in Hinblick auf Ausbildungs-, Berufswahl- und Berufsreife immer wieder neu orientiert werden müssen. Mit dem Leonardo da Vinci Projekt „PraeLab“ wurde ein wichtiger Schlüssel entwickelt, mit dem Jugendliche nicht nur bis zum Ausbildungsbeginn beruflich orientiert, sondern auch nach Beginn begleitet werden könnten.

 

Michaela Marterer, Geschäftsführerin der Steirischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, betonte, dass es nicht nur um die Grenzen und Änderung im System ginge, sondern vor allem auch um den Bedarf der Jugendlichen. Guidance funktioniere durch Kooperation innerhalb des Schulsystems, aber vor allem auch mit der Wirtschaft. Eine zentrale Erkenntnis aus der europäischen Projektzusammenarbeit ist, dass der Schlüssel zum Erfolg die Zusammenarbeit in der Region ist.

 

Für Ricarda Motschilnig, EPALE Österreich, ist die europäische Kooperation für Trainer/innen unabdingbar, um etwa der Problematik des frühen Schulabbruchs bei einem sich gleichzeitig rasant wandelnden Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Die europäische Plattform der Erwachsenenbildung, EPALE, ermöglicht diesen Austausch. Eine wichtige Unterstützung für Projektträger/innen im Bereich Erasmus + biete die Partnersuchfunktion.

 

Schulabbruch als komplexes Phänomen

Andrea Fraundorfer, themenverantwortlich für Jugendcoaching und Schulabbruch im Bundesministerium für Bildung und Frauen, beleuchtete am Ende der Veranstaltung die wichtigsten Diskussionspunkte. „Schulabbruch wird heute als komplexes Phänomen der kumulativen Entfremdung vom institutionellen Lernen, das sich bildungsbiographisch meist früh ankündigt, betrachtet“, so die Expertin. Ein wertschätzender Umgang mit den Lernenden, Anerkennung für deren Diversität und Lernausgangslagen, Kooperationsbereitschaft am Schulstandort sowie Ressourcen, wie u.a. Jugendcoaching, bilden ebenso wie eine hohe Innovationsbereitschaft die zentralen Meilensteine auf dem Weg zu einer Schule, die Schulabbruch weitgehend verhindert.

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