„Manchmal braucht’s halt ein wenig, bis der Knopf aufgeht!“

31.08.2015, Text: Gloria Sagmeister, Die Kärntner Volkshochschulen
Seit Anfang Juli hat Christina Kübelwirth ihren Pflichtschulabschluss in der Tasche. Verspätet, aber doch. Sie hat ihn in den letzten eineinhalb Jahren bei einem Abendlehrgang der Kärntner Volkshochschulen nachgeholt.
AbsolventInnen des PSA Lehrgangs
Foto: Die Kärntner Volkshochschulen
Klagenfurt, 06.07.2015 – Wie kann es kommen, dass man keinen positiven Schulabschluss hat?  
„Ich war mitten in der Pubertät und hatte, wie so üblich, auf nix Lust. In der vierten Klasse Hauptschule habe ich viel gefehlt und alles komplett verhaut. Ich habe auf stur gestellt oder hab mich rausgeredet und bin einfach zu Hause geblieben, bin herumgesessen, war Kaffee trinken, bin mit dem Hund spazieren gegangen. Drei Fünfer und zwei Fächer mit „Nicht beurteilt“ waren das Resultat. In der Poly war ich dann auch nur zwei Wochen anwesend“, gesteht die junge Frau mit den warmherzigen braunen Augen ganz offen. Als Jugendliche kam sie irgendwann in AMS-Maßnahmen, suchte erfolglos nach Praktika und Lehrstellen. Aber selbst Schnupperlehren wollten nicht klappen. Nachdenklich meint sie: „Ohne Pflichtschulabschlusszeugnis will dich niemand. Es ist nicht schön, nur daheim zu sitzen und nicht arbeiten zu dürfen. Da ist mir der Schalter umgeflogen!“.

 

Jetzt hat sie so richtig Gas gegeben

Durch das AMS erfuhr Christina Kübelwirth vom kostenlosen VHS-Lehrgang „Pflichtschulabschluss nachholen“, der von der Initiative Erwachsenenbildung gefördert wird. Montag bis Donnerstag drückte sie von fünf bis halb neun Uhr abends die Schulbank und bereitete sich auf insgesamt sechs Prüfungen aus Fächerbündeln vor. Mentale Unterstützung erhielt sie von ihrem Freund Marcel und ihrer Mutter Evelin Oberlerchner, Reinigungsfachkraft bei der Gemeinde, die heute erleichtert sagt: „Ich bin so stolz auf Christina und beeindruckt, wie sie alles durchgezogen hat. Sie hat zwar vier Jahre verloren, aber dann so richtig reingebissen und es freut mich ganz besonders, dass sie so gute Noten erzielt hat. Sie hat in den drei Semestern auch nur ganze drei Mal gefehlt: zwei Mal war sie sehr krank und einmal musste sie ihre Oma pflegen.“

 

Für ihre Großmutter übernimmt die sympathische Enkelin gerne die Verantwortung, denn „sie war ja schließlich vorher auch immer für uns da und hat uns großgezogen“. Während ihres Schulbesuchs bei der VHS betreute sie sie vormittags. Christinas Berufswünsche gehen genau in diese Richtung: Sie will Altenpflegerin werden, denn es macht sie „fröhlich“, wenn sie helfen kann. Kein Wunder, dass „Gesundheit und Soziales“ ihr Lieblingsgegenstand war. Sie hält bereits eine Zusage von der Schule für Sozialbetreuungsberufe des Kärntner Caritas-Verbandes in ihren Händen: Am 14.09. darf sie die Ausbildung zu ihrem Traumberuf in Drauhofen starten. Ohne VHS-Pflichtschulabschluss (positiver Abschluss der 8. Schulstufe, früher „Hauptschulabschluss“) wäre dies nicht möglich gewesen. Über den Sommer absolviert die engagierte junge Frau noch ein Praktikum in einem Altersheim.

 

Tipps für SchulabbrecherInnen

Allen SchülerInnen, die sich in einer ähnlichen Situation wie einst sie selbst befinden, rät Christina Kübelwirth: „Probiert es und kämpft, ihr werdet etwas davon haben. Ich habe jetzt erkannt, dass es gar nicht so schwer ist und ich es damals locker geschafft hätte. Ihr werdet es bereuen, wenn ihr einmal älter seid, keinen positiven Abschluss habt, keine Arbeit findet und kein Geld verdient.“

 

Den Unterricht bei der VHS empfand sie als motivierend und erwachsenengerecht. Besonders die kleine Gruppengröße kam ihr zugute, es konnte besser auf sie eingegangen werden und die freundlichen VHS-Trainer nahmen sich viel Zeit für Erklärungen. Sie hatte auch keine Angst „ausgelacht zu werden wie in einer normalen Schule, wenn etwas falsch ist“. Den künftigen VHS-Pflichtschulabsolventen empfiehlt sie im Unterricht aktiv mitzuarbeiten und versichert, dass „es gar nicht so schwer ist und das Klima passt“. Rückblickend auf ihre eineinhalb Jahre bei der VHS erkennt sie, dass sie nicht nur positive Prüfungen abgelegt hat, sondern auch im persönlichen Bereich immens profitiert hat: Sie ist selbständig geworden, weiß jetzt was sie will und hat dank der Aufgabenstellungen im Unterricht so nebenbei ihre Präsentationsangst vor Gruppen überwunden. 

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