Kooperative Formen der Professionalisierung

20.02.2015, Text: Elisabeth Feigl, VÖV, Redaktion: Barbara Kreilinger, VÖV
Kollegiale Unterrichtsbesuche gehörten bislang kaum zum Weiterbildungsangebot der Erwachsenenbildung. Dabei gingen wichtige Chancen für professionelles Weiterlernen verloren.
Foto: (C) Anna Rauchenberger
Kollegialer Besuch im Seminar bietet Gelegenheit durch Feedback zu lernen
Foto: (C) Anna Rauchenberger
Kollegiale Unterrichtsbesuche und gemeinsame Reflexionen gehören bisher kaum zum Weiterbildungsangebot der Erwachsenenbildung in Europa. Das Thema scheint auch von Seiten der Unterrichtenden vielfach tabuisiert. Doch es erscheint höchst an der Zeit die vorhandenen Ressourcen zu nützen und zu bündeln, so auch die Forderung von John Hattie in seinem Buch "Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen".

 

Erfahrungsaustausch
Unter einem kollegialen Unterrichtsbesuch verstehen wir im Rahmen der Grundtvig-Lernpartnerschaft "Codigo" einen Erfahrungsaustausch zwischen zwei Lehrenden auf gleicher Ebene. Die Besuche im Unterricht finden wechselseitig statt. Beobachtung und anschließende Rückmeldung erfolgen wertungsfrei nach gemeinsam vereinbarten Prinzipien und Richtlinien.

Die institutionelle Ebene
Auf institutioneller Ebene bietet diese Form des Unterrichtsbesuchs die Chance, eine kooperative Organisationskultur zu stärken und gleichzeitig zur Bindung der Kursleitenden an die Institution beizutragen. Sie unterstützt die didaktisch-methodische Qualitätssicherung, die ja auch im Rahmen des allgemeinen Qualitätsmanagements nicht zu kurz kommen sollte und trägt zur Bindung an die Institution bei.

Die individuelle Ebene
Auf der individuellen Ebene der KursleiterInnen stärken Unterrichtsbesuche das professionelle Selbstwertgefühl der Lehrenden. Die Unterrichtenden können von den Erfahrungen, den Fähigkeiten und dem Wissen ihrer KollegInnen profitieren:

  • hinsichtlich unterschiedlicher Unterrichtsstile
  • Ressourceneinsatz
  • Classroom-Management
  • Einsatz von Medien
  • Binnendifferenzierung
  • Evaluation sowie Bewertungs- und Beurteilungskriterien.


KursleiterInnen, die gewohnt sind sich „als EinzelkämpferInnen durchzuschlagen“, erhalten die Chance, sich mit anderen Lehrenden über schwierige Situationen im Unterricht auszutauschen. Sie  bekommen eine Außenperspektive bzw. einen Spiegel aufgezeigt. Die methodisch-didaktischen Kompetenzen und Fertigkeiten der Lehrenden werden weiter-entwickelt, was eine positive Auswirkung auf die Unterrichtspraxis hat.

Gemeinsame Prinzipien
Durch die Teilnahme an kollegialen Unterrichtsbesuchen fühlen sich Lehrende von der Institution gesehen und unterstützt, da Interesse an ihrer persönlichen Entwicklung gezeigt wird. Damit kollegiale Unterrichtsbesuche zu den gewünschten Ergebnissen führen, ist es wichtig, dass es innerhalb der Institution ein gemeinsames Verständnis davon gibt, was gelungenes Lehren und Lernen ausmacht. 

 

Die Unterrichtenden  sind dann eher bereit, sich fachlich weiterzuentwickeln und haben eine klarere Vorstellung von ihrem spezifischen organisierten Weiterbildungsbedarf. Durch die Rückmeldung an die Institution, kennt diese den Weiterbildungsbedarf genauer und kann Fortbildungen effizienter und bedarfsorientierter planen.

 

Kollegiale Unterrichtsbesuche sollten sich an gemeinsam vereinbarten Prinzipien orientieren. Ganz wichtig erscheint, dass kollegiale Unterrichtsbesuche konstruktiv sind und eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen den Beteiligten beinhalten. Keinesfalls sollten sie Konsequenzen auf das Anstellungsverhältnis oder den Arbeitsvertrag haben.

Weitere Informationen:

 

Dieser Beitrag beruht auf einer Veröffentlichung in „Die österreichische Volkshochschule 01/2014“ und entstand im Rahmen der Grundtvig-Lernpartnerschaft Codigo, gefördert aus Mitteln des Europäischen Programms für Lebenslanges Lernen.

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