Neuerscheinung: Programmanalyse über das Bildungszentrum St. Bernhard

08.01.2014, Text: Ingrid Pfeiffer, Redaktion: Karin Schräfl, Forum Katholischer Erwachsenenbildung
40 Jahre Erwachsenenbildung zwischen kirchlichem Anspruch und gesellschaftlicher Entwicklung hat Peter Maurer in einer Programmanalyse aufgearbeitet.
Maurer legt Programmanalyse vor.
Grafik: Maurer (Ausschnitt des Covers)
Wie vielfältig die Zusammenhänge sind, in denen Erwachsenenbildung stattfindet, die in einem Bildungshaus angesiedelt ist, zeigt die Studie von Peter Maurer, die er anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Bildungszentrums St. Bernhard in Wr. Neustadt verfasste. Erwachsenenbildung bekommt ihre Impulse aus einem sich stetig verändernden gesellschaftlichen, politischen und pädagogischen Geflecht, zu dem sich die Bildungseinrichtung mit ihrem Programmangebot verhalten muss. Das Selbstverständnis der konkreten Einrichtung hat dabei eine flexible Verbindung mit wechselnden Bedingungen und Herausforderungen einzugehen.
 

Peter Maurers ursprünglich als Master Thesis des „Universitätslehrgangs Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ angelegte Analyse ist nun als Buch erschienen und ermöglicht so einem breiteren InteressentInnenkreis den Zugang zu den Überlegungen des Autors, die über die konkrete Einrichtung hinaus für die Erwachsenenbildung von Bedeutung sind. Sie werden durch aufwändig recherchiertes und teils tabellarisch aufbereitetes Datenmaterial unterstützt.

 

Ausgangspunkt der Studie ist das Programmangebot des Bildungszentrums St. Bernhard von seiner Gründung 1973 bis heute. Das Forschungsinteresse Peter Maurers bezog sich auf die bedeutenden Ereignisse und Entwicklungen dieser Jahrzehnte und ihren direkten wie indirekten Einfluss auf die Programmgestaltung. Parallel dazu werden Geschichte und Selbstverständnis des Hauses dargestellt. Die Untersuchung wird durch eine Längsschnittanalyse der Angebotsstruktur des Bildungshauses sowie einen Vergleich von insgesamt vier katholischen Bildungshäusern im Osten Österreichs ergänzt. Dadurch erfährt der/die LeserIn nicht nur eine Menge über eines der wichtigsten Bildungshäuser der österreichischen Nachkriegsgeschichte.

 

Pointiert und anschaulich wird man mit dem zeitgeschichtlichen Kontext konfrontiert, der auf die Entwicklung des Verständnisses von Erwachsenenbildung  und auf die Erwachsenenbildungspraxis hin durchsichtig gemacht wird. Die Darstellungen von politischen, wirtschaftlichen, bildungsbezogenen sowie kirchlichen Entwicklungen werden parallel geführt, so dass der gegenseitige Einfluss deutlich wird. Weder der Wohlfahrtsstaat der 1960er noch der Wandel der Gesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft sind für die Erwachsenenbildung ohne Folgen geblieben.

 

Im kirchlichen Bereich hat sich der Aufbruch des II. Vatikanischen Konzils ebenso ausgewirkt wie die konservative Wende in der Kirchenpolitik ab den 1980ern. In der Bildungspolitik wurde mit Schlagwörtern wie „Humankapital“ und „lebenslanges Lernen“ auf neue gesellschaftliche Spannungen und wirtschaftlichen Niedergang reagiert. Die allgemeine Erwachsenenbildung hat, wie Peter Maurer am Beispiel St. Bernhard zeigt, mit teils drastischen, teils sukzessiven Verschiebungen der Schwerpunkte darauf reagiert. Es wurden Bildungsangebote entwickelt, die die Teilnehmenden unterstützen, neue Herausforderungen annehmen doch auch kritisch betrachten zu können.

 

Die Studie kann darüber hinaus als Anregung für andere Erwachsenenbildungseinrichtungen dienen, mittels ähnlicher „wissenschaftlicher Fundierung der praktischen Bildungstätigkeit“ einen wichtigen Dienst zu erweisen. Dies schreibt Wilhelm Filla in seinem Vorwort, in dessen Rahmen er Peter Maurers Arbeit - zu Recht - als „Pionierarbeit“ bezeichnet. Nach der Lektüre der Abschnitte über den zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet man etwa die Tabelle (siehe Grafik links oben, im Buch S. 94.), die den Verlauf der Angebotsstruktur zwischen 1977 und 2012 darstellt mit einem tieferen Verständnis für die Zusammenhänge, die dazu geführt haben.  

 

Das Buch schließt mit dem Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen. Die Ansprüche und Erwartungen an Erwachsenenbildung haben sich auch durch die veränderte TeilnehmerInnenstruktur verändert. Davon ist, laut Maurer, nicht etwa ein Programm abzuleiten, das ausschließlich auf das spezifische Profil der Einrichtung abgestellt ist, sondern eines, das auf die gestreuten Interessen Rücksicht nimmt und trotzdem die Organisation nicht überfordert. Sein Fazit: „Gerade weil diese inhaltlich wesentlichen Schwerpunktveranstaltungen punktuelle Ereignisse bleiben und sich dadurch von anderen Programmpunkten abheben, machen sie das spezifische Profil einer Bildungseinrichtung aus.“ (S. 117.)

 

Peter Maurers Analyse sei allen empfohlen, die sich für die Entwicklung der (katholischen) Erwachsenenbildung in der österreichischen Nachkriegsgeschichte interessieren sowie allen, die Bildungsforschung mit Bildungspraxis enger verbinden wollen.

 

Maurer, Peter (2013): Bildungszentrum St. Bernhard: 40 Jahre Erwachsenenbildung zwischen kirchlichem Anspruch und gesellschaftlicher Entwicklung. Eine Programm-Analyse. Herausgegeben vom Verein zur Förderung des Bildungszentrums St. Bernhard. ISBN: 978-3-7322-5464-4. EUR 14,95.

Weitere Informationen:

Verwandte Artikel