EB Tirol: "Großer Wurf“ für Erwachsenenbildung nötig

11.12.2013, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Das Vererben von Bildungsniveaus sei bei 1 Million Erwachsener mit Leseschwierigkeiten nicht überraschend, meint die Erwachsenenbildung Tirol zu den Ergebnissen von PISA und PIAAC.
EB Tirol sieht nach PISA und PIAAC Handlungsbedarfe
Grafik: Erwachsenenbildung Tirol
Auch wenn sich die aktuellen PISA-Ergebnisse in die richtige Richtung entwickeln, bleiben die großen Herausforderungen in Österreich bestehen, erklärt Ronald Zecha, Vorsitzender der Erwachsenenbildung Tirol in einer aktuellen Aussendung. Nach wie vor verlassen zu viele Jugendliche mit Schwierigkeiten in den Kulturtechniken die Schule und nach wie vor werden geringe Bildungsniveaus mit zu hoher Wahrscheinlichkeit von den Eltern an die Kinder weitergegeben. „Hier in schulischen Maßnahmen allein die Lösung zu suchen, greift zu kurz. Genau so wichtig ist es, im vorschulischen Bereich und in der Erwachsenenbildung anzusetzen“.

Erwachsene zur Teilnahme an Weiterbildung motivieren
Aus der im Herbst veröffentlichten PIAAC-Studie („Erwachsenen-PISA“) ist bekannt, dass in Österreich etwa eine Million Menschen Schwierigkeiten beim Leseverständnis eines längeren Textes haben. Man könne davon ausgehen, dass sich unter diesen viele Eltern und Großeltern befinden, so Zecha. Und weiter: „Es ist nicht nur aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit notwendig, diese Menschen zur Teilnahme an der Weiterbildung zu motivieren und vom persönlichen Nutzen des lebenslangen Lernens zu überzeugen. Denn dadurch tragen wir dazu bei, in den Familien, wo es am notwendigsten ist, ein bildungsfreundliches und auch für die Kinder motivierendes Klima zu schaffen und so dem unerwünschten sozioökonomischen Effekt entgegenzuwirken“.

Handlungsfelder der Erwachsenenbildung aus Sicht der Tiroler Erwachsenenbildung

Aus einer Zusammenschau der PISA-Studie mit der vor rund zwei Monaten veröffentlichten PIAAC-Studie, in der die Leistungen der 16- bis 65-Jährigen untersucht worden waren, ergeben sich aus Sicht der Tiroler Erwachsenenbildung für die neue Regierung folgende dringenden Handlungsfelder:

1.) Die Initiative Erwachsenenbildung, in der Bund und Länder das Nachholen des Pflichtschulabschlusses und das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen kostenlos ermöglichen, muss auf ein Vielfaches ausgeweitet werden. Dabei reicht es nicht, lediglich Interessierten diese grundlegenden Bildungsangebote anzubieten, künftig müssen auch vermehrt Maßnahmen gesetzt und finanziert werden, die Betroffene zum Nachholen dieser wichtigen Bildungsziele motivieren.

2.) Aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit und als Maßnahme zur Vermeidung des sozioökonomischen Effekts (Vererben des Bildungsniveaus) muss durch öffentliche Mittel sichergestellt werden, dass allen Menschen, auch den sozial Schwächeren, und vor allem den Bildungsfernen, künftig die Teilnahme an der Erwachsenenbildung möglich ist. Niemand soll aus finanziellen Gründen von grundlegendem Wissen, Kompetenzen, kreativer- und Wertebildung und Körper- und Gesundheitsbildung ausgeschlossen sein. Dies sollte im Sinne des in der LLL-Strategie des Bundes formulierten Zieles "Erhöhung der Lebensqualität in der nachberuflichen Lebensphase durch Bildung" ausdrücklich auch für finanziell schlechter gestellte PensionistInnen gelten. Von großer Bedeutung ist dabei die Sicherstellung und Weiterentwicklung eines regionalen und kontinuierlichen Grundangebotes, das jene Themen und Inhalte umfasst, die die Menschen in jeder Region eines Landes unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Herkunft und geografischer Entfernung für ihre persönliche Entfaltung, die soziale Integration, eine aktive Bürgerschaft und die Beschäftigung benötigen.

3.) Empfohlen wird auch eine längerfristig angelegte, ausreichende Finanzierung der gemeinnützigen, öffentlich anerkannten Erwachsenenbildungseinrichtungen und auch höherer Bildungsangebote wie der Berufsreifeprüfung. Damit soll sichergestellt werden, dass den Menschen qualitativ hochwertige Weiterbildungschancen auch dann geboten werden können, wenn sie sich mit Teilnahmebeiträgen nicht kostendeckend finanzieren lassen. Dazu gehören auch die Weiterentwicklung der öffentlichen Bibliotheken als wichtige Orte der Leseförderung und eine verstärkte Koordination zwischen Weiterbildungseinrichtungen und öffentlichen Bibliotheken.

Wenn die Bekenntnisse der Politik zur Bildung nicht nur leere Worthülsen sein sollen, sondern – dem oft angekündigten neuen Stil entsprechend – ernst gemeint sind, dann muss endlich in die Erwachsenenbildung investiert werden, heißt es inder Aussendung. „Die Initiative Erwachsenenbildung, mit der Erwachsenen das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen oder das Nachholen des Pflichtschulabschlusses kostenlos ermöglicht wird, sind erste gute Ansätze aus der letzten Regierungsperiode. Wenn allerdings der Bund dafür pro Jahr weniger Geld zur Verfügung stellt wie für zwei Gymnasien (!), zeigt das bereits die Grenzen auf. Im Sinne einer messbaren Verbesserung und der Schaffung einer grundlegenden Bildungsgerechtigkeit sind Bund und Länder gefordert, die Erwachsenenbildungsbudgets in den nächsten Jahren zu vervielfachen und Programme auszuarbeiten, mit denen vor allem auch Menschen angesprochen werden können, die sich aus eigener Kraft Weiterbildung nicht leisten können“, erklärte Zecha die Notwendigkeit eines „großen Wurfs“ für die Erwachsenenbildung.

Warnung vor Kürzungen
Nach Zechas Meinung sind die derzeitigen KoalitionsverhandlerInnen gefordert. Aber auch die Bundesländer tragen hier Verantwortung: „Es darf nicht unkommentiert bleiben, wenn die Politik einerseits laufend den Wert der Bildung betont und dann andererseits beispielsweise die neue Salzburger Koalition als eine der ersten Maßnahmen die ohnehin weit unter dem Schulbudget liegenden Mittel für die Erwachsenenbildung drastisch kürzt. PIAAC und PISA zeigen, dass das genau der falsche Weg ist und Bildung zum Luxusgut werden lässt. Eine derartige Politik wird sowohl den finanziell schlechter gestellten Erwachsenen als auch deren Kindern auf den Kopf fallen“, will Zecha aufzeigen. Gerade der Blick in die skandinavischen Länder zeige, dass eine gut funktionierende und ausreichend ausgestattete Erwachsenenbildung einen unverzichtbaren Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit auch der jungen Menschen leistet. Denn diese schneiden nicht nur bei den Studien hervorragend ab, sie haben auch schon längst das Konzept des lebenslangen Lernens erfolgreich umgesetzt.

Quelle: Pressemitteilung der "Erwachsenenbildung Tirol", red. bearb.

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