Ökonomische Grundbildung für Migrantinnen schützt vor Schulden

18.09.2013, Text: Elisabeth Andessner, Projektnetzwerk Lernzentren - MigrantInnen, Verein Miteinander Lernen
Neues Projekt "Puzzle Wirtschaft" vermittelt Wirtschaftswissen für den Alltag.
Foto: (C) iStockphoto.com/Rinelle
"Puzzle Wirtschaft": Ökonomie in groben Zusammenhängen verstehen lernen
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„Puzzle Wirtschaft – Wissensbausteine zu Ökonomie“, unter diesem Titel führt der Verein Miteinander Lernen-Birlikte Ö?renelim ein Projekt durch, das türkischen Zuwanderinnen die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fakten und Zusammenhängen in ihrer Erstsprache ermöglicht.

 

Zuwanderinnen besonders armutsgefährdet

Wirtschaft betrifft alle Frauen, ob als Arbeitnehmerinnen, Unternehmerinnen, Produzentinnen oder Konsumentinnen. Für Migrantinnen ist allerdings der Zugang zu ökonomischem Wissen und Praxis aufgrund der sprachlichen, rechtlichen und sozialen Situation oft besonders schwierig. Laut Statistik Austria 2010 sind 31 Prozent der besonders stark armutsgefährdeten Personen ohne österreichische oder EU-Staatsbürgerschaft, weiters betrifft Armut und soziale Ausgrenzung vermehrt Frauen und deren Kinder. „Viele Begriffe aus der Wirtschaft, die in den Medien, bei Geldgeschäften und im Alltagsleben im Gebrauch sind, sind bildungsfernen Menschen zwar bekannt, deren Bedeutung wird jedoch nur in geringem Maße verstanden. Aufgrund dieses Unwissens werden oft Kaufverträge, Bürgschaften oder Kredite unterschrieben, ohne die genauen Folgen zu kennen. Die Konsequenz ist häufig Verschuldung, was sogar zur Gefährdung des legalen Aufenthaltes führen kann“, meint Ay?e Aktuna, Sozialberaterin des Vereins Miteinander Lernen.

 

Vom Mikrokosmos des Haushaltes zum Makrokosmos der Weltwirtschaft

In den von zwei mehrsprachigen Trainerinnen geleiteten Workshops werden anhand von praxisorientierten Methoden und Planspielen Begriffe wie Globalisierung, Volkswirtschaft, Einkommensschere, Mindestsicherung, Kollektivvertrag, Steuern etc. erläutert und erklärt. Laut der Workshopleiterin Judith Hanser ist dabei „die Verbindung zum eigenen Alltag und zur eigenen Lebenspraxis wesentlich. Ökonomisches Wissen und die Fähigkeit, selbstbestimmt in wechselnden ökonomischen Handlungssituationen agieren zu können, sind grundsätzliche Voraussetzungen für die Teilhabe eines Menschen an der Gesellschaft.“

 

Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge als Chance für Frauen

Die Teilnehmerinnen der Workshops sind Frauen mit türkischem Migrationshintergrund und basalen Kenntnissen in der Zweitsprache Deutsch, deren Lese-, Schreib-, Rechen-, Informations- und Kommunikationstechnikkompetenzen niedrig sind. Ihre mitgebrachten Erfahrungen und ihr Vorwissen bestimmen den Ablauf der Workshops. In dynamischen Diskussionen setzen sich die Teilnehmerinnen mit ihren eigenen Wertvorstellungen und Handlungsmustern auseinander. „Durch die Workshops habe ich gelernt, wie Wirtschaft in groben Zusammenhängen funktioniert. Ich kaufe jetzt viel bewusster ein, nämlich lokale Produkte, die keine weiten Transportwege hinter sich haben und damit die Umwelt nicht schädigen oder Waren, von deren Herstellern ich weiß, dass sie ihre Mitarbeiter gut bezahlen“, berichtet die Workshopteilnehmerin Döne S.

 

Wissenschaftliche Begleitung des gesamten Projekts

Die Entwicklung des Curriculums und die Konzeption orientieren sich prozesshaft am Ablauf der Workshops. Unmittelbar vor und nach den Workshops finden Reflexionssitzungen statt, um die Inhalte optimal an die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen anzupassen. Die Sichtung, Evaluation und Überarbeitung erfolgen mit wissenschaftlicher Begleitung. Das Projekt wird aus Mitteln der Europäischen Union und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur gefördert.

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