Deutschland: Arbeitsversicherung soll Weiterbildung fördern

23.05.2013, Text: Tamara Zinggl, Online-Redaktion
Im Nachbarland wird ein Modell der Arbeits- und Beschäftigungsversicherung als Mittel gegen stagnierende Weiterbildungsbeteiligung diskutiert.
In der Beteiligung an Weiterbildung bestehen erhebliche Ungleichheiten. Zu diesem Ergebnis gelangte eine kürzlich veröffentlichte deutsche Studie, die von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben worden war. Geht es nach den ForscherInnen bzw. AutorInnen der Studie - Bernd Käpplinger, Claudia Kulmus und Erik Haberzeth von der Humboldt-Universität zu Berlin -, könne man diesen Ungleichheiten mit einem neuartigen Modell einer Arbeits- und Beschäftigungsversicherung besser als bisher begegnen.

"Weiterbildungsschere" in Deutschland
Die Strukturen und Muster der Teilnahme an Weiterbildung unterscheiden sich in Deutschland nach sozialen Gruppen, Branchen und Betriebsgrößen. Selektionsfaktoren sind die Erwerbstätigkeit sowie der schulische und berufliche Bildungshintergrund. Es kann also von einem "sozialen Gefälle" oder einer "Weiterbildungsschere" gesprochen werden. Die AutorInnen sind der Meinung, dass eine Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung wie auch die Weiterentwicklung des Weiterbildungssystems von einer Klärung strukturpolitischer Rahmenbedingungen abhängt. Sie verweisen auf den nationalen Bildungsbericht, der diesbezüglich eine verbesserte Institutionalisierung der Weiterbildung fordert und setzen diese Forderung in Beziehung zum strukturellen Ansatz einer Beschäftigungs- und Arbeitsversicherung.

Perspektiven einer Arbeits- und Beschäftigungsversicherung
Das in Deutschland diskutierte Modell einer Arbeits- und Beschäftigungsversicherung entstand aufgrund eines Vorschlags von Wirtschaftswissenschafter Günther Schmid. Der Kerngedanke dieses Modells ist, nicht nur Einkommensrisiken bei Arbeitslosigkeit, sondern auch Einkommens- und Erwerbsrisiken bei riskanten Übergängen zwischen verschiedenen Arbeits- und Beschäftigungsformen abzusichern und durch eine lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik zu unterstützen. Durch diese Versicherung soll es den Beschäftigten möglich sein, Eigeninteressen in Qualifizierungsfragen eigenverantwortlich zu verfolgen.

Förderung von individueller und betrieblicher Nachfrage sowie des Angebots
Das Versicherungsmodell soll auf drei Säulen stehen. Die ersten beiden Säulen "Individueller Zugang" und "Betrieblicher Zugang" sind gleichberechtigt. Das heißt, jede/r Beschäftigte hat in der ersten Säule ein individuelles Versicherungsbudget, über das nur er/sie etwa für Weiterbildungen verfügen darf. In der zweiten Säule wird ein betriebliches Versicherungsbudget sichergestellt, über das Betroffene in Absprache mit dem aktuellen Arbeitgeber verfügen können. Diese beiden Säulen stellen eine Nachfrageförderung dar.

 

Weil die Nachfrage allein aus Sicht der AutorInnen nicht die Chancengleichheit der Individuen sicherstellt, ist es ihrer Ansicht nach auch wichtig, eine Angebotsförderung bereitzustellen. Über die dafür eingerichtete dritte Säule sollte ein flächendeckendes Beratungsangebot (mit-)finanziert werden, in dessen Rahmen eine Professionalisierung des Weiterbildungspersonals unterstützt sowie innovative Weiterbildungsangebote entwickelt werden können.

Offene Fragen
Einige Fragen bezüglich des Modells sind noch ungeklärt: Welche Formen von Weiterbildung können abgerechnet werden - nur Kurse oder auch arbeitsplatznahes Lernen? Kann Beratung/Coaching auch als Leistung abgerechnet werden? Welche Voraussetzungen müssen Weiterbildungsanbieter erfüllen? Welche Institution/Instanz kontrolliert und entscheidet über die Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung der Förderbestimmung? All diese Fragen erfordern weitere Überlegungen.

Weiterbildungsbeteiligung in Österreich
Nach Angaben der Statistik Austria nehmen in Österreich insgesamt 5,9% der 25- bis 64-Jährigen an formaler Bildung und 45,5% an nicht-formaler Bildung teil. Etwa mehr als ein Viertel gibt an, sich informell weiterzubilden, vier von zehn Personen nehmen gar keine Weiterbildung in Anspruch. Hinsichtlich des Bildungsabschlusses ist zu erkennen, dass Personen mit Pflichtschulabschluss als höchste Ausbildung mit 66,3 % in keiner Weiterbildungsmaßnahme beteiligt sind.

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