Schaffen Fonds mehr Chancen auf Weiterbildung?

12.04.2013, Text: Wilfried Hackl u. Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
ForscherInnen präsentieren Umlagefonds als erfolgreiches Steuerungsmodell betrieblicher Weiterbildung - auch für Österreich?
Betriebliche Weiterbildung hat einen hohen Stellenwert in Österreich, 87 % der Unternehmen sind laut neuesten Auswertungen von Statistik Austria weiterbildungsaktiv. Vor allem große und wissensintensiv arbeitende Betriebe investieren in die Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen, während die Angestellten kleinerer Betriebe oder auch gering Qualifizierte weniger Chancen auf Weiterbildung haben. Wie man für einen gerechteren Zugang zu betrieblicher Bildung sorgen kann, zeigt das aktuelle "Magazin erwachsenenbildung.at" am Beispiel niederländischer Weiterbildungsfonds für Unternehmen. Experten der Sozialpartner sehen das Modell allerdings ambivalent: Michael Tölle (AK Wien) hält die Auseinandersetzung mit umlagefinanzierter Weiterbildung für lohnend auch für Österreich. Thomas Mayr (WKO) hingegen sieht dadurch die selbstverantwortete Weiterbildungskultur der Unternehmen gefährdet.

Betriebliche Weiterbildung in Österreich
Der aktuelle Bericht "Bildung in Zahlen" der Statistik Austria zeigt, dass Österreichs Betriebe im europäischen Vergleich die höchste Rate an weiterbildungsaktiven Unternehmen aufweisen. Rund ein Drittel aller Beschäftigungen nahm im Laufe des Berichtsjahres 2010 an betrieblichen Weiterbildungskursen teil. Am Gesamtvolumen der beruflichen Weiterbildungskosten tragen die Unternehmen laut einer Untersuchung des IHS aus dem Vorjahr 40 % oder 1,341 Mrd (siehe Vogtenhuber in Meb 17, 2012), den Rest tragen private Haushalte, staatliche Stellen und Arbeitsmarktservice. Für die Angestellten gilt: Je geringer die Qualifikation, je niedriger das Einkommen und je kleiner der Betrieb, umso schlechter stehen die Chancen auf den Genuss betrieblicher Weiterbildung (siehe Erler in Meb 17, 2012).

Fonds sollen Weiterbildungsausgaben krisenresistenter machen
Carola Iller, seit dem Vorjahr Professorin für Erwachsenenbildung und Lifelong Learning an der Universität Linz, geht in der aktuellen Ausgabe der Open Access Zeitschrift "Magazin erwachsenenbildung.at" gemeinsam mit ihrem Kollegen Dick Moraal vom deutschen Bundesinstitut für berufliche Bildung der Frage nach, wie eine gesellschaftliche Steuerung der betrieblichen Weiterbildung angesichts arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Ziele möglich ist. Am Beispiel tariflicher Weiterbildungsfonds in den Niederlanden und der Sozialpartnerrichtlinie in Deutschland zeigen sie auf, wie sich kollektive Vereinbarungen und öffentliche Förderung sinnvoll ergänzen lassen.

In Folge einer rezessiven Phase Ende der 1970er Jahre suchte man in den Niederlanden nach einem Weg, um Unternehmen und Beschäftigte weniger anfällig für konjunkturelle Entwicklungen zu machen. Seither zahlen Unternehmen pro Mitarbeitenden einen Betrag - anfänglich waren es 10 Gulden - in einen Fonds ein, aus dem dann die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen bezahlt werden. Der Staat schießt zeitlich befristete Projektfördermittel zu, auch Gelder des Europäischen Sozialfonds werden über die Fonds verwaltet. Durch die umlagefinanzierte Ausgleichsregelung beteiligen sich alle Unternehmen an der Finanzierung. Wer in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter investiert, erhält aus den Fonds eine gesellschaftliche Kompensation. In Deutschland betrifft die Fondslösung nur wenige Branchen. Hier setzt man mehr auf Qualifizierungstarifverträge, auf deren Grundlage sich zum Beispiel der Betriebsrat in die Bedarfsermittlung und Planung der Weiterbildungsaktivitäten einbringen kann.

Experten zwischen Bejahung und Sorge
Michael Tölle von der Arbeiterkammer Wien steht der Fondslösung, die im Fall der Niederlande immerhin 9 von 10 Beschäftigen betrifft, sehr positiv gegenüber. "Für Österreich wäre ein Modell der umlagefinanzierten Weiterbildung unter Einbindung der Sozialpartner denkbar." Allerdings sei eine nationale und keine sektorale Lösung wie in den Niederlanden zu bevorzugen, wo es weit über hundert Einzelfonds gibt. "Für ein kleines Land wie Österreich macht nur ein einheitlicher Fonds Sinn, der alle Unternehmen umfasst und nicht immer wieder neu auszuhandeln wäre". Gleichzeitig müsse geregelt werden, in welchem Umfang Mitarbeiter jährlich mindestens für Weiterbildung freigestellt werden. Nähme man etwa Frankreich zum Vorbild, wo es ebenfalls ein Fondsmodell gibt, wären dies 20 Stunden pro Jahr.

Thomas Mayr aus der Abteilung Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich sieht wegen der ohnehin guten Einbindung der Sozialpartner in die Steuerung der beruflichen Bildung wenig Anlass, auf das Fondsmodell zu setzen. Die Erfahrungen aus Frankreich zeigten laut Mayr, dass die Betriebe mit den Ergebnissen umlagefinanzierter Weiterbildung nicht zufrieden seien. "Die Sozialpartnerinstitute WIFI und BFI sind Marktführer beim Weiterbildungsangebot und arbeiten bedarfsorientiert." Das sichere effiziente Weiterbildung und das Ergebnis passe. Bildungsfonds hingegen würden die ausgleichende Equitylogik der selbstverantwortlichen Effizienzlogik vorziehen und damit die Motivation der Betriebe untergraben. "Die Unternehmen sollen selbst entscheiden, wer sich weiterbilden darf. Equity im Sinne von Förderungen für Ältere, Wiedereinsteigerinnen und Bildungsferne usw. sollte aber von der öffentlichen Hand kommen".

Online-Zeitschrift "Magazin erwachsenenbildung.at" fördert Diskurs
In der aktuellen Ausgabe des "Magazin erwachsenenbildung.at" thematisieren 14 AutorInnen aus Wissenschaft und Bildungsmanagement die Steuerung der Weiterbildung unter dem Begriff der Governance, und zwar auf breiter Basis. Die Beiträge spannen auf 128 Seiten einen Bogen von der Geschichte politischer Steuerung österreichischer Erwachsenenbildung über theoretische Modelle und Ansätze von Governance bis hin zu konkreten und aktuellen Ergebnissen von Governance-Prozessen, wie der Initiative Erwachsenenbildung oder dem Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung in Österreich (Ö-Cert).

Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung gemeinsam mit dem BMUKK dreimal jährlich herausgegeben und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des BMUKK gefördert. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen. Das Magazin erscheint parallel zur kostenlosen Online-Ausgabe auf www.erwachsenenbildung.at/magazin auch im BoD-Verlag und ist als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis erhältlich.

Die nächste Ausgabe des Magazins im Juni 2013 wird sich unter dem Schlagwort "Community Education & Community Development" neuen Konzepten der Gemeinwesenarbeit in der Erwachsenenbildung widmen. Der Call zur Oktober-Ausgabe über Didaktik in der Erwachsenenbildung ist noch bis Anfang Juni für Einreichungen offen.
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