Lernen auf Europäisch

29.03.2013, Text: Michaela Schneider, BFI Österreich
Das EU-Bildungsprogramm ermöglicht Studienbesuche. Auch die Erwachsenenbildung kann von transnationalem Austausch und neuen Kontakten profitieren.
Wie sieht ein Studienbesuch aus?
Ein Studienbesuch dauert zwischen drei und fünf Tage. Gruppen von meist zehn bis fünfzehn ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen unterschiedlicher Bildungsbereiche aus verschiedenen EU-Ländern informieren sich in einem der 27 EU-Mitgliedsstaaten, in Island, Kroatien, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz oder der Türkei über einen spezifischen Aspekt des lebenslangen Lernens. Sie hören von erfolgreichen politischen Initiativen und Beispielen guter Praxis und treffen KollegInnen aus anderen Ländern. Neben theoretischen Vorträgen stehen Besuche in Bildungseinrichtungen, Ministerien, Ausbildungsstätten, Berufsberatungszentren u. Ä. auf dem Programm. Dabei haben die TeilnehmerInnen auch Gelegenheit, eigene Erfahrungen und Informationen über einschlägige Ansätze in ihren Herkunftsländern weiterzugeben. Für den beruflichen Alltag ist nicht nur das neu gewonnene Wissen nützlich, sondern auch die Netzwerke, die sich auf einem Studienbesuch aufbauen lassen.

Wo kann ich mich bewerben?
Die Nationalagentur für lebenslanges Lernen lädt zweimal jährlich zur Bewerbung ein. Das gesamte Besuchsangebot eines Jahres ist in einem Katalog zusammengestellt, den Cedefop, das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung, als europaweiter Koordinator des Studienbesuchsprogramms herausgibt. Dort sind die einzelnen Studienbesuche übersichtlich nach Themenbereichen und Terminen gegliedert. Hat man anhand der Beschreibungen von Inhalten und Zielen Besuche gefunden, die den eigenen beruflichen Interessen entsprechen, kann man online ansuchen. Der nächste Aufruf – für Studienbesuche, die zwischen März und Juni 2014 stattfinden –, läuft von 22. Juli bis 15. Oktober 2013.

Studienbesuche in Zahlen
Laut Cedefop nehmen jährlich etwa 2.700 Personen an rund 250 Studienbesuchen teil. Hochgerechnet auf die gesamte Programmdauer (2007-2013) sind das immerhin an die 19.000 Menschen. Für Österreich nennt Heidrun Thomas, in der Nationalagentur verantwortlich für die Umsetzung des Programms hierzulande, aktuell ein Jahreskontingent von 59 TeilnehmerInnen. Sechs Studienbesuche richten österreichische OrganisatorInnen jedes Jahr aus, und das "sehr erfolgreich", wie Thomas versichert.

Aus eigener Anschauung
Als Mitarbeiterin des BFI Österreich bin ich selbst gerade von einem viertägigen Aufenthalt in Leicester (Großbritannien) zurück. Unter dem Titel "Health and Social Care: Education for Employment and Career Progression" beleuchtete der Studienbesuch Aus- und Weiterbildungen in Gesundheits- und Sozialberufen auf Beschäftigungsfähigkeit und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten hin. Präsentationen und Diskussionen mit VertreterInnen verschiedener Bildungsstätten und Arbeitgeber in Leicester und Umgebung und der Austausch mit den anderen StudienbesuchsteilnehmerInnen aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Rumänien, der Tschechischen Republik und Ungarn waren ausgesprochen informativ und lehrreich. Ein detaillierterer Bericht, der die Eindrücke der gesamten Studienbesuchsgruppe wiedergibt, wird auf der Cedefop-Website zur Verfügung stehen. Er fasst die wichtigsten Programmpunkte und Vorzeigepraktiken der entsendenden Länder und des Gastlandes zusammen.

Gelebte EU
Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, andere Zugänge kennen zu lernen, sich mit innovativen Ansätzen zu befassen und mit KollegInnen aus Europa zu vernetzen – all das ist beruflich wie persönlich höchst lohnend und empfehlenswert. Die so geknüpften Kontakte lassen sich vielfältig nutzen, auch für gemeinsame Projekte. Nicht zuletzt haben Studienbesuche noch eine zusätzliche Dimension, eine Art "europäischen Mehrwert", der darin liegt, dass das gemeinsame Europa dank solcher Weiterbildungsmöglichkeiten unmittelbar erlebbar ist. Erfreulich war außerdem, dass sich der administrative Aufwand rund um den Studienbesuch auf ein Minimum beschränkte – unbürokratischer geht es kaum.

Studienbesuche auch nach 2013?
Wie die Zukunft der Studienbesuche aussieht, darüber lässt sich vorläufig nicht viel sagen. In der nächsten Planungsperiode (2014-2020) wird es das Programm zwar so nicht mehr geben, die Zielgruppe sollte allerdings auch weiterhin berücksichtigt sein. In der Nationalagentur rechnet Heidrun Thomas nicht vor dem Sommer mit genaueren Informationen seitens der Europäischen Kommission. Bleibt zu hoffen, dass die Studienbesuche angesichts der sehr positiven Erfahrungen in irgendeiner Form eine Fortsetzung finden.
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