Kompetenzen von BürgerInnen

22.03.2013, Text: Katharina Pukl, Online-Redaktion
Europäisches Jahr der BürgerInnen ruft nach einer Aufwertung Politischer Bildung und Anerkennung damit verbundener Fähigkeiten.
2013 ist das "Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger". Es hat zum Ziel, Menschen über ihre Rechte und Möglichkeiten als EU-BürgerInnen aufzuklären. So soll auch die in einer Empfehlung des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2006 beschriebene BürgerInnenkompetenz ausgebaut werden. Im Rahmen einer Projektstudie des Österreichischen Instituts für Erwachsenenbildung (oieb) wurde versucht, BürgerInnenkompetenz als Qualifikation zu beschreiben und sie dem Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) zuzuordnen.

Anpassung von BürgerInnenkompetenz an das Angebot der österreichischen Erwachsenenbildungslandschaft
BürgerInnenkompetenz zählt zu den Europäischen Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen. Die Europäische Kommission unterteilt BürgerInnenkompetenz in Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen. Beispielsweise beinhaltet dies Kenntnisse über Konzepte von Demokratie, StaatsbürgerInnenschaft sowie BürgerInnenrechte (z.B. Charta der Grundrechte der EU). Aufgabe im Verlauf der Projektstudie des oieb war es, die Beschreibungen der Europäischen Kommission zu BürgerInnenkompetenz mithilfe verschiedener inhaltlicher Quellen, z.B. der Beschreibungen von Lehrgangsangeboten, zu erläutern, zu ergänzen und an die Heterogenität und Breite des formalen wie auch non-formalen Angebots in der österreichischen Erwachsenenbildungslandschaft anzupassen.

Im Rahmen der Studie wurde versucht aufzuschlüsseln, welches Wissen und welche Fertigkeiten und Kompetenzen vonnöten sind, um an politischen Prozessen partizipieren bzw. solche selbst initiieren zu können. Das Angebotsspektrum Politischer Bildung ist breit gefächert und reicht von Themen der Politik und Gesellschaft über Fragen der Interkulturalität und Ethik bis hin zu Gesundheit und Umwelt. Als Ergänzung zu den Angeboten der Erwachsenenbildung wurden Curricula aus dem formalen Bildungsbereich (Schulen, Universitäten etc.) und Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung miteinbezogen. Die Idee hinter der Studie war, politisch engagierten BürgerInnen die Möglichkeit zu bieten, erworbenes Wissen sowie Fertigkeiten und Kompetenzen sichtbar zu machen, um sie beispielsweise im Berufsleben anerkennen zu lassen. Demnach ging es nicht darum, "jede Art politischen Handelns zertifizieren zu wollen", betont Ingolf Erler vom oieb, Leiter der Projektstudie.

Mangelndes Interesse an Politischer Bildung und die Frage nach der Sinnhaftigkeit
Laut einer Erhebung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2010 sind sich knapp 50 Prozent der EU-BürgerInnen ihrer Rechte und Möglichkeiten nicht bewusst bzw. darüber unzureichend informiert. Diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit die BürgerInnenkompetenz ausreichend ausgeprägt und das Interesse an Politischer Bildung vorhanden sind. Angebote der allgemeinen und politischen Erwachsenenbildung werden laut Erler zumeist nur von jenen Personen genutzt, die ohnehin bereits politisch engagiert und interessiert sind. Dabei wäre es wichtig, das Interesse an Politischer Bildung über diesen Kreis hinaus zu erweitern. "In einigen Projekten wird bereits versucht auf unkonventionelle Weise Politische Bildung anzubieten und diese müssten unterstützt und noch weiter ausgebaut werden", so Erler. In Tulln wurde beispielsweise 2011 die Initiative "Netzwerk Nachbar" gestartet, um dem Zerfallen sozialer Netzwerke entgegen zu wirken. Die Gemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl sollen gestärkt werden, indem z.B. Eltern-Kind-Gruppen und Spielenachmittage organisiert werden. So sollen BürgerInnen mehr in das Gemeinwesen eingebunden werden. Seiner Auffassung nach wäre es auch denkbar, dass neue KursteilnehmerInnen gewonnen werden könnten, wenn die Kursangebote der Politischen Bildung einen persönlichen Nutzen mit sich bringen und die Sinnhaftigkeit für die Teilnehmenden gegeben ist. Mit der Zuordnung von Politischer Bildung zum NQR sollte es Erler zufolge vor allem Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen möglich gemacht werden, die Lernergebnisse aus Politischer Bildung am Arbeitsmarkt nachweisbar und nutzbar zu machen. Ob dadurch die Nachfrage nach Kursen der Politischen Bildung steigt, bleibt dennoch offen.

"Demokratie benötigt Menschen, die sich ihrer Rechte bewusst sind"
Die Angebote der allgemeinen Erwachsenenbildung zur Politischen Bildung sollen sich laut Erler nicht ausschließlich an den Arbeitsmarktbedingungen orientieren. Das Nutzbarmachen und die Nachweisbarkeit von BürgerInnenkompetenz am Arbeitsmarkt können aber durchaus als Ansporn zur Politischen Bildung betrachtet werden. Die Einordnung von BürgerInnenkompetenz in den Qualifikationsrahmen widerspricht nach Erler dem humanistischen Gedanken der Erwachsenenbildung, der auf dem intrinsischen Wert von Lernen beruht. Für den Bereich der Politischen Bildung ist diese Zuordnung jedoch aufgrund eines breiten Angebots auf verschiedenen Bildungsniveaus (von der Basisbildung bis zur postgradualen Bildung) durchwegs vorteilhaft. Politische Bildung bzw. BürgerInnenkompetenz bringt nicht nur den BürgerInnen einen persönlichen Nutzen, sondern auch die EU profitiert von einer stärkeren politischen Teilhabe und Bewusstseinsbildung. "Demokratie benötigt Menschen, die sich ihrer Rechte bewusst sind und sich in gemeinsame Entscheidungsprozesse einbringen", erklärt Erler. Im Sinne der Demokratie ist die Einbringung in regionale, lokale, nationale und europäische Angelegenheiten von großer Bedeutung. BürgerInnen sollen fähig sein, von ihren eigenen Rechten Gebrauch zu machen und darüber informiert sein, ihre Anliegen zur Sprache zu bringen und somit an der Entwicklung Europas mitzuwirken.

Aufwertung Politischer Bildung
Die Projektstudie sowie das EU-Jahr 2013 verlangen eine Aufwertung der Politischen Bildung. Die Rechte der EU-BürgerInnen sollen in den Mittelpunkt gerückt werden und es soll eine Bewusstseinsbildung für die eigenen Rechte, Möglichkeiten und Chancen stattfinden. Politische Bildung sowie BürgerInnenkompetenz sollen zudem Anerkennung am Arbeitsmarkt bringen und die Partizipation am politischen und gesellschaftlichen Geschehen erhöhen. Erler ist der Auffassung, dass auf europäischer Ebene zur stärkeren Einbindung und Partizipation noch viel passieren muss. EU-BürgerIn zu sein, meint auch "Wissen über das Gemeinwesen zu haben, sich zu engagieren und sich auch engagieren zu können", so Erler. Er wird daher gemeinsam mit Christian Kloyber vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung im Meb, dem "Magazin erwachsenenbildung.at" kommenden Juni eine Ausgabe über Community Education/Gemeinwesenarbeit herausgeben.

Weitere Informationen:

Serie: Europäisches Jahr 2013