Lernen mit dem Tablet-PC

01.03.2013, Text: Lukas Wagner, Online-Redaktion
Eine neue Generation Computer verändert die Lernwelten. Welche Rolle spielen die Tablets für das Lernen?
Sie sind leicht zu bedienen, ihr Akku hält den ganzen Tag lang aus und es gibt hunderttausende Apps, also Programme dafür: Tablet-PCs haben sich in den letzten Jahren im Massenmarkt durchgesetzt. Im Bereich der Bildung gilt vor allem das iPad von Apple als Vorreiter, etwa mit dem Bildungsdienst iTunes U. Es stehen Tools zur Erstellung und Veröffentlichung von interaktiven Schulbüchern zu Verfügung, für Schulen und Universitäten gibt es besondere Konditionen beim Kauf von Geräten. Schulversuche mit iPad-Klassen laufen in Österreich inzwischen seit einigen Jahren. Anfangs noch als "Fenster" zum Internet benutzt, gibt es inzwischen zahlreiche speziell für den Bildungsbereich zugeschnitte Apps und Tools.

Ziehen, Drücken, Wischen
Tablet-PCs punkten vor allem durch die einfache Bedienbarkeit. Videos von 2-jährigen Kleinkindern, die auf einem iPad durch ein Magazin wischen und die selbe Technik dann verzweifelt an einer Papierzeitung anwenden wollen, gibt es inzwischen zahlreich im Internet. Die natürliche Bedienung mittels Fingern und Gesten ermöglicht den raschen Einstieg in die Welt der kleinen Computer. Auch für SeniorInnen hat sich die einfache Bedienung als vorteilhaft erwiesen, wie etwa Frederick Schulz im Magazin erwachsenenbildung.at (Ausgabe 13, 2011) aufzeigte. Es sinkt die Hemmschwelle vor der Bedienung der manchmal unbekannten Technik, die Geräte haben wenige oder gar keine Knöpfe und können durch fehlerhafte Bedienung nicht zum "Absturz" gebracht werden.

Digitale Mini-Tafel für den dynamischen Vortrag
Ein Tablet-PC für Lehrende kann primär auf zwei Arten benutzten werden: Als Administrationsgerät oder interaktives Lerntool. Für administrative Zwecke gibt es eigene Apps und Websites, die das Erstellen virtueller Klassen(räume) ermöglichen oder helfen, Lernfortschritte zu dokumentieren. Ein Beispiel hierfür ist TeacherTool. Mit dieser App können Klassen und SchülerInnen administriert werden, Noten vergeben sowie Stundenpläne verwaltet werden. Als interaktive Lerntools dienen beispielsweise sogenannte Smartboard-Apps, die per kabelloser Verbindung mit dem Beamer als "mobile" Tafel benutzt werden können. Der/die TrainerIn kann sich frei durch den Raum bewegen und Präsentationen mit dem iPad steuern, gleichzeitig aber auch auf diesem schreiben bzw. Markierungen vornehmen - der Beamer spiegelt das Display des iPads. Präsentationen können aufgezeichnet oder mit eigenen Bildern angereichert werden. Hinzugefügte Anmerkungen können abgespeichert und am Ende der Unterrichtseinheit mit den Lernenden geteilt werden. Ein  Beispiel hierfür ist Doceri, das für Apple iOS ab Version 5 verfügbar ist.

Interaktive eBooks erlauben integrierten Wissenstest
Lernen kann mit dem Tablet eine neue Dimension erreichen. Deutlich wird das zum Beispiel bei digitalen Lernunterlagen. Während das klassische Sachbuch ein statischer Ausdruck ist, der über mehrere Jahre oft aufwändig überarbeitet und neu gedruckt werden muss, sind digitale Bücher hochdynamisch. Sie können verändert, neu zusammengestellt und mit Videos und Ton versehen werden. Lernende können einzelne Kapitel oder Seiten markieren, ausschneiden oder versenden. Sollte eine überarbeitete Auflage des Buches verfügbar sein, kann diese per Knopfdruck heruntergeladen werden. Es entstehen zwar Kosten für die Erstellung, nicht jedoch für den Druck und die Verteilung. Das Buch "merkt" sich die aktuelle Seite und durch kleine Zwischenfragen kann dem/der Lehrenden der Wissensstand unmittelbar rückgemeldet werden.

Information, überall verfügbar
Ein großer Vorteil der Tablet-PCs sind auch die überall verfügbaren Informationen. Jeder PC mit Internetzugang liefert diese Möglichkeit, doch ein Gerät, das nicht erst hochgefahren werden muss, ist damit längst zum allgegenwärtigen Nachschlagewerk geworden. Die Hauptstadt von Island kann ebenso schnell recherchiert werden, wie das englische Wort für Wäschetrockner. Im Online-Atlas können die Straßen von New York erforscht werden, Wikipedia verrät das Geburtsjahr von Sigmund Freud. Die Herausforderung im Umgang mit Informationen ist damit jedoch nicht geschwunden, sondern hat sich gewandelt, von der früheren Quellensuche hin zu einer Quellenbewertung. Lernende müssen entscheiden, welchen Informationen sie trauen können und welche Websiten vertrauenswürdig sind. Eine Herausforderung, die bei der Flut an Informationen und Inhalten nicht immer leicht zu meistern ist.

Information, aus aller Welt
Für die Pause zwischendurch oder die längere Busfahrt bietet sich auf Tablet-PCs auch das Lesen von Nachrichten an. Einige Anbieter haben sich auf das Zusammenführen von Meldungen und Informationen spezialisiert. Als Beispiel sei hier die App Flipboard genannt. Nach deren Installation wählt man einen vorgegebenen Themenbereich aus oder fügt eigene Quellen hinzu. Flipboard lädt anschließend aktuelle Nachrichten aus diesem Themenbereich und erstellt automatisch ein Magazin, welches Artikel aus den diversen Quellen enthält und immer auf dem neuesten Stand ist.  Auch e-Books können auf einem Tablet-PC bequem gelesen werden. Bei zahlreichen klassischen Werken gibt es kein Copyright mehr, diese sind als Public Domain Bücher frei verfügbar und können gratis heruntergeladen werden - z.B. bei iBooks oder Google Books. Mit der App "Onleihe" können zudem digitale Bücher aus der eigenen Stadt- oder Landesbibliothek direkt am iPad ausgeborgt werden.

Information, graphisch aufbereitet
Die Rechenleistung der Tablet-PCs reicht aus, um auch anspruchsvolle Berechnungen durchzuführen. Dadurch wird es möglich, komplexe Zusammenhänge graphisch darzustellen. Unterschiedliche wissenschaftliche Taschenrechner sind in den App Stores der Hersteller verfügbar. Ein bekanntes App ist Wolfram Alpha - hier wird die Rechenleistung aber von Servern in den USA geliefert. Wolfram Alpha kann Informationen jeder Art graphisch darstellen, solange diese in einem kompatiblen Format vorliegen. Das System wird von den Herstellern als Wissensberechnungs-System beworben. So kann es zum Beispiel die Frage beantworten, wie das Wetter in Graz am 1. Oktober 1988 war. Jedoch nicht auf Basis vorhandener Daten, sondern durch Berechnung der durchschnittlichen Wetterwerte der letzten 100 Jahre für die Region Graz. Ebenso kann Wolfram Alpha chemische Strukturformeln anzeigen oder die durchschnittliche Entwicklung der Weltbevölkerung auf einer Karte darstellen.

Unterwegs inspirieren lassen
Über die Jahre hat Apple mit dem Projekt iTunesU eine der größten digitalen Vorlesungssammlungen der Welt gebaut. Bei iTunesU könnten tausende Kurse und Seminare als Audio- oder auch als Videodatei gratis heruntergeladen werden. Namhafte Universitäten wie Harvard oder Oxford stellen Kursmaterial für Interessierte zur Verfügung. Die Themenbereiche gehen von Architektur bis Zoologie und können auf jedem Tablet-PC abgespielt werden. Ein ähnliches Konzept verfolgt TED. TED ist eine non-profit Organisation, die inspirierende Menschen aus den Bereichen Technologie, Entertainment und Design zusammenbringt. Es werden sogenannte TED-Talks, also Reden dieser Personen zu bestimmten Themen aufgezeichnet und anschließend gratis zu Verfügung gestellt. Zu zahlreichen persönlichen, aber auch wirtschaftlichen Bereichen gibt es bereits TED-Talks, die gratis abspielbar sind. In die gleiche Kategorie fällt RSA (Royal Society for the encouragment of Arts, Manufacturers and Commerce). Mit der RSA Animates Serie wurden Videos geschaffen, die auf leicht verständliche Art komplexe Prozesse und Geschehnisse des 21. Jahrhunderts darstellen - oder auch neue Konzepte und Ideen vorstellen. Diese Videos werden in einem handgezeichneten Stil dargestellt, wo zum gesprochenen Text eine Comiczeichnung als Übersicht und graphische Darstellung erstellt wird. Sowohl TED als auch RSA lassen sich mittels Podcats-Apps abonnieren.

Spielerisch Lernen
Besonders bei Kindern sind die unzäligen Lernspiele unter den Apps beliebt . Von sehr einfachen bis hin zu hochkomplexen Spielen sind alle Varianten verfügbar. Sie lehren beispielsweise das Alphabet, indem Buchstaben vorgezeichnet werden, die dann am Bildschirm mit dem Finger nachgemalt werden müssen. Die App "Erstes Schreiben, erstes Lesen" speichert den Lernfortschritt und "weiß" genau, welche Buchstaben gut und weniger gut beherrscht werden. Ähnliche Programme gibt es für Mathematik und viele andere Lerngegenstände. Logik-, Quiz- und Reflexspiele trainieren spielerisch oft gebrauchte Gebiete.

Qualität und Quantität
Die unterschiedlichen Lehr- und Lernapps für Tablet-PCs schwanken qualitativ zwischen ausgezeichnet und nicht zu gebrauchen. So kann es zur Herausforderung werden, aus den mitterlweise zehntausenden Bildungs-Apps die "Goldstücke" zu finden. Alle App Stores bieten den UserInnen die Möglichkeit installierte Apps zu bewerten - auf diese Bewertungen ist jedoch nicht immer Verlass. Einige namhafte Websiten testen Apps im Hinblick auf Qualität und Sicherheit. Jedoch besteht auch hier keine Sicherheit vor gekauften Bewertungen. In der Kategorie "Nicht zu gebrauchen" erlebt der/die UserIn im besten Falle nur einen Programmabsturz - im schlechtesten sind diese Apps sogenannte Datenkrallen, die Userdaten an Werbeanbieter weiterleiten und den Tablet-PC mit Werbeeinblendungen überschwemmen. Eine kurze Recherche im Internet vor der Installation eines neuen Apps lohnt sich eigentlich immer.

Kostenpunkt
Trotz der frei verfügbaren Informationen und gratis verfügbaren Apps ist ein Tablet-PC vor allem mit hohen Anschaffungskosten verbunden. Einfache Geräte sind ab 150,-- Euro zu haben, die Oberklasse beginnt bei 500,-- EUR. Dazu kommen Kosten für die Anschaffung von kostenpflichtigen Apps. Da die meisten Apps im Bildungsbereich nicht gratis sind, können hier ebenfalls Ausgaben entstehen, wenn auch in überschaubarem Rahmen. Der Zugang zu Informationen hingegen ist meistens kostenlos - viele E-Books, die TED-Talks und RSA Animates sowie Wikipedia, Google Maps und die Weiten des Internets sind, eine bestehende Internetverbindung vorausgesetzt, frei verfügbar.

Zukunft der Tablet-PCs
Tablet-PCs sind momentan der am schnellsten wachsende Markt in der IT-Branche. Fast täglich werden neue Geräte präsentiert, monatlich werden tausende neue Apps für die unterschiedlichen Plattformen veröffentlicht. Der Trend geht definitiv zum mobilen Lernen. iPad-Klassen, Lernapps für die Busfahrt, digitale Unterrichtsbücher und Unterrichtsmanagement per Tablet-PC sind wohl in dieser Entwicklung erst der Anfang. Die Zukunft wird digital - und mobil.
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