Untersuchung über neue Medien für ältere Frauen ausgezeichnet

12.12.2012, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Bildungsforscherin Solveig Haring erhält den diesjährigen Staatspreis für Erwachsenenbildung in der Kategorie Wissenschaft und Forschung.
Die Grazer Bildungsforscherin, Erwachsenenbildnerin und Künstlerin Solveig Haring widmet sich in einem Artikel der Präsenz bzw. Unsichtbarkeit älter werdender Frauen in den Neuen Medien. Der Artikel "Neue Medien - ‚alte' Frauen. Medienkompetenz für ein Aufweichen von Klischees", erschien in einer vorjährigen Ausgabe des Meb - Magazin erwachsenenbildung.at und wurde Anfang Dezember des Jahres mit dem Österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung 2012 in der Kategorie Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet. In Ihrer Begründung verwies die Jury vor allem auf die hochinnovative Wahl des Forschungsthemas. Die Redaktion führte ein Interview mit der Prämierten. Im Gespräch erzählt Haring über ihren Werdegang, ihre Forschungsanliegen und Visionen.

Abwesend oder klischeehaft fremdbeschrieben
Solveig Haring arbeitet mit vielfältigen Identitäten und verbindet sie: Vor rund neun Jahren begann Sie in ihrer künstlerischen Praxis digitale Videos herzustellen. "Ich war damals schon Gender- und Alternsforscherin und habe schnell gespürt, dass das Thema Neue Medien auch in meiner Forschung einen Platz haben könnte. So habe ich gefragt, wie es im Zusammenhang zu den Kategorien Geschlecht und Altern beschrieben werden kann." Die Abwesenheit der älteren Frauen sei deutlich gewesen, so Haring. Wo ältere Frauen vorkamen, waren es Klischee-stärkende Fremddarstellungen.

Ältere Frauen an einen Platz jenseits der Net-Generation verwiesen
Harings Thesen sind eindeutig und nachvollziehbar: In den Neuen Medien sind Ältere Frauen weitgehend unsichtbar. Negativ konnotierte Alterszuschreibungen verweisen sie an "ihren" Platz jenseits der Net-Generation. Das erschwert ihre soziale Teilhabe maßgeblich. Denn: wer nicht aktiv teilnimmt an der Gestaltung des Webs, wird nicht gehört. Gleichzeitig zeigt Haring Beispiele einer selbstbestimmten virtuellen Präsentation des individuellen Älterwerdens auf, weit entfernt von der vorherrschenden Fremdbestimmung und Klischees. Beispielsweise zeigt die Sängerin Lisa Koch in ihrem Lied über die Menopause "I am a Middle-Aged Woman" durch Übertreibungen und Witz einige Klischees auf.

Die Frauen in Ruhe lassen, wenn sie nicht wollen?
Solveig Haring erinnert sich an einen Vortrag, in dem sie an die anwesenden Frauen appelliert habe, sich mit Neuen Medien zu beschäftigen. Sie argumentierte, dass Frauen im Web unsichtbar seien oder verunglimpft dargestellt würden, aber Einblicke in Ihre Leben, Meinungen, Vorstellungen und Interessen Vorbildwirkung hätten. "Eine Repräsentation im Netz ist ein Beitrag zur Sichtbarmachung. Wer Neue Medien links liegen lässt, wird längerfristig gesellschaftlich und politisch nicht partizipieren können." Und: Ältere Frauen müssten lernen, das vielfach kritisch betrachtete Internet als Werkzeug für sich zu nutzen. Neue Medien dienen der Erhaltung sozialer Kontakte ebenso wie als Informations- und Wissensquelle, so Haring. Die Reaktionen auf ihren Appell überraschten sie aber: Seniorenstudentinnen und junge Frauen zeigten sich empört. "Ich solle die Frauen, wenn sie das nicht wollen, doch einfach in Ruhe lassen. Das ist ein typisches Argument, das ältere Frauen letztlich auf ihren Platz in den vorherrschenden Altersbildern - einen wohlverdienten Ruhestand - weist", so Haring.

Barrieren abbauen und Motivieren ist zentral
Das Thema hatte für Haring nicht nur am Schreibtisch Platz, sondern floss auch in ihre erwachsenenbildnerische Praxis ein. "So entwickelte ich einen Kurs zum Thema web 2.0 für ältere Frauen. Ziel ist es, Blogs zu erstellen, deren Inhalt sich mit dem eigenen Altern beschäftigt. Hauptarbeit bei der Durchführung ist das Motivieren: Sie können das! Probieren Sie noch einmal! Gerade ältere Frauen sind sehr streng mit der Mediennutzung. Das spielerische Ausprobieren ist ihnen fremd, der Auftrag bzw. Sinn der Mediennutzung muss ihnen klar sein", so Haring. Das Motivieren sei insofern eines der wichtigsten Prinzipien in der Praxis.

An die Zielgruppe angepasste Weiterbildungen nötig
Auf die Frage, welche Rolle ältere Frauen ihrer Meinung nach künftig in den Neuen Medien einnehmen werden, meint Haring: "Auch meine Generation und die nächsten Generationen werden zusehen müssen, dass sie den Anschluss nicht verlieren. Insofern müssen Weiterbildungen verstärkt werden - Angebote, die auf die individuellen Bildungsbedürfnisse der älteren Frauen (und Männer) eingehen." Die Teilnehmerinnen müssten dabei im Mittelpunkt stehen. "Der Zugang zum Internet müsste in Österreich flächendeckend gratis zur Verfügung stehen", fordert Haring.

Forschungsdokumentation über das Älterwerden von US-Künstlerinnen
Harings Ziel wäre, dass viele Frauen über 50 Ihre Interessen und Ideen im Netz sichtbar machen. "Während sie die ersten Schritte im Netz wagen und dann allmählich selbst filmen, posten und produzieren, versuche ich mit digitalen Portraits zur Sichtbarmachung beizutragen." Als kleinen Anfang nennt Haring ihre neue Forschungsdokumentation "No Time To Get Old" über das Älterwerden von US-amerikanischen Künstlerinnen. Die zwölf interviewten Frauen sprechen darin über ihr Leben, ihre Arbeit und über das eigene Älterwerden. Der Film wird am 16. Februar im Theater im Bahnhof in Graz präsentiert. 


Über Solveig Haring

Solveig Haring vernetzt mit ihrer interdisziplinären Forschungsperspektive Alterns- und Geschlechterforschung mit Neuen Medien. Sie ist Mitbegründerin der Freien Forschungsgruppe Biographieforschung und Mitglied der Akademie Neue Medien, Universität Graz. Seit Mitte der 1990er Jahre ist sie zudem als Musikerin und Künstlerin in Graz tätig.

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