Transparenz und Durchlässigkeit durch den EQR?
EQR und nationale Qualifikationsrahmen
Den Anfang der wissenschaftlichen Analyse macht die Mit-Herausgeberin Blings selbst. Ihr Artikel ist vor allem den Inhalten und Zielsetzungen sowie der Struktur des EQR gewidmet. Außerdem problematisiert sie die Kernbegriffe des EQR, wie Qualifikation und Kompetenz. Darauf aufbauend betrachtet ein zweiter Aufsatz den EQR im Lichte beruflicher Qualifikationen aus nicht-formalen und informellen Lernkontexten, welche besonders auf höheren Niveaustufen nur schwer im EQR einzuordnen sind. Die nächsten Artikel widmen sich vor allem der Einführung des EQR in Deutschland, bzw. der Entwicklung des deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), mit Beispielen aus den Arbeitsgruppen „Metall/Elektro“, „IT“ und „Handel“. Ein anderer Aufsatz ist ein Versuch, das deutsche System der dualen Ausbildung mit einem Punktesystem den EQR-Prinzipien anzupassen. Zwei weitere theoretisch gehaltene Artikel zum Äquivalenzvergleich als Methode und zur Begriffsbestimmung des Schlagworts „Sektor“, sowie zwei Vergleiche nationaler Qualifikationsrahmen und Anerkennungsverfahren auf europäischer Ebene runden das Buch ab.
Festhalten am EQR trotz Schwachstellen
Keiner der elf Artikel äußert sich ausschließlich positiv über den EQR als generelles Konzept oder über den derzeitigen Stand seiner Umsetzung. Nicht nur begriffliche Unklarheiten werden thematisiert, sondern auch Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung des EQR, wobei die Ergebnisse ausgewählter Arbeitsgruppen als exemplarische Anhaltspunkte dienen. Ein Fazit aus den Arbeitsgruppen: Eine rein inhaltliche Vorgehensweise bei der Formulierung der Zielqualifikationen reiche nicht aus; die Definition der einzelnen Kompetenzen, Fertigkeiten und Kenntnisse müsse stattdessen von ExpertInnen aus unterschiedlichen Bereichen durchgeführt werden – und selbst dann seien Ungleichmäßigkeiten in der Formulierung oder Einordnung einzelner Qualifikationen kaum vermeidbar. Dennoch werden die Grundbestrebungen des EQR verteidigt. Seine Vorteile (wie Transparenz, Durchlässigkeit und auch Diagnosemöglichkeiten für Verbesserungspotentiale) würden die Nachteile (hoher Organisations- und Arbeitsaufwand; fachliche Komplexität) überwiegen.
Erfahrungsberichte mit kurzer Halbwertszeit?
So ambivalent der Status Quo des EQR nach Ansicht vieler ExpertInnen ist, so ambivalent scheint auch der Nutzen des Buches. Die elf Aufsätze bieten einen informativen Überblick über derzeitige Frage- und Aufgabenstellungen in Bezug auf den EQR und nationale Qualifikationsrahmen. Da es sich angesichts der nach wie vor nicht abgeschlossenen Entwicklung bei den Ergebnissen aber um Momentaufnahmen handelt, versprechen diese eine eher geringe Halbwertszeit. Dazu kommt, dass die Erkenntnisse sich in der Mehrzahl der Fälle auf die Umsetzung des EQR in Deutschland beziehen, und für andere Länder und Bildungssysteme nur bedingt übertragbar sind. Die Schwachstellen des EQR, die durch die Umsetzung des DQR aufgezeigt werden, sind zwar allgemein gültig, aber auch alles andere als überraschend (siehe z.B. Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 14, 2011). Jene, die auf der Suche nach Erfahrungsberichten in der Umsetzung des EQR sind, werden mit diesem Buch wahrscheinlich dennoch zufrieden gestellt.
Jessica Blings, Klaus Ruth (Hrsg.) (2012): Transparenz und Durchlässigkeit durch den EQR? Perspektiven zur Implementierung. Reihe: Berufsbildung, Arbeit und Innovation, 38. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
175 Seiten, 34 Euro (D), ISBN: 978-3-7639-4856-7.
- Nationaler Qualifikationsrahmen. "Castle in the Cyberspace" oder Förderung der Erwachsenenbildung?
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 14, 2011