Staatspreis: Intergenerationelles Lernen

09.10.2012, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Initiativen und Projekte zum Intergenerationellen Lernen wurden für den Staatspreis nominiert. Wählen Sie Ihre Favoriten!
Auch heuer wieder hat sich eine Reihe von Initiativen und Projekten um den Staatspreis für Erwachsenenbildung beworben, diesmal im Themenschwerpunkt "Intergenerationelles Lernen". Die Jury hat in einer Vorauswahl drei davon für das Publikumsvoting nominiert. Sie alle ermöglichen in unterschiedlicher Weise, jeweils kreativ und qualitätsvoll intergenerationelles Lernen. Das Online-Voting läuft noch bis zum 18. Oktober 2012. Um Ihnen die Wahl zu erleichtern, wurden die BetreiberInnen der nominierten Projekte getrennt voneinander befragt - hier das Ergebnis.

"Gemeinsam schlau im Gemeindebau": Lehrgang bildet Ältere zu LernbegleiterInnen aus
In Wiener Gemeindebauten, wo rund 40.000 Menschen leben, haben viele Kinder hohen Bedarf an Lernhilfe. Eltern können die nötige Lernunterstützung oft nicht geben, Nachhilfe ist zu teuer. Gleichzeitig gibt es viele ältere BewohnerInnen, die sich sozial engagieren. Die Wiener Volkshochschulen GmbH hat 2011 als Reaktion auf diese Situation in Kooperation mit dem Nachbarschaftsservice "Wohnpartner" einen Lehrgang entwickelt, der Ältere zu LernbegleiterInnen für Kinder im Gemeindebau ausbildet. "Das Projekt setzt an der Förderung von Lernpotenzialen quer über alle Altersgruppen an", betont Elisabeth Brugger von der Wiener Volkshochschulen GmbH. Durch die Ausbildung werden die Lernpotenziale älterer Menschen gefördert, die dann ihrerseits die Lernpotenziale von Kindern und jugendlichen GemeindebaubewohnerInnen unterstützen. Darüber hinaus fördern Gespräche der LernbegleiterInnen mit Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen eine positive Einstellung zum Lernen, so Brugger.

OIDA! Der Generationendolmetscher
"Wir wollten eine Brücke zwischen den Generationen schlagen und haben uns hierfür des Bausteins ‚Sprache' bedient." Mit diesen Worten beschreibt die Arbeitsgruppe von MITeinanderREDEN, die hinter "OIDA! Der Generationendolmetscher" steht, das nominierte Projekt bzw. sein Ergebnis, ein Buch. In intergenerationellen Workshops konnten Alt und Jung die Sprachwelt, den Sprachgebrauch der jeweils anderen Generation erfahren. Jugendsprache und eigens kreierte Wortschöpfungen wie längst vergessene Ausdrücke aus früherer Zeit waren ebenso Gegenstand wie Wort-Missverständnisse und Wort-Verständnisse. Die Workshops waren Begegnungsräume, die das aktive aufeinander Zugehen förderten und damit den Beteiligten ermöglichten, bei Konfliktsituationen in einen konstruktiven Dialog zu treten. Die teilweise als aggressiv erlebte Sprache der Jugendlichen verlor in der Wahrnehmung der SeniorInnen ihre Schärfe. "Uns hat das Projekt bewegt, und es bewegt nach wie vor", resümiert die Arbeitsgruppe.

TIK® - Technik in Kürze - und andere Projekte im Bildungswerk
SeniorInnen erhalten im vom Katholischen Bildungswerk Steiermark betriebenen Projekt TIK® die Möglichkeit, sich mit den technischen Neuerungen Computer, Internet, Digitalkamera oder Handy auseinanderzusetzen. Die Lehrenden in den modular und regional durchgeführten Angeboten sind medienkompetente, fachlich geschulte Jugendliche. Seit 2008 gab es 100 Modulangebote mit über 1.500 Teilnahmen, und TIK® hat die steirischen Landesgrenzen mittlerweile überschritten. "Wir möchten mit unseren intergenerationellen Angeboten die Toleranz unter den Generationen stärken und damit einen Abbau von Vorurteilen bewirken", beschreibt Ute Paulweber vom Katholischen Bildungswerk der Diözese Graz-Seckau die Zielsetzungen dieses Projekts und der intergenerationellen Bildungsarbeit des Katholischen Bildungswerks im Allgemeinen. Ein weiteres intergenerationelles Projekt des Katholischen Bildungswerks Steiermark ist "MDU - Meine+Deine=Unsere Lebenswelt". Im Rahmen dieses Projekts werden intergenerationelle Workshops zu für Alt und Jung interessanten Themen veranstaltet.

Zeitgemäßen Lernbegriff und Bewusstsein für verschiedene Wertehaltungen schaffen
Den BetreiberInnen der drei nominierten Projekte sind in ihrer intergenerationellen Bildungsarbeit unterschiedliche Aspekte wichtig. "Ein zeitgemäßer Begriff von Lernen" ist für Elisabeth Brugger zentral. Aufgrund der biografischen Erfahrungen sei Lernen für ältere Menschen oft ein Pensum, das um jeden Preis zu erfüllen ist. Die LernbegleiterInnen in den Wiener Gemeindebauten sollen dagegen Lernen im Sinne der Förderung ihrer Potentiale, der Motivation, der angstfreien Kommunikation und der eigenständigen Wissensaneignung verstehen, führt Brugger ihr Anliegen aus.

Die Arbeitsgruppe von "OIDA! Der Generationendolmetscher" nennt einen völlig anderen Aspekt als wesentlichsten: Ihr geht es darum, Bewusstsein für die unterschiedlichen Werthaltungen der verschiedenen Generationen zu schaffen und damit großes Konfliktpotential zu minimieren. Dies bestätigt auch Ute Paulweber: "Wir wollen Raum schaffen, wo Verunsicherungen, Hoffnungen und Erwartungen der verschiedenen Generationen gleichwertig zur Sprache kommen und gemeinsame Werte definiert werden können".

Vielfältige Herausforderungen der intergenerationellen Bildungsarbeit
"Der oftmals von den Medien inszenierte Generationenkonflikt gefährdet die Solidarität und führt dazu, dass sich Jung und Alt im öffentlichen Raum oft benachteiligt fühlen", beschreibt die OIDA!-Arbeitsgruppe eine zentrale gegenwärtige Herausforderung. Ein Beispiel: Öffentlicher Raum wird in Ballungsräumen immer rarer. Das Ruhebedürfnis der älteren Menschen und der Entdeckungsdrang der jüngeren Generation stehen in einem Widerspruch mit großem Konfliktpotential. Es gehe unter anderem darum, Räume in der Öffentlichkeit zu schaffen, die einen Wissens- und Erfahrungstransfer von Jung und Alt fördern - ein Klima des "Einander Helfens".

Elisabeth Brugger sieht als größte Herausforderung, das Thema "Lernen bis ins hohe Alter" als gesellschaftlich relevantes Thema zu etablieren, wobei auch die Pädagogik gefordert sei. Brugger benennt hierzu die Notwendigkeit, am unterschiedlichen Lernverständnis und der Lernerfahrung der verschiedenen Altersgruppen anzusetzen. Weiters seien Weiterbildungsangeboten für Bildungsplanende gefragt, die Entwicklung von intergenerationellen Maßnahmen zur Förderung älterer Menschen im Umgang mit den "neuen" Medien und der Ausbau von interessensbezogenen, informellen Veranstaltungen und Netzwerken, die den Zugang Älterer zur Bildung erleichtern. Ute Paulweber sieht als größte Herausforderung die Finanzierung von intergenerativen Projekten. "Wir arbeiten hier mit einer sehr finanzschwachen, wenig mobilen Zielgruppe und sind auf Förderungen angewiesen", so Paulweber.
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