„TrainerInnen sind nicht das Zentrum des Universums“

29.08.2012, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
"English for Adult Education" Expertin Ulla Fürstenberg spricht über die Arbeit als Sprachtrainerin. (Serie: Fremdsprachendidaktik heute, 4)
Ulla Fürstenberg ist Trainerin in "English for Adult Education" an der Uni Graz und bot sich somit als Interviewpartnerin der Wahl für Fremdsprachentrainings in der Erwachsenenbildung an. Für Fürstenberg war die Erwachsenenbildung eigentlich kein dezidiertes Berufsziel, sondern eher das Resultat einer zufälligen Entwicklung. Aus einem privaten Konversationskurs für einige alte Damen wurde vor mehr als zehn Jahren eine fixe Anstellung am Internationalen Sprachzentrum (ISZ) in Graz. Mittlerweile hat sie einen Lehrauftrag an der Karl-Franzens Universität inne und blickt im Interview zurück auf die positiven und negativen Seiten des Jobs als Fremdsprachentrainerin, und auf die Lektionen, die sie gelehrt und gelernt hat.

Flexible Arbeitsbedingungen
Ulla Fürstenberg bezeichnet sich selbst als „untypische“ Sprachtrainerin. Sie war lange Jahre nämlich nicht nur als Trainerin, sondern auch in der Organisation des ISZ tätig, und hatte damit einen beinahe klassischen Bürojob. Nur einen Tag pro Woche unterrichtete sie in Firmen, Fachhochschulen oder am ISZ. Ihre KollegInnen dagegen mussten und müssen immer sehr flexibel und mobil sein. Da TrainerInnen in der Erwachsenenbildung meist in Werkverträgen oder als Freie DienstnehmerInnen angestellt werden, sind diese in der Regel für mehrere Bildungsanbieter tätig und müssen viel herumreisen. Die Flexibilität des Jobs ist laut Fürstenberg manchmal ein Vorteil, da man sich die Zeit recht frei einteilen könne. Oft sei es aber auch ein Nachteil, da es so wenig Zukunftssicherheit gäbe. "Mit dieser Unsicherheit muss man leben können", sagt sie.

Kleine Gruppen aber viel Aufwand
Die Sprachkurse in der Erwachsenenbildung unterscheidet Frau Fürstenberg grob in zwei Kategorien: Einerseits die „klassischen“ Sprachkurse zur Auffrischung und Konversation, die meist freiwillig, privat und abends besucht werden, andererseits die Firmenkurse, bei denen die TrainerInnen in den Firmen selbst lehren und dabei auf die spezifischen Firmenbedürfnisse eingehen. In beiden Fällen ist die Gruppengröße recht gering, nach Fürstenbergs Erfahrung „in Firmenkursen im Durchschnitt acht, in Abendkursen maximal zwölf Personen“. Dadurch werde ein ganz anderes Arbeiten möglich, als dies in der Schule oder an der Universität der Fall sei. Außerdem fehle in den meisten Fällen ein Lehrplan, was den Lehrenden größere Freiheit, aber natürlich auch einen viel höheren Vorbereitungsaufwand verschaffe. Dadurch, dass aber die Leistungsbeurteilung wegfalle, werde auch wieder Zeit und Energie für die Arbeit im Kurs frei, und das mache insgesamt mehr Spaß, erzählt sie.

Verzerrte Wahrnehmung
Dass Sprachkurse aufwendige Vorbereitung erfordern, werde in der Praxis wenig wahrgenommen, so Fürstenberg. „Sprachen werden oft finanziell und auch sonst wie geringer bewertet als andere Fächer und Spezialisierungen. Es herrscht die Meinung: ,Einen Englischkurs kann gleich mal jemand unterrichten, aber für einen Managementkurs holen wir uns die richtigen Spezialisten’. Das merkt man, wenn man die Kurse unterrichtet und auch verkaufen muss, dass die fachliche und didaktischen Kenntnisse und Fertigkeiten, die hinter einem Sprachkurs stecken, nicht unbedingt ankommen und sichtbar sind.“ Und nicht nur unter den potentiellen KundInnen, auch unter den zukünftigen SprachtrainerInnen gibt es verzerrte Wahrnehmungen der Arbeitsrealität: „Studierende glauben, mit Erwachsenen hat man keine Probleme mit Motivation. Was die Leute wirklich meinen, ist Disziplin. Dennoch muss man die Leute motivieren und Unterrichten bleibt immer Unterrichten“.

Bereitschaft zur Begeisterung
Was SprachtrainerInnen auszeichne? Vor allem die Neugier, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben, glaubt Fürstenberg. Dadurch, dass die meisten Lernenden freiwillig teilnehmen und Leistungsbeurteilungen nicht notwendig sind, biete sich in der Erwachsenenbildung ein partnerschaftliches Verständnis des Lernens an. Besonders in Konversationskursen lerne man die Leute also recht gut kennen, „da sie ja vor allem über die Dinge sprechen, die sie beschäftigen und interessieren“. Von Sozialarbeit bis zum Verkauf von Verpackungsmaterial war fast alles dabei, erzählt sie. „Das sind alles Bereiche, von denen ich überhaupt nichts wusste, als ich damit begann. Ich glaube, das ist eine Qualität, wenn man sich dafür begeistern und interessieren kann. Man soll den Leuten ja nach Möglichkeit das beibringen, was ihnen wirklich etwas nutzt, und wenn man nicht die Bereitschaft hat, sich darauf einzulassen oder das als Belastung sieht, dann wird es schwierig“.

 „Ich hatte nie das Gefühl, dass es Sachen gibt, die man mit Erwachsenen nicht tun kann“
Methodisch setzt Ulla Fürstenberg vor allem auf kommunikativen Unterricht. Auch deswegen, weil die meisten Teilnehmer ohnehin freiwillig kämen und  lernen wollten, um in der Fremdsprache kommunizieren zu können. Die Erwachsenen zögen es außerdem vor, anhand konkreter und bekannter Situationen zu arbeiten und das Erlernte auch auszuprobieren. „Durch die kleinen Gruppen ist das auch möglich“. Ein wesentlicher Teil des kommunikativen Aspekts in der Erwachsenenbildung ist für sie, das Sprachlernen spielerisch zu unterstützen und kommunikative Situationen zu schaffen, z.B. durch Rollenspiele, Domino oder Würfelspiele. „Mit Erwachsenen kann man sehr viel machen, wo man mit jüngeren Menschen immer ein Problem hat, weil diese besorgt sind, dass sie nicht kindisch sein wollen. In den allermeisten Fällen bin ich auf große Begeisterung gestoßen mit eher spielerisch orientierten Dingen, und das ist eigentlich genau umgekehrt als man sich das vorstellen würde.“ Natürlich gebe es aber auch Erwachsene, die den neuen Unterrichtsmethoden noch etwas skeptisch gegenüber stehen und die erst überzeugt werden müssen. Diese Überzeugungsarbeit hat in den meisten Fällen gefruchtet: „Ich hatte nie das Gefühl, dass es Sachen gibt, die man mit Erwachsenen nicht tun kann“.

Keep it simple
Auf vergangene didaktische „Niederlagen“ kann sie gelassen zurückblicken: „Das war in einem Firmenkurs, auf recht hohem Level. Ich habe eine Übung vorbereitet, die in mehreren Stufen passiert. Also zuerst musste man sprechen und ausfüllen, danach die Zettel austauschen und weitermachen. Es war ziemlich kompliziert, aber ich war eben sehr begeistert davon. Spätestens nach dem zweiten Schritt wusste niemand mehr, was jetzt zu tun ist. Ich habe verzweifelt versucht, das zu erklären und habe dann irgendwann abgebrochen und gesagt: ,Okay, das vergessen wir jetzt einfach mal’. Das war dann bis zum Schluss des Kurses der Running-Gag. Jedes Mal, wenn ich irgendetwas ausgepackt habe, haben sie mich dran erinnert. Aber das war überhaupt kein Problem, das war lustig. Aber ich habe daraus gelernt, dass man sich die Gruppe eben wirklich anschauen muss. Es war nicht, dass sie es sprachlich nicht bewältigt hätten, aber sie waren das Lernen einfach nicht so gewohnt.“ Durch diese Erfahrung hat sie für sich selbst etwas dazu gelernt: „An das erinnere ich mich oft, wenn ich etwas vorbereite. Auch wenn es noch so toll ausschaut: Wenn es fünf Arbeitsschritte braucht, ist es vielleicht doch keine so gute Idee. Keep it simple.“

Lektionen fürs Leben
Nicht nur die TeilnehmerInnen der Sprachkurse lernen dazu, auch Ulla Fürstenberg hat sich in den Jahren ihrer Lehrtätigkeit weiter entwickelt. Die Arbeit als Sprachtrainerin hat ihren Blick auf sich selbst und die Welt verändert: „Ich glaube, man sollte lernen, dass man sich selbst nicht so furchtbar ernst nimmt. An der Uni bildet man Anglisten aus, hier spielt es eine Rolle, dass sie es genau und richtig lernen. In der Erwachsenenbildung lernen die Leute es halt so nebenbei. Es hat einfach eine andere Wertigkeit, das kann man mögen oder auch nicht. Man kommt nicht so in Versuchung, sich für das Zentrum des Universums zu halten, das bringen einem die Leute schon immer wieder bei.“

Zur Person
Ulla Fürstenberg war jahrelang als Englisch-Trainerin und Organisatorin am Internationalen Sprachzentrum (ISZ) in Graz tätig. Nach ihrem Anglistikstudium begann sie dort mit dem Unterricht. Sie spezialisierte sich vor allem auf fachsprachliches und Business-Englisch , und lehrte in Firmen, an Fachhochschulen und am ISZ . Seit drei Jahren ist sie ausschließlich an der Karl-Franzens-Universität Graz tätig, wo sie Grammatikkurse sowie die Lehrveranstaltung „English for Adult Education“ leitet.
Serie: Fremdsprachendidaktik heute