Personalnachwuchs für Erwachsenenbildung auch aus der Schule

23.05.2012, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Schulen bilden Officefachkräfte für Seminar- und Kongressanbieter aus und sind offen für Kooperation mit Weiterbildung.
Im Berufsfeld der Erwachsenenbildung hat sich das Bildungsmanagement längst als Tätigkeits- und Kompetenzprofil etabliert und steht eigenständig neben Pädagogischen MitarbeiterInnen, Lehrenden oder BildungsberaterInnen. In den vergangenen Jahren wird auch vermehrt wieder darüber diskutiert, wie denn administrative Fachkräfte in Bildungseinrichtungen qualifiziert sein sollten - jene MitarbeiterInnen also, die für reibungslose Abläufe sorgen, Ressourcen verwalten oder mit einem Rundruf noch rasch das nächste Seminar vor der Absage retten.

„Nur wenige wissen, dass es an drei Standorten in Österreich auch eine schulische Ausbildung gibt, die auf dieses Tätigkeitsfeld vorbereitet: ein Abschluß in Tagungs- und Kongressmanagement an einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Beruf (HLW)“, erzählt Winfried Hofer, Lehrer an der HLW Schrödinger in Graz und Koordinator des Schulschwerpunkts. Gemeinsam mit je zwei Schülerinnen und Absolventinnen besuchte er die Redaktion von erwachsenenbildung.at und berichtete von einer Ausbildung, die es in dieser Form nur an drei Standorten in Österreich gibt - in Steyr (OÖ), Baden (NÖ) und Graz (Stmk.).

Praxisorientierte Ausbildung ohne Stundentafel
„Ich habe die Schule wegen ihrer praktischen Ausrichtung gewählt“, erklärt die Absolventin Rita Hasenhütl. Im Fachschwerpunkt bestimmen Praxisunterricht, Projektarbeiten und seminaristische Formen das Unterrichtsgeschehen der fünfjährigen Ausbildung an der HLW. „Wir haben innerhalb des Schwerpunkts die Stundentafel aufgelöst. Die SchülerInnen gestalten selbst massiv mit“, führt Hofer aus, der neben seinem Lehrerjob  auch ein Standbein als Trainer und Berater hat und das Weiterbildungsgeschäft daher von innen kennt.

Ständig seien die SchülerInnen gefordert, sollen fiktive und wirkliche Veranstaltungen konzipieren und organisieren. Mit hoher Eigenverantwortung und Selbstständigkeit lernen sie, von der Entwicklung einer Idee über die Gestaltung des Flyers bis hin zur Buchung und dem Aufbau eines Caterings alles selbst in die Hand zu nehmen. „Wir setzen höhere Jahrgänge manchmal sogar als TrainerInnen für die Jüngeren ein, und ich bin jedesmal wieder baff, wie gut das geht!“ schwärmt der Lehrer von seinen SchülerInnen. In Zusammenarbeit mit Partnern wie dem WIFI können zusätzlich Zertifikate in Kongress- und Eventmanagement erworben werden, die für das schulische Curriculum angerechnet werden.

Seminarbranche erweitert das Profil
Tagungs- und Kongressmanagement als einen schulischen Schwerpunkt gibt es an der HLW Schrödinger seit über 10 Jahren. Trotz einer gut aufgestellten Ausbildung fehlten jedoch die Jobs. „Der Kongressbereich ist zumindest in der Steiermark als Arbeitsmarkt zu klein für unsere AbsolventInnen“ erläutert Winfried Hofer. Doch seit man sich zunehmend dem Seminarbereich als aussichtsreich für Stellengesuche zugewandt hat, sehen die Dinge rosiger aus.

Nicht nur neue Ausbildungspartner, wie Seminarhotels oder Consultingunternehmen, wurden für das neue Profil gewonnen. Auch die inhaltliche Auseinandersetzung erhielt einen zusätzlichen Fokus. Im Rahmen vorwissenschaftlicher Abschlussarbeiten untersuchen die SchülerInnen Weiterbildungsthemen und gehen dabei auch "ins Feld", um ihre Literaturarbeit empirisch zu überprüfen. 

SchülerInnen erforschen Weiterbildung
Ein Schüler etwa untersuchte den vorherrschenden Führungsstil in der Veranstaltungs- und Seminarbranche. Das Ergebnis: wenn eine Veranstaltung gerade läuft, gehen Chefs tendenziell autoritärer vor und werben nicht mehr für das Wie und Warum ihrer Entscheidungen. Carina Greiner und Vera Karner wiederum befassten sich mit Esoterikseminaren. „Wir wollten herausfinden, ob die Seminare wirklich so einen negativen Touch haben, wie viele sagen.“ Erfolg und positives Denken seien die Zauberworte der Esoterikszene, stellen sie fest. „Man soll Glauben gemacht werden, dass universelle Gesetze unser Leben bestimmen und jeder ausschließlich selbst für das eigene Leben verantwortlich ist.“

Exemplarisch geführte Interviews mit SeminarteilnehmerInnen bestätigten dann auf Punkt und Strich alle Befürchtungen der beiden. Selbstkritische Fragen wie: „Hat das positive Denken schon mal versagt?“ wurden durchwegs mit einer Selbstanklage kommentiert: „So kann man das nicht sagen. Ich hatte mich nur nicht genug angestrengt".

Gute Chefs sind motivierender als jedes Seminar
Rita Hasenhütl und Lena Melcher geben ein weiteres Beispiel für das Ergebnis der schulischen Wissenschaftspropädeutik, also der Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten an der HLW. Auch sie untersuchten ein Feld, in dem mitreißende Trainergurus einen erwartungsvollen Markt beackern: Motivationsseminare. „Eigentlich wollten wir ein Motivationsseminar organisieren. Dann fragte unser Lehrer, ob wir uns nicht die Wirkung solcher Seminare genauer anschauen wollten, bevor wir das tun“, berichtet Melcher.

Durch Bekannte oder Initiativanfragen fanden sie Zugang zu drei großen Unternehmen und befragten rund 60 MitarbeiterInnen, was sie motiviere und wie sie zu Motivationsseminaren stünden. „Die Haltung ist eher skeptisch“, resümieren die beiden. „Die Leute sind eher durch Lob, Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu motivieren.“ So steht denn auch in ihrer Arbeit zu lesen: „Daran sieht man, dass Chefs gar nicht in teure Seminare investieren müssten, wenn sie sich einfach besser um ihre MitarbeiterInnen, auf einer persönlichen Ebene, kümmern würden.“

„Wollen uns noch besser vernetzen“
Zu den Partnern der HLW Schrödinger zählen schon jetzt die Messe Congress Graz Betriebsgesellschaft, das österr. Filmfestival Diagonale, das Kunsthaus Graz oder auch Trainings- und Beratungsfirmen. Nicht nur der Lehrer, auch die Schülerinnen nehmen das Wort „Vernetzung“ im Gespräch mehrfach in den Mund. „Wenn man eine Veranstaltung eigenverantwortlich organisieren will, muss man Partner haben“, sagt Hasenhütl, die nach der Schule ins Jus-Studium gewechselt hat. Partner, die unter anderem durch Praktika gewonnen werden.

Winfried Hofer: „Wir wenden uns an Seminaranbieter, Kongressveranstalter und Beratungsunternehmen. Firmen und Einrichtungen, die im weitesten Sinne mit Bildung zu tun haben oder zum Beispiel im Personalwesen häufig firmeninterne Trainings organisieren, kommen ebenfalls in Frage.“ Wer interessiert ist, PraktikantInnen aufzunehmen und sich von ihnen bis zu acht Wochen lang bei der Abwicklung von Seminaren, Tagungen oder Veranstaltungen aller Art unter die Arme greifen zu lassen, solle sich  bis zum kommenden Juli für das nächste Schuljahr voranmelden. Künftig werden auch Auftragsarbeiten und Kooperationen bei den vorwissenschaftlichen Abschlussarbeiten möglich sein.

Praktikumsstellen: „Fordert uns!“
An Selbstbewusstsein mangelt es den SchülerInnen nicht. „In meinem Praktikum war ich diejenige, die sich ausgekannt hat - das war schon ungewöhnlich“, berichtet Vera Karner stolz von ihrem Bemühen, ein kleines und ehrenamtlich geführtes Museum neu zu organisieren. „Man kann uns mehr zutrauen, als man glauben würde“, pflichtet Hasenhütl bei, „auch wenn ich gewisse Vorbehalte den SchülerInnen gegenüber schon verstehe.“ Doch seien sie durch die intensiv praxisorientierte Ausbildung gut vorbereitet und würden viele Organisationsabläufe schon so gut einschätzen können, dass ein gewisses Maß an Selbstständigkeit mehr als zumutbar sei.

Auf die Frage, was sie sich von Praktikumsstellen wünschten, antwortet Maturantin Carina Greiner: „Eine adäquate Bezahlung wäre schon angemessen, da besteht Verbesserungsbedarf. Aber ein gutes Arbeitsklima ist mindestens ebenso wichtig.“ Und natürlich anspruchsvolle Aufgaben, wie die Kolleginnen nicht müde werden, zu ergänzen. „Es ist schön, wenn man auch gefordert ist und merkt: Jetzt bin ich wichtig für die Firma!“
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