"Lernkulturen werden sich zweifellos weiterentwickeln"

02.04.2012, Text: Daniela Ramisch, Online-Redaktion
Richard Pircher, Initiator der [aha:] Konferenz Lernen und Bildung, glaubt an den wachsenden Willen zur Einführung neuer Lernansätze.
Unter dem Titel "Lernen gestaltet Zukunft" findet an der VHS Donaustadt (Wien) am 13. und 14. April eine Konferenz für ein Publikum statt, das der Einführung neuer Lernkulturen die Wege bereiten möchte - TrainerInnen, LehrerInnen und vielen mehr. Die Konferenz soll BildungsakteurInnen vernetzen und Impulse für die Neugestaltung des Lernens auf allen Altersstufen geben, erzählt Initiator Richard Pircher, Professor an der Fachhochschule des bfi Wien, im E-mailinterview.

Was waren Ihre Gründe, sich mit dem Thema zukunftsgerichtete Lernkulturen auseinanderzusetzen und zu dem Thema eine Konferenz zu initiieren?

Ich hatte die Chance als erstes Kind in meiner Familie Matura zu machen und danach ein Studium abzuschließen. Dann bin ich nach der Funktion als Geschäftsführer im Kulturmanagement in der Erwachsenenbildung tätig geworden und habe gemerkt, dass ich großes Glück hatte, in diesem Bereich gelandet zu sein. Die Pädagogik verbindet mein Interesse an der konkreten Planung und Gestaltung eines lernförderlichen Umfeldes in der Praxis mit dem theoretischen Interesse an dem Entstehen von "Realität".  Das entscheidende Moment war sicher, dass vor fünf Jahren unsere Tochter geboren wurde und ich dadurch hautnah das Lernen in den ersten Lebensjahren miterleben konnte. Ich entwickelte die Inituition, dass eine breit vernetzte bottom-up Initiative wie diese Konferenz, sinnvoll und möglich sein kann.

Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft in Bezug auf das Einrichten neuer Lernkulturen? Wo gibt es neue Lernkulturen und in welcher Form? Wo gibt es noch Bedarf?

Es gibt zahlreiche Initiativen und motivierte Menschen im Bildungsbereich. Ich halte es für wichtig, dass an vielen verschiedenen Stellen und "Akupunkturpunkten" der Gesellschaft (Otto Scharmer) Impulse gesetzt werden. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich beim Erreichen einer kritischen Größe, das System als Ganzes mehrheitlich ändern wird. Plötzlich erscheint dann das heute Utopische als normal. In der Vergangenheit sind solche Umbrüche schon oft passiert, das ist nichts Fiktives. Es könnte einen erschüttern, wie wenig nach über 100 Jahren "Reformpädagogik" in der Breite verankert und "normal" ist. Die Lernkulturen werden sich aber zweifellos weiter entwickeln, wenn auch noch nicht gesagt werden kann, wie das Ergebnis aussehen wird. Das ist ein sozialer Meta-Lernprozess, dessen Ergebnis nicht vorhergesehen werden kann - wie bei jedem Lernprozess.

Haben Sie bestimmte Vorbilder, die Sie motivieren, sich für eine positive Zukunft der Gesellschaft einzusetzen?

Perspektiven- und Impulsgeber sind für mich beispielsweise Gerald Hüther, Muhamad Yunnus, Otto Scharmer und Ken Wilber. Prof. Gerald Hüther, der bei dieser ersten [aha:] Konferenz im Rahmen der von ihm gegründeten Sinn-Stiftung den Eröffnungsvortrag und einen Workshop gestalten wird, hat vor über 12 Jahren eine ähnliche Konferenz in Göttingen initiiert. Dort und auf der Konferenz des Archivs der Zukunft von Reinhard Kahl habe ich Momente erlebt, in denen für mich spürbar war, dass  ganz konkret Zukunft entsteht. Personen, die über eine intrinsische Motivation verfügen, Menschen beim Lernen und der Entwicklung neuer Sichtweisen auf die Welt zu begleiten, entwickeln indirekt die Welt von morgen - vielleicht mehr und konkreter als die meisten ManagerInnen oder PolitikerInnen.  Wichtig für die Initiative zur Konferenz waren sicher die inspirierenden und bestärkenden Rückmeldungen von vielen Personen, die ich im Laufe meiner über fünzehnjährigen Tätigkeit in der Erwachsenenbildung kennen gelernt habe. Im Laufe eines rund eineinhalbjährigen Flowprozesses sind immer wieder hilfreiche "Retter" erschienen, die dieses "Graswurzelprojekt" am Leben erhalten haben.

Wen und was wollen Sie mit dieser Veranstaltung besonders erreichen?

Alle jene Personen, die eine intrinsische Motivation verspüren, bei der [aha:] Konferenz Lernen und Bildung teilzunehmen und teilzugeben. Es soll keine hermetisch abgegrenzte Gruppe sein, denn gerade der Austausch zwischen den verschiedenen Perspektiven ist wichtig: PädagogInnen, Eltern, EntscheidungsträgerInnen, PsychologInnen, Studierende, SchülerInnen und WissenschaftlerInnen.  Ich bin überzeugt davon, dass es in Österreich eine regelmäßige Veranstaltung braucht, wo Menschen sich bezüglich Lernen über die gesamte Lebensspanne austauschen, Impulse bekommen und Neues entwickeln können. Das Wichtigste ist, zu spüren und zu erleben, dass man nicht alleine ist, dass es bereits viele erfolgreiche Ansätze gibt und dass man Kräfte bündeln kann.

Wann wäre die Konferenz für Sie ein Erfolg, und was sind Ihre Visionen für die nächsten Jahre?

Wenn Menschen auf der Konferenz Impulse und Bekräftigung empfangen, die sie neue Sichtweisen und Handlungsoptionen erforschen lassen; wenn sie auf der Konferenz einen Ort des Austausches und der Inspiration finden, ist das ein Erfolg. Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, dass wir das tun, von dem wir in unserem Inneren spüren, dass es jetzt passt und möglich sein könnte. In den nächsten Jahren wird sich die Veränderungsenergie in Österreich weiter verstärken. Dadurch, dass die Konferenz jährlich stattfinden wird, kann sich kollektive Kraft aufbauen und wachsen.

Was sollten unsere LeserInnen auf jeden Fall noch über die Konferenz wissen?

Die [aha:] Konferenz widmet sich dem Lernen aller Altersstufen. Sie ist mit über 25 KooperationspartnerInnen aus verschiedensten Bereichen eine breit verankerte Veranstaltung - über ideologische und organisatorische Grenzen hinweg. Im Rahmen der Konferenz werden didaktische Erkenntnisse nicht nur vorgetragen, sondern auch in der Konferenzgestaltung selbst umgesetzt. Interaktivität spielt eine zentrale Rolle.

Prof. (FH) Dr. Richard Pircher
ist Leiter des Studiengangs Bank- und Finanzwirtschaft an der Fachhochschule des bfi Wien und studierter Betriebswirt.  Zuvor war er Leiter des Zentrums für Wissens- und Informationsmanagement an der Donau-Universität Krems. Hier wirkte er im Bereich wissensorientiertes Management in Lehre, anwendungsorientierter Forschung und Consulting und leitete die berufsbegleitenden Universitätslehrgänge Wissensmanagement sowie Innovations- und Technologiemanagement.
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