"Wir maximieren nicht Gewinn, sondern soziale und menschliche Kompetenz"

12.12.2011, Text: Christian Ocenasek, bifeb
Karin Daubek, Bundesgeschäftsführerin des Forums katholischer Erwachsenenbildung, spricht über den Bildungsauftrag kirchlicher EB-Einrichtungen. (K
Die katholische Erwachsenenbildung ist flächendeckend in Österreich aktiv. Fast 4000 örtliche Einrichtungen sind Bildungsveranstalter, betreut werden die Einrichtungen von 23.000 MitarbeiterInnen, der überwiegende Teil (14.000) sind ehrenamtlich tätig. Wofür steht die katholische Erwachsenenbildung? Welchen Anteil hat die Konfession bei der Bildungsarbeit?

Wir orientieren uns am christlichen Menschenbild, sehen aber den Fokus auf der gesamtheitlichen Entfaltung der Menschen, ihrer Freiheit und ihrer Fähigkeit, Verantwortung zum Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft zu übernehmen. Das sind wesentliche Kriterien zur Gestaltung unserer Bildungsarbeit. Wir stellen den Menschen und seine persönliche Entfaltung in den Mittelpunkt. Wir verstehen unter Bildungsarbeit einen Dienst am Einzelnen wie an der Gesellschaft.

Bei Vorträgen, Kursen, Lehrgängen, Konferenzen entlang mehrerer thematischer Schwerpunkte geht´s zum einen um Glaube und Weltanschauung. Die Angebote umfassen aber alle Bereiche einer modernen Wissensgesellschaft. Persönlichkeit, Kommunikation ist ein Schwerpunkt, Generationenfragen von der Eltern- bis zur SeniorInnenbildung spielen eine wichtige Rolle. Allgemeine gesellschaftliche und politische Fragen der Ökologie, der Gesundheit, Arbeit und Wirtschaft sind ebenso bedeutend wie musisch-kulturelle Bildung. Wir wollen das unterstützen, was der Mensch braucht, um ein gutes Leben in einer guten Gesellschaft zu führen bzw. zu dieser beitragen zu können.

Die Betonung liegt auf der gesamtheitlichen Entfaltung

Ja, wir sehen, dass die Lernbereitschaft der Menschen auch dort groß ist, wo es nicht primär darum geht sich jobfit zu machen. Prinzipiell ist unser Credo, dass Weiterbildung keine Frage der Kaufkraft sein darf. Wir maximieren nicht Gewinn, sondern soziale und menschliche Kompetenz. Das Bemühen um gute Lernatmosphäre, Bezugnahme auf die/den Einzelne/n und die Aufmerksamkeit für die Themen der Zeit tragen wohl dazu bei. Die flächendeckende Verfügbarkeit von Bildung, Angebote auch in entlegenen Regionen sowie das kostengünstige Anbieten von Bildung vor Ort zählen zu unseren Charakteristika.

Eine menschliche Kompetenz, bei der die Kirche nicht nur – ich denke an die Missbrauchsthematik – ein gutes Vorbild ist.

Ja leider, aber das ändert nichts am Ziel. Wir verstehen unter Bildung Vergangenes nicht zu vergessen, Gegenwärtiges wahrzunehmen und Zukunft mitzugestalten. Grundlegend dafür ist die Befähigung zu offenen und dialogischen Auseinandersetzungen. Wir laden ein zur Beschäftigung mit aktuellen Problemfeldern und künftigen Herausforderungen.

Innovation und Kreativität gehören zu unserer Sicht von Erwachsenenbildung.
Auch in einer zum Teil kirchenkritischen Zeit bleibt das Interesse an den Angeboten der katholischen Erwachsenenbildung aufrecht, wie die aktuellen Zahlen zeigen.

Nun bist du ja im Dachverband der katholischen Erwachsenenbildung tätig, die für über 70 Mitglieder quer über die 9 Diözesen arbeitet. Wie organisierst du diese Auseinandersetzung?

Wir verstehen uns als Servicestelle und Dienstleister für die Mitgliedseinrichtungen. Diese arbeiten eigenständig. Wir forcieren und organisieren unter anderem inhaltliche Vernetzungen zu Themen wie Elternbildung, Frauenbildung, SeniorInnenbildung, Theologische Bildung oder strukturelle Vernetzungen für Bildungshäuser und Bildungswerke.

Dieses Netzwerken führt mich zu den Kooperationen, die über die kirchliche Erwachsenenbildung hinausgehen. Wie positioniert sich das Forum?

Kooperation steht schon in unserem Leitbild und Kooperieren gelingt uns in vielfältiger Form. In der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) eint uns das permanente Bemühen um Anerkennung und Professionalierung der Erwachsenenbildung im Bildungswesen. Das funktioniert leichter, wenn es verbandsübergreifend mit zuvor abgestimmten Zielen passiert. Die gemeinsame Arbeit an großen bildungspolitischen  Initiativen wie zum Beispiel Ö-Cert, Nationaler Qualifikationsrahmen (NQR), Weiterbildungsakademie (wba) oder LLL-Strategie 2020 führen zu Erfolgen für die gesamte Branche der Erwachsenenbildung. Kooperationen bilden sich aber auch in konkreten, einzelnen Veranstaltungen ab, so haben wir beispielsweise 2010 gemeinsam mit dem Verband Österreichischer Volkshochschulen "Armut und Bildung", eine Tagung zum europäischen Jahr der Armut und sozialen Ausgrenzung, veranstaltet.

Es geht bei den Veranstaltungen also weit über das Lernen einzelner hinaus?

Betrachten wir das am Beispiel des Europäischen Jahres des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen 2012. Hierfür ist die Thematik des intergenerativen Lernens absolut relevant. Diese entspricht auch der LLL-Strategie 2020 und knüpft an den Bildungsbogen lebensbegleitendes Lernen an. Wir können beim Lernen nicht in Etappen denken, wir müssen Brücken zwischen den Etappen bauen und Übergänge schaffen. Das Zusammenführen unterschiedlicher Perspektiven, Anforderungen und Kompetenzen ist eine Herausforderung. Und diese Vielfalt, diese Buntheit ist gerade das Schöne an unserer Arbeit, auch wenn es zugegebenermaßen nicht immer ganz leicht ist.

Brücken bauen ist eine Metapher, die stark die Gestaltung des Raumes, der Lebenswelt anspricht.

Ja, dies führt auch zu den Themen Identität und Interkulturalität, mit denen sich viele unserer Mitglieder derzeit intensiv beschäftigen. Vor kurzem haben wir hierzu ein mehrjähriges Projekt mit dem Symposium "Differenz und Dialog" erfolgreich abgeschlossen. Auch die Ansätze der Community-Education tragen zum Bauen dieser Brücken bei und werden von den Einrichtungen der katholischen Erwachsenenbildung strategisch beziehungsweise operativ unterstützt.

Die Vielfältigkeit der Themen und Aufgaben ist beeindruckend. Wie bewältigst du diese persönlich?

Erfolgreich machen mich mein Organisationstalent, der Blick auf das Ganze, tagtäglicher Einsatz und Ehrgeiz. Gute und klare Strukturen sowie Prozess- und Projektmanagement werden zunehmend wichtiger. Hinter dieser Arbeit steht die tatkräftige Unterstützung durch das Team der Bundesgeschäftsstelle. Unser gemeinsames Bemühen macht Erfolge möglich. Als Grundvoraussetzung für eine gute Balance der vielfältigen Anforderungen, die an mich gestellt werden, sehe ich ein hohes Maß an intrinsischer Motivation. Es macht Freude - und erfordert oftmals sehr viel Engagement - für diesen großen Dachverband mit seinem vielfältigen Spektrum an Mitgliedern zu arbeiten.

Wo siehst du für dich noch Lernbedarf?

Persönlich sehe ich mich als Bildungsfan mit vielen bereits erfüllten und zahlreichen weiteren Wünschen, die ich ganz im Sinne des lebensbegleitenden Lernens zu realisieren versuche.

Danke für das Gespräch


Mag.a Karin Daubek, MSc
Jg. 1973. Studium der Pädagogik/Psychologie mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Universität in Wien. Studium Kommunikation/Management an der Donauuniversität in Krems. Langjährige Erfahrung in der Tätigkeit als Vortragende, Trainerin und Erwachsenenbildnerin. Seit 2009 Bundesgeschäftsführerin des Forums Katholischer Erwachsenenbildung in Österreich.

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