"Kooperation ist nicht nur notwendig, sie stärkt auch die EB-Branche"

09.11.2010, Text: Christian Ocenasek, bifeb
Ein Interview mit Michael Sturm, Geschäftsführer des BFI Österreich zur österreichischen Erwachsenenbildung. (KEBÖ-Serie, Teil 1)
In der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreich (KEBÖ) kooperieren zehn sehr unterschiedliche Verbände der Erwachsenenbildung. Sie vertreten Berufs- und Allgemeinbildung, konfessionelle Erwachsenenbildung, ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInneninteressen. Gemeinsam ist ihnen ein gemeinnütziges Selbstverständnis und das Ziel, die Erwachsenenbildung als gleichwertigen Sektor im Bildungswesen zu etablieren. In einer Interviewreihe befragt Christian Ocenasek die LeiterInnen der zur KEBÖ gehörigen Verbände. Den Beginn macht Michael Sturm, Geschäftsführer des BFI Österreich.


Das Berufsförderungsinstitut (BFI) ist mit  ca. 7.300 MitarbeiterInnen eine der ganz großen Bildungseinrichtungen Österreichs. Du bist Geschäftsführer des Dachverbands und vertrittst das BFI in zahlreichen Gremien auf Bundesebene. Der Dachverband besteht mit dir aus 5 Personen. Wie ist die Arbeit bewältigbar?


Sturm: Kaum noch, denn die Aufgaben nehmen sowohl intern als auch extern ständig zu. Intern geht es um vielfältige Serviceleistungen für die Berufsförderungsinstitute, die ja in den vergangenen Jahren rasant gewachsen sind. Der ökonomische Druck führt gegenwärtig dazu, dass die BFIs wieder enger zusammenrücken, Synergie-Effekte nutzen und Einsparungspotenziale optimieren wollen. Nach außen werden die Vertretungsfunktionen und das Lobbying immer wichtiger. Über Arbeitsmangel kann ich mich also nicht beklagen. Zur Bewältigung helfen Routine und die Unterstützung durch kompetente Mitarbeiterinnen.
 

Was sind die Kernaufgaben?

Sturm: Zunächst stellt das BFI Österreich das Bindeglied zu den Trägerorganisationen Bundesarbeitskammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund in allen Fragen der strategischen Ziel- und Schwerpunktsetzung der Bildungsaktivitäten dar. Bildungspolitische Initiativen auf Bundes- und EU-Ebene gilt es inhaltlich zu bewerten und aktiv mitzugestalten. Eine weitere Hauptaufgabe ist es, die Zusammenarbeit der BFIs zu unterstützen und gemeinsame Vorhaben zu koordinieren. Und schließlich geht es als Dachverband darum, die Interessen des BFI zu wahren und mit Engagement zu vertreten.    
 

Mich interessieren besonders jene Aufgaben, die über die Interessen des BFI hinaus, die Erwachsenenbildungslandschaft als Gesamtes berühren. Wieso ist es so wichtig, sich für kooperative Angelegenheiten stark zu machen und mit „Konkurrenten“ an einem Strang zu ziehen?

Sturm: Die Erwachsenenbildung ist im österreichischen Bildungssystem leider noch immer nicht als gleichwertiger Sektor anerkannt. Daher ist es wichtig, sich für eine Aufwertung der Erwachsenenbildung einzusetzen. Das kann  nur gemeinsam gelingen. Kooperation ist daher für dieses Anliegen nicht nur notwendig, sondern stärkt in Wirklichkeit alle. Zudem steht gemeinnützigen Verbänden der kooperative Gedanke vermutlich näher als anderen, gewinnorientierten Einrichtungen. Es gilt, für faire und für alle gleiche Rahmenbedingungen einzutreten – dann ist auch gegen einen gesunden Wettbewerb nichts einzuwenden.


Du hast ja gerade zwei Jahre Vorsitzführung bei der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) hinter dir. Was sind die wichtigsten verbandsübergreifenden Erfolge der Erwachsenenbildung? Wo siehst du die größten anstehenden Herausforderungen?

Sturm: Ein Meilenstein war zweifelsohne der Abschluss der dreijährigen Leistungsvereinbarungen mit dem BMUKK und die Erhöhung der Strukturförderung. Das hat nicht nur eine mittelfristige Planungssicherheit gebracht, sondern die Zusammenarbeit zwischen der KEBÖ und dem BMUKK auf eine verlässliche und substanziell höherwertige Grundlage gestellt, die noch viel Zukunftspotenzial besitzt. Ein weiterer Entwicklungsschub ist durch das kooperative System der Erwachsenenbildung am bifeb (Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Anm.d.Red.) entstanden, das einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung leistet. Die größte Herausforderung besteht nach wie vor darin, sich gegen Verschlechterungen bei den Rahmenbedingungen für Lehrende in der Erwachsenenbildung zu behaupten.  

 
Was unterscheidet Kooperatives System und KEBÖ? Welche Entwicklungsperspektiven siehst du? Was braucht es dazu, um bei diesen Perspektiven erfolgreich zu sein? Was wäre die größte Gefahr für den Erfolg?

Sturm: Das kooperative System bezieht sich derzeit ausschließlich auf strukturierte Weiterbildungsangebote für MitarbeiterInnen in der Erwachsenenbildung. Die KEBÖ sieht sich hingegen als Plattform für alle gemeinsamen verbandsübergreifenden Interessen. Qualitätssicherung und die grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit stärken das Vertrauen innerhalb der Erwachsenenbildung. Auf dieser Basis ist das kooperative System weiter ausbaufähig. Die Weiterbildungsakademie gilt jetzt schon als ein Vorzeigemodell, weil es zum einen gelungen ist, aus der Branche heraus für die Branche kompetenzbasierte Qualifikationsstandards zu definieren und zum anderen, ein Anerkennungsverfahren für nonformal und informell erworbene Kompetenzen zu entwickeln, das für andere Bildungssektoren richtungsweisend sein könnte. Je gefestigter das Selbstverständnis der EB-Branche wird, desto mehr Gewicht bekommt es und umso besser lassen sich gemeinsame Interessen durchsetzen. Die Gefahr dabei ist, dass womöglich nicht alle Verbände die gleichen Professionalisierungsabsichten verfolgen oder das Tempo der Veränderungsprozesse für manche zu hoch ist.    

Die Komplexität deiner Aufgaben erfordert besondere Kompetenzen. Darf ich dich um eine Selbsteinschätzung bitten. Wie gelingt es dir, die Aufgaben so zu bewältigen? Über welche Eigenschaft von dir bist du besonders erfreut? Wo siehst du noch persönlichen Entwicklungsbedarf?  

Sturm: Das wichtigste für mich ist, dass ich meine Arbeit gerne und mit ehrlicher Überzeugung erledige. Wenn dieses Engagement für andere spürbar wird, ankommt und es gelingt, etwas zu bewegen, dann fördert dies auch meine eigene Motivation. Offenheit und konstruktive, lösungsorientierte Ansätze helfen sicher bei der Bewältigung komplexer Aufgaben. Ungeduld und mangelnde Hartnäckigkeit schmälern mitunter die Erfolgsaussichten – da gäbe es durchaus noch Verbesserungspotenzial.  

Danke für das Gespräch.


Dr. Michael Sturm
Jg. 1959, Studium der Erziehungs- und Politikwissenschaften. Geschäftsführer des Berufsförderungsinstituts Österreich. 2008-2010 Vorsitzender des Leitungsausschusses der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ), seit 2010 Vorsitzender der Berufsvereinigung der ArbeitgeberInnen privater Bildungseinrichtungen (BABE).

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