Bildung findet Stadt: Lehrgang Kommunale Bildung

14.05.2010, Text: Wilfried Hackl u. Christina Pernsteiner, Redaktion/CONEDU
Erstmals in Europa gestaltet eine Pädagogische Hochschule einen Lehrgang für BürgerInnen einer Gemeinde.
Mit der Konzeption eines Lehrgangs für eine knapp 10.000 EinwohnerInnen zählende Gemeinde leistet die Pädagogische Hochschule Niederösterreich (PH NÖ) Pionierarbeit in Europa. "Bildung muss angesichts der Erfordernisse des Lebenslangen Lernens zunehmend auch als eine kommunale und sozialpolitische Aufgabe gesehen werden", so Professor Erwin Rauscher, Rektor der PH NÖ und Lehrgangsinitiator.

Ausgangspunkt der Entwicklung war eine Anfrage der Gemeinde Wiener Neudorf an die PH NÖ, sie möge sich aktiv in das Bildungsgeschehen der Gemeinde einbringen. In Kooperation mit der Gemeinde initiierte Rauscher daraufhin den Lehrgang "Kommunale Bildung", der im Herbst 2008 mit 30 TeilnehmerInnen gestartet wurde.

Entwicklung im Dialog mit den Beteiligten
Die Entwicklung des Curriculums wurde im Rahmen eines Workshops eingeleitet, an dem 75 Personen aus Wiener Neudorf  teilnahmen. Auf Grundlage der dort erarbeiteten Überlegungen entstand ein sechs Module umfassendes Konzept, das in weiterer Folge landesweit begutachtet wurde.

Die Inhalte sind vielfältig und nehmen Bezug auf die Fragen des kommunalen Zusammenlebens:

Modul 1: [:Kultur:]en
Inhalte sind unter anderem: Kulturen im Dialog, Diversity Management, Demokratie, Religion und Brauchtum

Modul 2: Lernen
Inhalte sind unter anderem: Gestaltung von Lernprozessen, Lernmethoden, Wissenstransfer

Modul 3: Elternakademie
Inhalte sind unter anderem: Umgang mit Grenzen, gewaltfreies Miteinander, Schulpartnerschaft

Modul 4: Generationendialog
Inhalte sind unter anderem: Zusammenleben von Jung und Alt, Ressourcenweitergabe, Gesundheit als generationenverbindendes Ziel

Modul 5: Gemeinde
Inhalte sind unter anderem: Raumgestaltung als demokratischer Beteiligungsprozess, Steigerung der subjektiven und kommunalen Lebensqualität, Inklusion, Geschichte der eigenen Gemeinde

Ergänzungsmodul: Schreibwerkstatt
Inhalte sind unter anderem: Erlernen, wie man Gelerntes festhält - in Wort, Schrift und Ton

Lernen im Lehrgang und außerhalb
Der Workload, also die von den TeilnehmerInnen aufzuwendende Arbeitszeit, wurde pro Modul mit 125 Stunden veranschlagt. Insgesamt umfasst der Lehrgang 30 ECTS, also 750 Stunden. Innerhalb eines Moduls finden jeweils fünf Lehrveranstaltungen in Präsenz statt. Nebenher erfolgt ein gemeinsames und individuelles Arbeiten an vorgegebenen Themenfeldern, wobei die TeilnehmerInnen ihre Lern- und Arbeitszeiten selbst wählen. Die Ergebnisse werden dann in sogenannten Portfolios dokumentiert.

Jede und jeder kann teilnehmen
Das nach Angabe der PH europaweit einzigartige Bildungsangebot unterliegt grundsätzlich keinen Zulassungsvoraussetzungen. Unabhängig von Profession, Alter oder Bildungsschicht sind alle BürgerInnen der Kommune sowie aus dem Umkreis der Gemeinde berechtigt, den Lehrgang zu absolvieren. "Damit fallen wesentliche Barrieren für Lernen und Teilhabe weg", so Rauscher.

Bei den Referentinnen und Referenten handelt es sich vornehmlich um externe ExpertInnen aus verschiedenen Professionen sowie um Personal der PH Niederösterreich. Dort, wo Fachwissen und Vermittlungskompetenz vorhanden sind, treten aber auch TeilnehmerInnen als Lehrende auf.

"Bildung ist ein Prozess der Gestaltung von und mit Menschen in ihrem Bezug zu ihrer sozialen und ökologischen Lebens- und Umwelt, mit dem Ziel reflektierter und dialogischer, individueller und gemeinschaftlicher Verantwortungsübernahme." fasst Erwin Rauscher das Bildungsverständnis des Lehrgangs zusammen.

Jede Gemeinde kann so etwas
Der Lehrgang wird laufend evaluiert und begleitend beforscht, um künftig auch an anderen Orten Lernprozesse zu befördern und zu begleiten. Gemeinden, die Interesse anmelden, werden seitens der PH NÖ bei der Umsetzung eigener Bildungsvorhaben unterstützt.
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