Erwachsenenbildung einmal anders: Erste Mauthausen-Guides zertifiziert

30.11.2009, Text: Michaela Schneider, BFI Österreich
Die Mauthausen-Guideausbildung schloss dieser Tage mit einer feierlichen Zertifikatsübergabe in Wien ab.
Internationales Vorzeigeprojekt
Erstmals erwarben engagierte Frauen und Männer, die durch das ehemalige nationalsozialistische Vernichtungslager Mauthausen in Oberösterreich führen, ein international anerkanntes Zertifikat.

Beispielhaftes Engagement gegen Rassismus
Im Rahmen einer Feierstunde im Marmorsaal des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) überreichte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am 20. 11. 2009 den ersten 30 AbsolventInnen der Mauthausen-Guideausbildung ihre Zertifizierungsurkunden. Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) und Mitinitiator des Guideprojekts, würdigte anlässlich der Zertifikatsverleihung die TeilnehmerInnen am Projekt: "Die gut ausgebildeten Mauthausen-Guides - die sich zur Hälfte aus Frauen und zu einem Fünftel aus KollegInnen mit migrantischem Hintergrund zusammensetzen - sind ein hochmotiviertes und engagiertes Team, das qualifizierte Begleitungen anbietet, bei denen Interaktion und der Bezug zu Rassismus heute genauso Teil der Begleitung sind wie die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen
Terrorregimes."


Warum Mauthausen-Guides?
Wie wichtig die Guideausbildung ist, zeigte ein Vorfall im Mai 2009. Bei den Befreiungsfeiern in Ebensee, einem Nebenlager von Mauthausen, griffen damals fünf Jugendliche, die Naziparolen schrien, NS-Opfer tätlich an. Schon einige Monate früher, im Februar 2009, war die Gedenkstätte Mauthausen geschändet worden. Damit sich derlei in Zukunft nicht wiederholt, sollen für Jugendliche vermehrt Führungen durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen angeboten werden, und zwar von eigens dafür geschulten BegleiterInnen: den Guides.


Das Ausbildungskonzept
Die Vermittlungsarbeit an KZ-Gedenkstätten ist keine einfache und steht gerade in der heutigen Zeit vor neuen Herausforderungen. Empirische Studien belegen seit Jahren, dass ein Gedenkstättenbesuch umso nachhaltiger wirkt, je stärker die BesucherInnen darüber reflektieren. Daraus lässt sich unzweideutig die Notwendigkeit einer gezielten pädagogischen Vor- und Nachbereitung ableiten. Bislang gab es auf diesem Gebiet in Österreich eklatante Defizite. Hier soll die Guideausbildung Abhilfe schaffen. Weitere Kernanliegen sind der Bezug zur Gegenwart sowie ein Supervisionsangebot für die Guides. Die Ausbildung erstreckte sich über neun Monate und ist durch einen starken Praxisbezug charakterisiert. Sie fand in Oberösterreich und Wien statt und umfasste vier Module.


Die Inhalte der vier Ausbildungsmodule im Überblick

  • Modul 1: Historischer Hintergrund, Vermittlungstechniken der Gedenkstättenarbeit und gruppendynamische Prozesse
  • Modul 2: Topographie der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Vermittlungsarbeit an der Gedenkstätte
  • Modul 3: Vor- und Nachbereitung von Gedenkstättenbesuchen, Methoden der antirassistischen Bildungsarbeit, Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung
  • Modul 4: Supervision, Erfahrungsaustausch und Fachgespräch


Theoriesequenzen und praktische Übungen, darunter auch Probebegleitungen, wechselten einander ab.


Die Zertifizierung
Die Ausbildung endet mit einer Prüfung, die gemäß den Anforderungen der Personenzertifizierung nach der internationalen Norm ISO/IEC 17024 durchgeführt wird. Die SystemCERT GmbH, eine unabhängige, vom Wirtschaftsministerium akkreditierte Zertifizierungsstelle, nahm die Prüfung ab. Mit der Zertifizierung soll das Guidemodell offiziell anerkannt und für ein breiteres Publikum "sichtbar" gemacht werden. Michael Sturm, Aufsichtsratsvorsitzender von SystemCERT und Geschäftsführer des Berufsförderungsinstituts (bfi) Österreich: "Die erfolgreiche Zertifizierung der Mauthausen-Guides stellt sowohl einen Nachweis für den hohen Qualitätsstandard des Ausbildungskonzepts als auch für die umfassenden Kompetenzen der AbsolventInnen dar. Mit ihr wird ein in der Öffentlichkeit wenig bekannter, aber eminent wichtiger Tätigkeitsbereich der Erwachsenenbildung gewürdigt und hervorgehoben. Schließlich kann für diese Art der Aufklärung nie genug getan werden."


Nichts als alte Mauern?
Parallel zur Ausbildung entstand die zweibändige Publikation "Nichts als alte Mauern? Die Mauthausen-Guideausbildung". Einerseits dokumentiert sie ein erfolgreiches Modellprojekt. Andererseits beleuchtet sie Sinn und Möglichkeiten von Gedenkstättenbesuchen und dient als Handbuch zur Vor- und Nachbereitung von Besuchen an KZ-Gedenkstätten.


Aus der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft lernen
Und wie sehen die neuen Guides ihre Tätigkeit? 


Edvana Gjashta: "Ich habe bis jetzt vier Begleitungen durchgeführt. Am Anfang war es für mich sehr schwierig, da die deutsche Sprache nicht meine Muttersprache ist und auch die Emotionen an einem Ort wie Mauthausen sehr tief sind, aber was mir sehr wichtig ist: den BesucherInnen zu vermitteln, dass das, was hier passiert ist, sich nicht wiederholen darf. Außerdem möchte ich als eine Staatsbürgerin mit Migrationshintergrund den BesucherInnen die Botschaft übermitteln: Wir können miteinander ganz gut ein normales und friedliches Leben führen." 


Bernhard Trautwein: "Die Geschichte der Gedenkstätte Mauthausen sollte in die Lebenswelt der GruppenteilnehmerInnen integriert werden, um zu vermeiden, dass Mauthausen als singuläres historisches Ereignis ohne Gegenwartsbezug und Bedeutung vermittelt wird. Solche Vermittlungsstrategien sollen den Brückenschlag zwischen der Gedenkstätte Mauthausen und aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen der Gewaltprävention, der Rassismusbekämpfung, aber auch des Negationismus und Rechtsextremismus unter Jugendlichen möglich machen."

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