Vom defensiven Lernwiderstand zum expansiven Lerninteresse

08.10.2009, Text: Christian Ocenasek, bifeb
Anke Grotlüschen hat bei der KEBÖ-Jahrestagung Ende September die Ergebnisse ihrer Forschung präsentiert. Damit fordert sie Bildungseinrichtungen zum kritischen Hinterfragen ihrer Tätigkeiten auf.
Wie lernen Erwachsene?“ war das Motto der KEBÖ-Jahrestagung. Anke Grotlüschen, Universitätsprofessorin an den Erziehungswissenschaften in Hamburg, hat Lernbiographien erforscht. Was hat Menschen bewegt, zu lernen? Welche Phasen lassen sich unterscheiden?

Die Bildungsraupe gibt Aufschluss

Grafik: Bildungsraupe (Quelle unbekannt)



Grotlüschen unterscheidet 5 Phasen:
  • Berührungspunkt
  • Latenzphase
  • Expansive Phase
  • Kompetenzphase
  • Distanzierungsphase


Die drei wichtigsten Phasen chronologisch rückwärts betrachtet, sind die Kompetenzphase, die expansive Phase und die Latenzphase. Die Kompetenzphase ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit des „kompetenten“ Menschen, die eigene Tätigkeit, den Nutzen und die mögliche Risiken der Anwendung des erworbenen Wissens und der Fertigkeiten, kritisch zu hinterfragen. Davor stehen Lernende im Idealfall in der expansiven Lernphase, die geprägt ist von Neugier, dem Drang, möglichst viel und umfassend von dem zu erfahren, was sie interessiert.

Die Latenzphase entscheidet ob defensiv oder expansiv gelernt wird
Vor diesem uferlosen Aufsaugen aller Informationen, die die expansive Phase mit sich bringt, stellt sich Lernenden eine Entscheidungsfrage. Will ich das, was mich anspricht, auch wirklich lernen? Nur wenn diese Frage eigenverantwortlich, ohne Drängen von Dritten getroffen wird, ist der Weg zum expansiven Lernen frei.

Das Schulsystem zeigt oft anderes. LehrerInnen, Eltern, drängen SchülerInnen zum Lernen. Die Konsequenz ist nicht, dass die SchülerInnen nicht lernen. Nein, sie lernen defensiv, aus anderen Motiven als dem eigenen Interesse, z.B. aus Prüfungs- oder Versagensängsten. Demnach ist das latent halten von Themen eine besonders erfolgversprechende Kunst von ErwachsenenbildnerInnen. Es geht darum Atmosphären zu schaffen, in denen Erwachsene frei entscheiden können, ob und was sie lernen wollen.

Bedeutung für die Erwachsenenbildung
Das Phasenmodell bietet eine sehr lohnende Auseinandersetzung für ein selbstkritisches Hinterfragen der Erwachsenenbildung. Neben den angesprochenen didaktischen Aspekten, mit denen die Erwachsenenbildung schon immer kompetent umgeht, eröffnet sich die Frage des Marketings. Müsste die Erwachsenenbildung die Aufmerksamkeit – vielleicht zu Lasten der Produktwerbung – nicht viel stärker auf die Latenzphase der potentiellen LernerInnen lenken und mit allgemeinen thematischen Attraktionen bedienen? Wenn es nach dem Modell geht, wäre das ein möglicher Ansatz

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