PädagogInnen von der Uni: überqualifiziert und zu wenig Praxiserfahrung?

21.07.2009, Text: Christina Pernsteiner und Wilfried Hackl, Online-Redaktion, Redaktion: Christina Pernsteiner, Online-Redaktion
Mit dem Berufseinstieg von PädagogInnen befasste sich eine Studie der Universität Graz. Nun liegen die Ergebnisse aus einer Befragung mit Personalverantwortlichen vor.
Berufseinstieg von PädagogInnen aus Unternehmenssicht

Im Rahmen des Projektes "Bildung – Studium – Beruf" führten Nicole Lafer und Claudia Sodl bereits 2008 eine Befragung unter Studierenden und AbsolventInnen des Institutes für Erziehungs- und Bildungswissenschaft durch - wir berichteten. Ergänzend dazu liegen nun die Ergebnisse aus Interviews mit 33 Personalverantwortlichen vor, die den Berufseinstieg von PädagogInnen auch aus Unternehmenssicht beleuchten. Claudia Sodl hierzu: "Der wohl wichtigste Schluss für Studierende ist, dass Sie soviel als möglich Praxiserfahrung sammeln sollten."

 

Die Untersuchung sollte vor allem klären, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen Unternehmen AbsolventInnen einstellen. Weiteres versuchten die Studienautorinnen herauszufinden, ob überhaupt bzw. in welchem Ausmaß Qualifikationen von PädagogInnen bekannt sind und welche zusätzlichen Kompetenzen Personalverantwortliche von BewerberInnen erwarten. Die 23 weiblichen und 10 männlichen Interviewten sind größtenteils in Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sowie der Sozialpädagogik tätig, welche die zwei großen typischen Beschäftigungsfelder für PädagogInnen darstellen.

 

Herausforderungen beim Bewerbungsprozess

Laut den Befragungsergebnissen sind folgende Faktoren ausschlaggebend für einen erfolgreichen Bewerbungsprozess:

 

  • Akademischer Abschluss als Einstellungskriterium: Allgemein ist eine akademische Ausbildung durchaus förderlich, aber es handelt sich hierbei nicht um ein zwingendes Einstellungskriterium. Gerade bei Arbeitsfeldern und Positionen, in denen ein akademischer Abschluss irrelevant ist, besteht die Gefahr einer Überqualifizierung und somit einer Erschwernis beim Berufseinstieg. Denn falls die zu besetzende Stelle keine akademische Ausbildung voraussetzt, würde ein Großteil der Arbeitgeber eher Nicht-AkademikerInnen einstellen, da er diesen zu einem geringeren Gehalt verpflichtet wäre.

 

  • Nützliche bzw. geforderte Qualifikationen: Je nach Einsatzbereich sind unterschiedliche Zusatzqualifikationen notwendig. Darunter fallen vor allem wirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse sowie spezielle pädagogische Qualifikationen wie etwa eine TrainerInnenausbildung. Teilweise können diese Kenntnisse im Rahmen einer berufsbegleitenden Fortbildung nachgeholt werden, oft sind sie jedoch bereits Voraussetzung für eine Anstellung.

 

  • Fachwissen vs. Persönlichkeit: Die Personalverantwortlichen bewerten die Persönlichkeit von MitarbeiterInnen mindestens gleich wichtig wie die fachliche Kompetenz. Gerade in Bewerbungssituationen scheinen daher Ausstrahlung und Auftreten ausschlaggebend.

 

  • Soft Skills: Neben der fachlichen Ausbildung und der Persönlichkeit gehören die Soft Skills zu den wichtigsten Einstellungskriterien. Die Personalverantwortlichen betonen je nach pädagogischem Arbeitsfeld soziale und kommunikative Kompetenzen wie bspw. Freude am Umgang mit Menschen, weiters mentale Kompetenzen wie beispielsweise Stressresistenz, aber auch Alter, Reife und Verantwortungsbewußtsein.

Vergleiche mit FH-AbsolventInnen und NichtakademikerInnen

Verglichen mit FH-AbsolventInnen und NichtakademikerInnen kritisieren Personalverantwortliche vor allem die fehlende berufliche Praxis der UniversitätsabgängerInnen. Außerdem stellen einige Befragte eine gewisse Unsicherheit bezüglich der beruflichen Einsatzfähigkeit fest. So wüssten UniversitätsabsolventInnen weniger, welchen Wert sie am Arbeitsmarkt haben und was sie für ihre Leistungen verlangen können. Sie sind tendenziell bescheidener und drücken eher Unsicherheit bezüglich ihrer im Studium erworbenen Kompetenzen aus.

 

Im Gegensatz dazu werden als Vorteile bei UniversitätsabsolventInnen der breitere theoretische Hintergrund bzw. eine fundiertere wissenschaftliche Ausbildung sowie höhere Selbstständigkeit, Flexibiliät, Belastbarkeit und Organisationsfähigkeit gesehen. Eine weitere wichtige Stärke ist nach Angaben der Befragten die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte und größere Zusammenhänge selbstständig zu erfassen und zu bearbeiten.

 

Praktika als Türöffner

Weil die berufliche Erfahrung so ausschlaggebend ist, betont Claudia Sodl die Relevanz jeder Art von Praxiserfahrung: "Uni-AbsolventInnen haben einfach viel zu wenig Praxiserfahrung, wenn sie in den Arbeitsmarkt eintreten. Ideal wäre natürlich, einschlägige Erfahrungen zu sammeln, aber es geht vor allem darum, den Arbeitsalltag einmal kennen gelernt zu haben, zu wissen, wie es ist, zu arbeiten. Das schlechteste ist, gar keine Arbeitserfahrung gemacht zu haben oder nicht einmal interessante Hobbies oder Interessen vorweisen zu können, bei denen man sich engagiert hat".

 

Außerdem weist Sodl darauf hin, möglichst offen in verschiedenen Bereichen Erfahrungen zu sammeln und sich vorerst nicht auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld zu versteifen. Dies bringt eine bessere berufliche Orientierung mit sich: "Leute, die viel ausprobiert haben, wissen eher was sie wollen und was nicht".

 

Weiters erfolgt die Besetzung von offenen Stellen sehr häufig über interne Netzwerke im Arbeitsumfeld und über persönliche Kontakte. Hier berücksichtigen viele Personalverantwortliche auch jene Personen, die in ihrer Einrichtung ein Praktikum absolviert haben.

 

Anregungen für einen erfolgreichen Übergang zwischen Studium und Beruf

Laut Studie sind für Pädagogikstudierende und -absolventInnen nochmals zusammengefasst folgende Faktoren ausschlaggebend:

  • früh genug damit beginnen, Praxis zu sammeln und herausfinden, wohin sie wollen
  • nur das Studium alleine reicht nicht, den meisten PersonalistInnen ist es zu wenig, wenn jemand in oder unter Mindestzeit studiert hat, daneben aber keinerlei Erfahrung gesammelt hat
  • möglichst offen sein für unterschiedliche Bereiche und trotzdem mit Zusatzqualifikationen das eigene Profil schärfen
  • selbstbewußt mit den erlernten Kompetenzen umgehen

 

Seitens der Universität wünschen sich die Personalverantworlichen folgende Änderungen:

  • erhöhte Praktikumsstunden
  • bessere Vorbereitung der Studierenden auf Bewerbungsprozesse und auf den Arbeitsalltag
  • mehr Einbeziehung von PraktikerInnen in den Lehralltag, auch um die Hemmschwelle zwischen Wissenschaft und Praxis zu verringern
  • mehr Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft allgemein
  • Verdeutlichung des Qualifikationsprofils der AbsolventInnen (was können diese wirklich nach dem Studium)

 

Über das Projekt "Bildung – Studium – Beruf"

Zwischen 2007 und 2009 befasste sich das Projekt „Bildung – Studium – Beruf“ mit dem Berufseinstieg von AbsolventInnen des Institutes für Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Dazu führten die Projektverantwortlichen Nicole Lafer und Claudia Sodl Befragungen mit insgesamt 461 Studierende, 246 AbsolventInnen und 33 Personalverantwortlichen durch.

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