Basisbildung am Arbeitsplatz – welche Rolle hat die Erwachsenenbildung?
Lernen am Arbeitsplatz: ein Feld geteilter Zuständigkeiten
Die ET 2020-Arbeitsgruppe „Adult Learning" – eine Arbeitsgruppe mit VertreterInnen aller europäischen Länder und wichtiger europäischer Stakeholder – befasst sich in ihrer aktuellen Arbeitsperiode mit dem Lernen am Arbeitsplatz. Sie kann dazu seit Anfang 2017 auf interessante Zwischenergebnisse aufbauen, denn als erster Schritt wurde eine Erhebung des Status quo in 32 beteiligten Ländern durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, wer sich des Themas „workplace learning" jeweils national annimmt. Dabei fällt auf: das Lernen am Arbeitsplatz ist in den meisten Ländern noch kein Knoten im Netz der Bildungspolitik – kein Politikfeld, das eindeutig verortet und koordiniert bearbeitet würde. Hier treffen im Gegenteil vier bildungspolitische Handlungsfelder aufeinander, nämlich Arbeitsmarktpolitik, Basisbildungsprogramme, berufliche Weiterbildung und das formale Berufsbildungssystem.
Basisbildung am Arbeitsplatz: wenig abgedeckt, neu diskutiert
Basisbildung am Arbeitsplatz umfasst in der europäischen Arbeitsdefinition Lesen und Schreiben in der jeweiligen Amtssprache sowie Alltagsmathematik und digitale Kompetenz. Der Länderüberblick zeigte, dass dazu erst in 18 von 32 Ländern konkrete Policies existieren. Daher widmete sich ein dreitägiges Treffen in Manchester im Februar 2017 diesem Thema. 20 VertreterInnen aus 11 Ländern kamen zusammen, um erfolgreiche Policy-Beispiele aus England, den Niederlanden und Norwegen näher kennenzulernen. In mehreren Analyseschritten extrahierten sie gemeinsame Erfolgsfaktoren aus diesen Beispielen gelungener bildungspolitischer Steuerung.
Kooperation mit Betrieben als neue Aufgabe
Die Fallbeispiele belegten die große Aufmerksamkeit, welche die Kooperation mit Arbeitgebern erfordert. Betriebe fühlen sich gerade für Basisbildung oft nicht zuständig. Sie beschäftigen zwar Menschen mit Basisbildungsbedarf, müssen aber vom Nutzen dieser Art von Weiterbildung oft erst überzeugt werden. Die Berichte der FallbringerInnen reichten von gezielten Marketingstrategien für Unternehmen bis hin zu schriftlich fixierten Agreements und Förderungen, die an eine Kooperation von Bildungsanbietern und Betrieben gebunden sind. Die Sprache der Betriebe zu verwenden, den Begriff der Basisbildung zu vermeiden und das Lernangebot bestehenden Jobprofile anzupassen waren als weitere Erfolgsfaktoren erkennbar.
Basisbildung und Wirtschaft – eine Annäherung
Bildungsmarketing im Kontext der Wirtschaft ist für die Erwachsenenbildung – je nach nationaler Ausrichtung und involvierten Abteilungen – nicht nur fremd, sondern potenziell irritierend. Zum einen sieht die Erwachsenenbildung ihre Aufgaben auch stark im nicht-beruflichen Bereich, zum anderen ist gerade „Basisbildung" – dort wo sie weit entwickelt wurde – ein inhaltsgesättigtes und werteträchtiges Bildungskonzept, das nicht leicht auf „Skills" reduziert und in Betriebslogiken eingepasst werden kann, ohne seinen emanzipatorischen Bildungsanspruch zu verlieren.
Career-long professional learning
Die auf europäischer Ebene zuständige Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration mit der Sektion „Skills" sieht das Thema klar im Zusammenhang der europäischen Wirtschaft. Vorschläge für die Erwachsenenbildung in aktuellen Peer Learning Activities und Arbeitsgruppentreffen beschreiben eine unterstützende, zuarbeitende oder bestenfalls koordinierende Rolle der Erwachsenenbildung für andere beteiligte Politikfelder. In diesen Diskussionen ist nicht von „lifelong learning" die Rede, sondern „career long learning" wurde als Begriff kürzlich eingeführt, also Lernen über das Arbeitsleben hinweg (und damit auch auf die Erwerbsphase begrenzt).
Wer koordiniert das Thema Skills?
In Manchester zeigte sich Basisbildung am Arbeitsplatz als facettenreiches Politikfeld, in dem eine Vielzahl von Zugängen kombiniert werden muss, um erfolgreich zu sein. Ein Multi-Stakeholder-Zugang mit einem koordinierten Commitment aller Beteiligten wird als entscheidender Faktor angesehen. Der Ruf nach mehr Kohärenz gewinnt damit eine neue Ausrichtung.
Welche Rolle kann und will die Erwachsenenbildung dabei spielen? Das hängt sichtbar davon ab, wie sich die Erwachsenenbildung in den einzelnen Ländern definiert und wer am Zug ist. Klar ist: wer sich national für das Thema „Skills" als zuständig erklärt, wird noch für längere Zeit viele AkteurInnen koordinieren, Lernende und Betriebe vom Sinn der Weiterbildung überzeugen müssen, eine Sprache der Wirtschaft sprechen müssen - und sich seiner Mitsprachemöglichkeit sicher sein können.
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