Akademie der Zivilgesellschaft: Ehrenamtliches Engagement unterstützen

15.03.2017, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Seit ihrer Gründung hat die Akademie der Zivilgesellschaft viele ehrenamtliche Projekte bei der Umsetzung unterstützt – ein Rückblick mit Brigitte Pabst. (Serie: Solidarität, Teilhabe und Ermächtigung)
Über 30 Projekte hat die Akademie im ersten Jahr unterstützt
Foto: CC0 pixaby.com/maxlkt
Ein Jahr ist seit der Gründung der Akademie der Zivilgesellschaft vergangen. Was macht die Akademie, wie wird sie angenommen und wie hat sie sich entwickelt? Wir haben mit Brigitte Pabst gesprochen – der Direktorin der Akademie.

 

Lucia Paar: Was macht die Akademie der Zivilgesellschaft?

 

Brigitte Pabst: Die Akademie bietet jedes Semester zwei Lehrgänge an, die ehrenamtliche Projekte in ihrer Entstehung bzw. Professionalisierung begleiten. Von der Projektidee bis zur konkreten Umsetzung erhalten die TeilnehmerInnen theoretische Inputs und Coachings für die praktische Anwendung. Außerdem gibt es Raum für Reflexion und Feedback von anderen zivilgesellschaftlich engagierten Menschen und ExpertInnen aus etablierten Institutionen. 

 

Im Mittelpunkt des Lehrgangs stehen Teamentwicklung, Projektmanagement, die Erarbeitung von Umsetzungsplänen, projektbezogene Öffentlichkeitsarbeit sowie Techniken der Verhandlungs- und Gesprächsführung. Zusätzlich gibt es mit dem neu etablierten Netzwerk Zivilgesellschaft die Möglichkeit, sich wienweit mit anderen ehrenamtlichen Projekten zu vernetzen und Synergien zu finden.

 

Bildungsinhalte, die im ursprünglichen Curriculum nicht vorgesehen waren, bieten wir bei Bedarf flexibel an: Wissen um das Vereinswesen, Fundraising oder Haftpflicht etc. Eine begleitende Evaluierung des ersten Semesters hat die angebotene Mischung aus modularen Wissensangeboten und Einzelcoaching der Projektteams sehr gut bestätigt.

 

Aus welchen Themenbereichen kommen aktuell Ideen zu zivilgesellschaftlichen Projekten?

 

Die neuen Initiativen sind inhaltlich sehr breit gestreut: ein gutes Drittel unterstützt Flüchtlinge oder generell Integration. Hier ist eine Verlagerung der Inhalte von praktischer Hilfe im Sprach- oder Wohnbereich hin zu Beschäftigung und nachhaltiger Integration wahrnehmbar. Die übrigen knappen zwei Drittel teilen sich in Bildung, Soziales und Kultur auf. Im zweiten Semester sind ökologische Themen dazugekommen, diese sind jetzt noch stärker vertreten. Die Anzahl der Initiativen für Flüchtlinge nimmt im Verhältnis ab. 

 

Welche Projekte sind mit Hilfe der Akademie im Bereich der Erwachsenenbildung entstanden?

 

Im Erwachsenenbildungsbereich wurde im letzten Lehrgang das Projekt "Austrian Edupreneurs" gegründet. Austrian Edupreneurs ist eine Plattform für Bildungstechnologie (EdTech). Ziel ist es, ein unabhängiges und neutrales Netzwerk von und für AkteurInnen im Bereich der Online-Bildung in Österreich aufzubauen und die Sichtbarkeit dieser zu erhöhen. Das Projekt ist ein offener Platz für alle Menschen, die gelungene Online-Bildungsprodukte entwickeln und die Zukunft von EdTech in Österreich aktiv mitgestalten wollen.

 

"Fabelhaftes Wien" hat ein mehrsprachiges Fabel-Buch erarbeitet, das für den DaF-/DaZ-Unterricht eingesetzt werden kann. 

 

"Gesundheit ist wichtig" bietet niederschwellige Informationen über das österreichische Gesundheitswesen, die vor allem auch für Menschen, die gerade Deutsch lernen, geeignet sind. In Kooperation mit dem Projekt "Klar-Text" liegen diese Informationen über das Gesundheitssystem in leichter Sprache vor. 

 

Und die Projekte "Was heißt hier Demokratie?" und "Demokratie, los!" stellen mit Demokratie-Workshops bzw. einem Dokumentarfilm zum Demokratieverständnis in Österreich ihr Engagement im Bereich Politische Bildung zur Verfügung.

 

Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum an Projekten, wie beispielsweise Gesundheitsberatung für geflüchtete Menschen oder ein Ausstellungsprojekt zum Thema Frieden bzw. den Verlust des Friedens.

 

Ein Jahr ist seit der Gründung der Akademie vergangen. Wie wird sie angenommen?

 

Im ersten Jahr sind bereits über 30 Projekte entstanden, die eine positive Wirkung auf das Zusammenleben in Wien haben. Das erachten wir als größten Erfolg der Akademie.

 

Alle bisherigen Lehrgänge waren zudem ausgebucht und hatten eine lange Schlange an InteressentInnen, die wir aufgrund der maximalen TeilnehmerInnenzahl von 40 pro Semester leider nicht aufnehmen konnten, um ein gutes Betreuungsverhältnis garantieren zu können.

 

Ende Februar sind der 5. und 6. Lehrgang gestartet. Seit den ersten beiden Lehrgängen hat sich natürlich einiges weiterentwickelt. Die Akademie der Zivilgesellschaft hat sich zu einem fixen Angebot für Ehrenamtliche in der Wiener Bildungslandschaft entwickelt. 

 

Alle bisherigen Lehrgänge waren ausgebucht. Wer sind die TeilnehmerInnen? 

 

Die TeilnehmerInnen sind insgesamt jünger und altersmäßig breiter gestreut als erwartet: Die jüngste Teilnehmerin wird erst knapp vor Lehrgangsende 18 Jahre alt, der älteste Teilnehmer ist 74. Das Durchschnittsalter beträgt 44 Jahre. Der Bildungsstand ist sehr hoch: über 60% der Ehrenamtlichen haben einen akademischen Abschluss. 

 

Wer steht hinter der Akademie und wie kam es zur Gründung?

 

Die Akademie der Zivilgesellschaft wurde am 1. März 2016 von der VHS Wien gegründet. Spätestens nach der Welle an Hilfsbereitschaft gegenüber geflüchteten Menschen an den Wiener Bahnhöfen stellte sich für uns die Frage, wie wir als Bildungseinrichtung zivilgesellschaftliches Engagement unterstützen können. Wir haben gesehen, dass enorme Energie vorhanden ist und Menschen aktiv und mit voller Kraft an einem positiven Miteinander arbeiten wollen. Gleichzeitig haben wir aber auch gesehen, dass viele Menschen ausgebrannt sind, weil sie Übermenschliches geleistet haben und aus einem humanistischen Pflichtgefühl heraus die eigenen Grenzen bzw. das eigene Ressourcenmanagement vernachlässigt haben. Genau an diesem Punkt haben wir die Möglichkeit gesehen, durch Bildungsmaßnahmen unterstützend wirken zu können. Nämlich durch praktisches Training in Projektmanagement, durch Team-Building-Maßnahmen, Wissen über Öffentlichkeitsarbeit, die Suche nach passenden KooperationspartnerInnen uvm. die Nachhaltigkeit von Projekten zu sichern.

 

Serie: Solidarität, Teilhabe und Ermächtigung in der Erwachsenenbildung

In welcher Gesellschaft wollen wir miteinander leben? In Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche und demokratischer Erosion ist diese Frage für Erwachsenenbildung von steigender Bedeutung. Mit freiem Auge erkennen wir die gesellschaftlichen Brüche und Verwerfungen, die von einer zunehmend entsolidarisierten Gesellschaft zeugen. Wie wir leben wollen ist eine Frage, die beim Umgang mit uns selbst und unseren Nächsten anfängt, aber bei weitem nicht dort endet. In postdemokratischen Zeiten stehen die Verhältnisse, Strukturen und Exklusionsmechanismen mindestens ebenso sehr zur Verhandlung, wie humanistische Wertvorstellungen und Aufklärungsideale. Ein Blick, den uns das "Bildungsevangelium" als Erzählung vom persönlichen Erfolg durch Bildung immer wieder verstellt. Alle bisher zur Serie #ebsoli erschienen Beiträge finden Sie hier.

 

Weitere Informationen:

 

Verwandte Artikel