Bildung zwischen Solidarität und Ausgrenzung

09.03.2017, Text: Anna Head und Cornelia Primschitz, Redaktion: Anna Head, bifeb
Bei der Tagung „… und raus bist DU!? Solidarität in der Erwachsenenbildung“ von 21. – 22. März 2017 am bifeb begeben wir uns auf Orientierungssuche in Wissenschaft und Praxis.
Wer wird ausgeschlossen? Wer schließt aus? Zufällig?
Foto bifeb
So-li-da-ri-tät. Kampfbegriff, Aufruf, Mahnung? Ein verstaubtes Wort? Ein Wort, das man schon nicht mehr hören kann? Ein Wort, das viel zu selten gehört wird? Ein Wort, das vielfach ideologisch besetzt ist? Ein Wort zwischen Emanzipation und Unterordnung, zwischen Worthülse und konkretem Handeln.

 

Ene, mene, muh – und raus bist du! Ein Auszählreim aus Kindertagen. Und doch: wer wird ausgeschlossen? Wer schließt aus? Zufällig? Wer auszählt, hat Macht, und wenn man die dahinterliegende Logik versteht ist es ganz leicht, jemanden bewusst (nicht) auszugrenzen.

 

Bei der Tagung „… und raus bist DU!? Solidarität in der Erwachsenenbildung“ von 21. – 22. März 2017 am bifeb greifen wir diese Überlegungen gemeinsam mit Expert_innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz in Vorträgen, Workshops und in einer Podiumsdiskussion auf. Gemeinsam begeben wir uns auf Orientierungssuche in Wissenschaft und Praxis, klären und stärken, entwickeln Mitgestaltungselemente für Veränderungsprozesse und treten in gemeinsamen Austausch.

 

„Mensch, ärger´ dich nicht!“

 

Ja, warum denn eigentlich nicht? Denken wir an das „Gesellschaftsspiel“, gibt es allen Grund sich zu ärgern: wenn ein anderer Mitspieler, eine andere Mitspielerin mich an den Start zurückwirft, nur weil sie oder er auf „meinem“ Platz landet. Die Aufforderung: ruhig bleiben, sich nicht ärgern, einfach wieder von vorne beginnen. Man braucht vielleicht ein bisschen länger für das gleiche Ziel oder schafft es gar nicht mehr, außer es gelingt mir noch bei einem der nächsten Spielzüge den Mitspieler_innen ein Bein zu stellen. Denn: abgesehen vom Würfelglück gibt es immer auch die bewusste Entscheidung, mit welcher Spielfigur man den nächsten Zug macht.

 

Strategien und Regeln – was bedeutet es, zu gewinnen? Was ist der Preis – den man bezahlt bzw. den man bekommt? Wer macht die Regeln? Sind sie da, um ausgehandelt/ umgangen/ gebrochen zu werden? Das Leben als Spiel – das Spiel des Lebens. Mit Regeln? Zufall oder doch mit Strategie? Mit Gewinner_innen und Verlierer_innen.

 

Schon als Kinder lernen wir durch Spiele Rollenbilder und -erwartungen, Regeln und Ausnahmen im gesellschaftlichen Zusammenleben kennen. Spiele wirken als Lernfeld für Kultur und Gesellschaft; im Spiel deuten wir die Welt und inszenieren unser Verständnis und gleichzeitig prägen wir uns und die Welt durch diese Inszenierung mit.

 

Geschichten des sozialen Miteinanders

 

Miteinander oder gegeneinander, einschließend oder ausschließend, offen oder geschlossen – in welcher Gesellschaft wollen wir wie leben? Welcher Bedingungen bedarf es, damit Menschen sich selbst und ihren Mitmenschen eine Geschichte des sozialen Miteinanders erzählen können? Was hält unsere Gesellschaft im Innersten zusammen? Diesen Fragen geht Rudolf Egger (Universität Graz) in seinem Eröffnungsvortrag nach.

 

Eva Borst (Universität Mainz) begibt sich in ihrem Eröffnungsvortrag auf Spurensuche nach dem Vokabel der „Solidarität“, das aus der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend verdrängt wurde. Besonders die Erwachsenenbildung hätte angesichts dessen die Aufgabe, sich selbstkritisch mit dieser Demontage zu befassen, will sie nicht ihren aufklärerisch-emanzipativen Bildungsanspruch verlieren und auf demokratische Grundstrukturen verzichten.

 

Veränderungen mitgestalten

 

In den Workshops stellen wir uns die Fragen, wie wir Entwicklungen rund um  Solidarität aktiv mitgestalten können. Wo stehe ich selbst, wo steht die Erwachsenenbildung im Spannungsfeld zwischen Solidarität und Ausgrenzung? Welche Möglichkeiten der (Inter-)Aktion gibt es?

 

  • Workshop 1: Digitale Solidarität und Partizipation – Josef Seethaler und Maren Beaufort (Österreichischen Akademie der Wissenschaften)
  • Workshop 2: Partizipative Theaterarbeit als Raum solidarischer Erfahrung und politischer Bildung – Michael Wrentschur (Universität Graz, InterACT)
  • Workshop 3: „Solidarität muss praktisch werden“: „Verbündet sein“  aus der Social Justice und Diversity Perspektive – Dirk Eilers (freiberuflich tätig in der Bildungs- und Theaterarbeit)
  • Workshop 4: Reflexionsräume schaffen - Vernetzung fördern - Generationensolidarität stärken ? Jessica Schnelle (Migros-Kulturprozent, CH)
  • Workshop 5: Verschränkungen von Solidarität und pädagogischer Reflexivität in der Migrationsgesellschaft – Rubia Salgado und Gergana Mineva (das kollektiv. kritische Bildungs-, Beratungs- und Kulturarbeit von und für Migrantinnen)

 

Über die Herausforderungen, Vor- und Nachteile struktureller Verankerung von Solidarität sprechen wir in der abschließenden Podiumsdiskussion. Was hemmt es, was ermöglicht  es? Wie wird Solidarität in der eigenen Organisation gelebt?
Wir sprechen mit: Mario Friedwagner (Freies Radio Salzkammergut), Gabriele Huterer (SOL  - Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil), Rubia Salgado (das kollektiv), Jessica Schnelle (Generationen Akademie), Sepp Wall-Strasser (Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung)

 

Verantwortung übernehmen


Für uns geht es darum, Verantwortung zu übernehmen, eigene Privilegien zu erkennen, Entwicklungen zu ermöglichen. Wir sehen dies auch als eine zentrale Aufgabe der Erwachsenenbildung: Forum und Plattform für Diskurs, Vernetzung und Veränderung zu sein. Mit der Tagung „… und raus bist DU!? Solidarität in der Erwachsenenbildung“ möchten wir einen (Frei)Raum schaffen, um Solidarität und ihre Verbundenheit, Eingewobenheit und auch ihre Gegensätzlichkeiten zur Erwachsenenbildung kritisch zu diskutieren.

 

Engagiert, mutig und solidarisch – denn: es bleibt die Erkenntnis, dass es immer auch hätte anders sein können.

 

Serie: Solidarität, Teilhabe und Ermächtigung in der Erwachsenenbildung

In welcher Gesellschaft wollen wir miteinander leben? In Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche und demokratischer Erosion ist diese Frage für Erwachsenenbildung von steigender Bedeutung. Mit freiem Auge erkennen wir die gesellschaftlichen Brüche und Verwerfungen, die von einer zunehmend entsolidarisierten Gesellschaft zeugen. Wie wir leben wollen ist eine Frage, die beim Umgang mit uns selbst und unseren Nächsten anfängt, aber bei weitem nicht dort endet. In postdemokratischen Zeiten stehen die Verhältnisse, Strukturen und Exklusionsmechanismen mindestens ebenso sehr zur Verhandlung, wie humanistische Wertvorstellungen und Aufklärungsideale. Ein Blick, den uns das "Bildungsevangelium" als Erzählung vom persönlichen Erfolg durch Bildung immer wieder verstellt. Alle bisher zur Serie #ebsoli erschienen Beiträge finden Sie hier.

Weitere Informationen zur Tagung "... und raus bist DU!? Solidarität in der Erwachsenenbildung"
  • Termin: 21. März 2017, 14:00 Uhr bis 22. März 2017, 16:00 Uhr
  • Teilnahmegebühr: frei wählbar (kann am Ende der Tagung selbst festgelegt werden)
  • Adressatinnen und Adressaten: Personen aus der Erwachsenenbildung, der Sozial-, Kultur-, und Gemeinwesenarbeit, der Freien Medien und alle weiteren Interessierten
  • Mehr Informationen, das Detailprogramm und das Anmeldeformular finden Sie auf www.bifeb.at

 

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